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Wahlkampf in Südtirol

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Die Vorverlegung der italienischen Parlamentswahlen stößt bei den Südtirolern womöglich auf noch weniger Verständnis als beim Staatsvolk. Trotz Wahlmüdigkeit und Ferienstimmung werden aber die Südtiroler das Ergebnis am 27. Juni gespannter erwarten als die italienischen Durchschnittsbürger. Denn erstmals tritt gegen die Südtiroler Volkspartei ein „Wahlverband der Südtiroler“ an, der die Loslösung der Provinz vom italienischen Staat auf seine Fahnen geschrieben hat.

Treibende Kraft dabei ist der rund 3.500 Mitglieder zählende „Südtiroler Heimatbund“, flan-

kiert von der kleinen opportunistisch-liberalen „Partei der Unabhängigen“ und einer noch kleineren Gruppe namens „Europa- Union Tirol“. Aber die einfache Parole „Selbstbestimmung jetzt!“ findet auch in Schützen- und SVP- Kreisen Anklang, vor allem bei jenen, die insgeheim bereits an ihren Startblöcken für das Rennen um die Nachfolge von Landeshauptmann Silvio Magnago basteln. Der Obmann hat alle Mühe, die Einheit der Sammelpartei zu wahren.

Der Heimatbund hat den Bruch mit der SVP herbeigeführt, weil er mit der ihm entgegengebrachten Aufmerksamkeit nicht zufrieden war. Dabei war der Heimatbund ein bevorzugter Gesprächspartner der Partei in einer eigens gebildeten gemischten Kommission. Es gelang ihm auch, sich mit seinem nahezu einzigen Programmpunkt, dem Selbstbestimmungsrecht, ins Rampenlicht der

Medien sowie der letzten beiden Landesversammlungen der SVP zu drängen.

Erst jetzt, zu den Parlamentswahlen, kommt es zu dem Bruch, von dem viele meinen, er sei längst fällig gewesen. Die Mutterpartei entsetzt sich angesichts des Spaltpilzes: die Parlaments-Kandidatur des Wahlverbandes setze die politische Geschlossenheit der Südtiroler um separatistischer „Hirngespinste“ willen aufs Spiel und gefährde eine bei späterer Gelegenheit denkbare Inanspruchnahme des Selbstbestimmungsrechtes.

Tatsächlich riskiert die SVP, das siebte römische Mandat, das sie beim Traumergebnis von 1979 hinzugewann, diesmal wieder zu verlieren. „Schuld“ daran wäre allerdings nicht nur die Konkurrenz vom Wahlverband, sondern auch die Spaltung der Trentiner Autonomisten-Partei PPTT, die mit der SVP gemeinsame Sache macht.

Südtiroler Wähler, die dem Traum von einem eigenen Staat nachhängen, haben bei den kommenden Wahlen eine große Auswahl. Um ihre Stimmen bewerben sich nicht nur die fünf Kandidaten des Wahlverbandes. Auch die bisherigen SVP-Abgeordneten Hans Benedikter und Michl Ebner geben sich seit Jahren betont deutschtümelnd, nicht zuletzt mit Hilfe kommerzieller Rundfunksender und der Tageszeitung „Dolomiten“. Trotzdem erhielten beide bei den kürzlich durchgeführten parteiinternen Bezirks-Vorwahlen weniger Stimmen als erwartet.

Da die beiden um ähnliche Wählerschichten werben, liegen sie sich jetzt in den Haaren, zumal Benedikter einem weiteren Eb- ner-Rivalen zur Parlaments- Kandidatur verholfen hat: der missionarische Selbstbestimmungs-Aktivist Franz Pahl hat zwar keine Aussicht auf Erfolg, soll aber das separatistische Wählerreservoir ansprechen — ein umstrittener taktischer Schachzug der Partei.

Wieviel Rückhalt der Separatismus wirklich hat, das ist eine der Fragen, die den Wahlabend vom 27. Juni in Südtirol spannend machen. Der Wahlverband der Heimatbündler hat sein Wahlziel erklärt: ein Mandat in der römischen Abgeordnetenkammer. .

In den Augen der meisten Beobachter ist dieses Ziel fast so unrealistisch wie der Traum vom eigenen Staat. Dem Heimatbund dürfte die Verlegenheit erspart bleiben, im neuen Parlament den Treueeid auf die italienische Republik leisten zu müssen …

Ob nun aber der Wahlverband nur zehntausend Stimmen von der SVP weglockt oder knapp 30.000 wie seinerzeit Hans Dietl — der Katzenjammer dürfte der Niederlage auf dem Fuß folgen. Sicher denkt man auf SVP-Seite auch daran und nicht nur an den zu erwartenden Verlust eines Mandats. Denn wenn die Südtiroler einen Abgeordneten in Rom verlieren, dann wird die Öffentlichkeit den „Abtrünnigen“ die Schuld dafür geben. Sie würden dann wohl auch bei den Landtagswahlen im Herbst nicht an Vertrauen dazugewinnen.

Nach innen wie nach außen dürfte der Bruch mit dem Heimatbund für die Volkspartei durch einen Gewinn an Klarheit und Glaubwürdigkeit mehr als aufgewogen werden. In Wien wie in Rom wird sich leichter verhandeln lassen, wenn die Südtiroler zeigen, daß sie für nationalistische Luftschlösser genausowenig anfällig sind wie für sozialistische Traumgebilde.

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