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Rom und das Recht

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Gemeindewahlen, die sonst nur ein Bild der örtlichen Verteilung der politischen Parteien, Richtungen und Kräfte darstellen, sind in Südtirol viel mehr; sie beweisen ebenso wie die Landtags- und Regionalwahlen, die Wahlen in die römische Kammer und in den römischen Senat die Zusammengehörigkeit der deutschsprachigen und der la-dinischen Volksgruppe. Man wird darauf auch in Trient und in Rom Rücksicht nehmen müssen u wenn man tatsächlich darangehen will, den guten Geist, der sich mindestens teilweise in der Neunzehnerkommission und ihrem Schlußbericht zeigt, in die Wirklichkeit umzusetzen.

Zwei Tiroler Listen (wobei die verschiedenen lokalen deutschen Listen, die teils mit der Edelweißliste der Volkspartei gekoppelt und teilweise mit ihrer Zustimmung einzeln aufgestellt worden waren, unter einer einzigen Liste vereinigt genannt werden) standen zehn italienische Listen (wobei die einzelnen lokalen italienischen Listen ebenfalls als eine einzige Liste genannt sind) gegenüber.

Von 137.583 abgegebenen Stimmen fielen auf die deutschen Listen insgesamt 108.619 Stimmen oder 79 Prozent (gegen 105.979 Stimmen im Jahre 1960 oder 85,65 Prozent). Der Stimmenzuwachs der deutschen Stimmen betrug daher 2640 Stimmen, wogegen der Prozentsatz um 6,65 gefallen ist, was auf die steigende italienische Wählerzahl zurückzuführen ist. Während die deutschen Listen im Jahre 1960 1426 Sitze erhielten, konnten sie bei den letzten Wahlen 1435 Sitze erobern.

Bei den italienischen Listen sind in erster Linie die christlichen Demokraten als weitaus stärkste italienische Partei von 12.605 Stimmen im Jahre 1960 auf 13.361 im Jahre 1961, also um 2,16 Prozent gestiegen; ihnen folgen die Nenni-Sozialisten, denen es gelang, die Stimmen von 3304 im Jahre 1960 auf 4677 oder um 1,92 Prozent zu erhöhen.

Ihnen folgten in kleineren Zahlen und Abständen die anderen Parteien, wie die Sozialdemokraten, die auch eine kleine Erhöhung von 0,37 Prozent verzeichnen konnten, die Liberalen, Monarchisten und Republikaner, die Kommunisten, deren Stimmen sogar von 1512 auf 1822 oder um 0,76 Prozent stiegen. Stark fielen dagegen die Neo-faschisten ab (trotz ihres Führers Mitolo), die von 3775 Stimmen 1960 auf 3141 bei den letzten Wahlen oder um 7,81 Prozent zurückgingen. Gesunken sind auch die Stimmen verschiedener lokaler italienischer Listen. '

Die Zahl der Gemeinderatssitze in den 104 Gemeinden verteilt sich auch dementsprechend. Die beiden Südtiroler Listen erhielten insgesamt 1435 Sitze (gegen 1426 1960)und konnten daher neun Sitze dazu-gewinnen, während die zehn italienischen Listen im Jahre 1964 insgesamt 232 Sitze erhielten, 1960 249 Sitze, sie erhielten daher um 17 Sitze mehr. Diese Erhöhung ist auf lokale Verhältnisse zurückzuführen und hat in der Gesamtwertung keine Bedeutung.

Rein deutsch gewählt wurde in den Gemeinden Ahrntal, Aldein, Corvara, Deutschnofen, Enneberg, Lajen, Kuens, Kiens, Jenesien, Gais, Laurein, Lüsen, Martell, Mühlwald, Percha, Pfalzen, Plaus, Prags, Proveis, Ratschings, Rifflan, Rodeneck, St. Christina (Groden), St. Felix, St. Martin in Passeier, St. Pankraz, Sarntal, Schenna, Schnals, Sexten, Terenten, Tiers, Tisens, Ulten, Unsere liebe Frau im Walde, Villanders, Villnöß und Olang, Voran, also in 39 Gemeinden von den 104 — ein Zeichen seltener Einmütigkeit.

In 51 Gemeinden war eine überaus starke deutsche Mehrheit, zwei Gemeinden hatten gleichviel italienische wie deutsche Gemeinderatssitze (Neumarkt und St. Ulrich in Groden), während diesmal lediglich sechs Gemeinden italienische Mehrheit aufwiesen und mehr Sitze im Gemeinderat erhalten konnten. In der Stadt Meran (11.315 italienisehe Stimmen und 24 Sitze gegen 7163 deutsche Stimmen und 18 Sitze) war der deutsche Aufstieg am bemerkenswertesten, denn die Deutschen konnten vier Sitze im Gemeinderat zu ihren bisherigen dazu-erobern! Es folgen der Eisenbahnknotenpunkt Franzensfeste mit 416 italienischen gegen 251 deutsche Stimmen, Leiters mit 3082 italienischen gegen 1820 deutschen Stimmen, Salurn, der letzte Ort im Süden der Provinz, mit 1087 italienischen gegen 500 deutsche Stimmen, und das kleine Dörflein Pfatten, das schon unter Österreich immer italienisch gewesen war.

Auch in Bruneck, der Hauptstadt des Pustertales, konnten die Südtiroler ein Mandat mehr erwerben, so daß in der Gemeindestube 15 Tiroler fünf italienischen Gemeinderäten gegenüberstehen. Bei den letzten Wahlen, im Jahre 1960, gab es zwölf Gemeinden mit mehr italienischen Stimmen, so vor allem Innichen, der Grenzort gegen die Grenze nach dem österreichischen Pustertal, wo das letztemal eine stärkere italienische Mehrheit vorhanden war.

In der ganzen Provinz Bozen gab es keine einzige Gemeinde mit rein italienischer Bevölkerung, während fast 90 Prozent der Ortschaften entweder ganz deutsche oder zum allergrößten Teil überwiegend deutschsprachige Gemeindevertretungen hatten.

Von den Gemeinden mit deutscher Mehrheit haben 19 nur einen einzigen italienischen Vertreter in der Gemeinde, in zwölf Gemeinden sitzen zwei italienische Gemeinderäte, in sechs Gemeinden drei, in drei Gemeinden vier, während in den übrigen Gemeinden mehrere, aber nirgends (mit Ausnahme der Stadt Meran) über acht Italiener im Gemeinderat sitzen.

Aus diesen amtlichen Zahlen sind die Bedeutung der Gemeindewahlen und die große Mehrheit des deutschen und ladinischen Volkes in Südtirol zu ersehen.

Es wäre nur zu hoffen, daß man das auch an maßgebender Stelle anerkennt und die Konsequenzen daraus zieht, nämlich endlich Recht Recht werden zu lassen, auch der Minderheit gegenüber. Man könnte fast eine Parallele ziehen zwischen diesem Wahlergebnis und den Worten des Professors Nuvolone, der ausdrücklich auf Artikel 3 der Verfassung hinwies („Alle Staatsbürger haben die gleiche soziale Würde ohne Unterschied“) und auf Artikel 6 („Die Republik schützt mit besonderen Gesetzesnormen öie sprachlichen Minderheiten“).

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