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Eingeschlafener Endspurt

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Im Rahmen der regelmäßigen Kontaktgespräche zwischen dem österreichischen Außenministerium und den Vertretern Nord- und Südtirols traf dieser Tage im Innsbrucker Landhaus Außenminister Bielka erstmals mit den Südtiroler Politikern zusammen. Sowohl der Landeshauptmann von Südtirol, Silvius Magnago, wie der Nordtiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer waren sich einig, daß der Verschleppung der „Paket”-Durchführung in Rom künftig mehr Nachdruck entgegengesetzt werden müsse. Obwohl man mit den Ergebnissen der Arbeit der Zwölfer- und Sechserkommission zufrieden sei, müsse nun doch energisch darauf gedrängt werden, daß die Durchführungsbestimmungen nun endlich — womöglich noch vor Ende des Jahres — abgeschlossen werden. Die Südtiroler haben immerhin bisher schon die Zustimmung für zwei Verlängerungstermine gegeben. Das „Paket” enthält bekanntlich jene von Rom zugestandenen Maßnahmen, die die Autonomie Südtirols gewährleisten sollen. Für einige, zum Teil sehr wesentliche Punkte, fehlen jedoch die Durchführungsbestimmun gen. Diese sollen von den Kommissionen in Rom erarbeitet werden. Von den permanenten politischen Schwierigkeiten Italiens beeinflußt, ziehen sich die Arbeiten der Kommissionen in die Länge, und es ist zu befürchten, daß sie auch in diesem Jahr nicht beendet werden. Magnago erklärte jedoch, daß die Südtiroler Volkspartei ihre Zustimmung zu einer neuen Regierung in Rom von deren Haltung zur Südtirolfrage abhängig machen werde. Landeshauptmann Wallnöfer bat den österreichischen Außenminister, trotz der Regierungskrise in Rom auf raschere Arbeit zu drängen, denn ein Abschluß der Verhandlungen über Paket und Operationskalender würde das Verhältnis zwischen Italien und Österreich endgültig klären. Trotz einer gewissen Besorgnis ist man sich jedoch, in der Ansicht einig, daß kein echter Anlaß zu Pessimismus bestehe.

Mehr noch als die Beendigung der Paketverhandlungen beschäftigen die Südtiroler Politiker die bevorstehenden Gemeinderatswahlen. Zwei Positionen sind für die deutschsprachi gen Südtiroler bei diesen am 17. November stattflndenden Wahlen erstrebenswert: jene des Vizebürgermeisters von Bozen und jene des Vizebürgermeisters von Meran. Bozen ist jene Stadt, in der die Italiener ein gigantisches Übergewicht (75 Prozent) besitzen. Die Präsenz der deutschen Vertreter im Bozner Gemeinderat ist von landespolitischer Bedeu tung. In Bozen werden wirtschaftliche Initiativen mit Ausstrahlung auf das ganze umliegende Gebiet ergriffen, dort stoßen die Interessen der verschiedenen Gesellschaftsschichten hart aufeinander, und letztlich geht darum, daß sich die deutsche Minderheit behauptet.

In Meran regiert derzeit auch noch eine italienische Mehrheit, doch holt die deutsche Volksgruppe dort zusehends auf, und es ist damit zu rechnen, daß sie in absehbarer Zeit wieder jene Mehrheit erreichen wird, die sie vor dem Faschismus bereits hatte. Ein deutscher Vizebürgermeister von Meran hat jedenfalls — bei der Langlebigkeit Südtiroler Politiker — eine echte Chance, später auch Bürgermeister zu werden. Seit den jüngsten Landtagswahlen sieht sich die Südtiroler Volkspartei nicht nur der italienischen Konkurrenz, sondern auch einer spürbaren Opposition innerhalb der deutschen Volksgruppe gegenüber. Die beiden linksgerichteten Splitterparteien, Dietls SPS und Jennys SFP, haben zwar bei den Gemeindewahlen keine allzugroßen Chancen, dürfen aber trotzdem nicht übersehen werden. Die Volkspartei versucht durch die Aufstellung von Kandidaten, die als besonders sozial gelten, der Aktivität der Linksopposition entgegenzuwirken. Auf „außenpolitischer Ebene” konnten sich Dietl und Jenny jedenfalls noch nicht durchsetzen. Ihr Wunsch, dem gesamttirolischen Kontaktkomitee beigezogen zu werden, blieb bisher unerfüllt.

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