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Gut Ding braucht Weile

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Kurz vor Weihnachten machte der Tiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer Journalisten gegenüber eine Mitteilung, die sowohl für Südtirol wie auch für alle anderen mit dem Südtirolproblem befaßten Länder und Staaten von eminenter Bedeutung sein kann. Wallnöfer sagte wörtlich: „Ich habe Informationen erhalten, daß zwischen Rom und Bozen überraschend eine weitgehende Ubereinstimmung bezüglich der noch ausstehenden Durchführungsbestimmungen für das Autonomiestatut 1970 erreicht worden sei.“

Sollte dies zutreffen, dann wären die wesentlichen Bedingungen des sogenannten Paketes erfüllt. Seit fast zwei Jahren ist nämlich die Frist zur Erlassung der Durchführungsbestimmungen abgelaufen und so lange ist Rom nunmehr mit der endgültigen Erfüllung der Paketverpflichtungen in Verzug.

Trotzdem haben die Südtiroler diese Verzögerung mit Geduld hingenommen und Landeshauptmann Silvius Magnago wurde nicht müde, seine Landsleute mit dem Hinweis zu beruhigen, daß gut Ding eben Weile brauche und es besser sei, für eine wirklich brauchbare Regelung einige Monate länger zu verhandeln,als in Eile fehlerhafte Lösungen sanktionieren zu lassen. Nicht zuletzt spielte bei dieser Strategie der Gedanke mit, in zäher Kleinarbeit noch ein paar zusätzliche Zugeständnisse herauszuschlagen. Natürlich kann man dieses Spiel nicht auf Dauer betreiben. Es kommt plötzlich der Zeitpunkt, an dem die Chancen wieder zu sinken beginnen und man letztlich mehr verlieren als gewinnen kann. Und dieser Zeitpunkt scheint vielen mit der Südtirolpolitik Befaßten nahe.

Allerdings dürfte man auch in Rom die wachsende Beunruhigung in diesem Zusammenhang bemerkt haben, und es ist als ziemlich sicher anzusehen, daß die derzeitige Regierung an einer endgültigen Bereinigung der Südtirolfrage sehr interessiert ist.

Was blieb noch unerfüllt? Da sind einmal die Durchführungsbestimmungen zur Regelung des Stellenproporzes und der Sprachengleichheit. Also zwei überaus wichtige Punkte. Darüber hinaus harren noch zwei Gesetze der Realisierung: eines betrifft die Neuordnung der Senatswahlkreise und das zweite die Befugnis zur Errichtung von Gemeindebetrieben zur Verteilung von elektrischer Energie.

Dieses zweite Gesetz ist für Südtirol insofern von Bedeutung, als dort immerhin noch an die 5000 Menschen ohne elektrische Anschlüsse leben.

Die Neuordnung der Senatswahlkreise dürfte im Prinzip auf keine größeren Schwierigkeiten stoßen — es geht dabei um den ziffernmäßigen Ausgleich mit der Provinz Trient —, während das Stromgesetz beträchtliche Widerstände zu überwinden haben wird. Bei Stellenproporz und Sprachengleichheit waren die Italiener bisher vor allem an Zeitgewinn interessiert. Aber, wie Wallnöfer erklärte, soll sich in all diesen Fragen nun eine Übereinstimmung abzeichnen, und es wäre demnach damit zu rechnen, daß im Jahre 1976 endlich die Erfüllung der im Paket enthaltenen Zugeständnisse vermeldet werden kann. r

Wallnöfer wies jedoch darauf hin, daß noch einige andere Fragen einer Regelung bedürften. Da ist etwa der Wunsch der Südtiroler nach einem dritten TV-Kanal, um auch das zweite Programm des ORF empfangen zu können. Gegenwärtig ist der Empfang von FS 1 und ZDF möglich. Des weiteren wünschen sich Wallnöfer und Magnago sehnlichst, daß die Zusammenarbeit der Universitäten Innsbruck und Padua eine rechtliche Basis erhalte. Und schließlich wird in naher Zukunft das Thema „Accor-dino“ wieder aktuell. Nach dem Abbau der restlichen EWG-Zollgrenzen im Jahre 1977 würde dieses regionale Wirtschaftsabkommen in den Augen vieler Politiker in Rom, aber auch in Wien, seine Existenzberechtigung verlieren. Die Tiroler sehen in dieser Zusammenarbeit zwischen Nordtirol-Vorarlberg-Südtirol und dem Trentino aber auch noch andere Werte als rein ökonomische und finden es der Mühe wert, daß man sich für die Erhaltung des Accordino auch nach 1977 strapaziert. Anerkennende Worte fand der Tiroler Landeschef in diesem Zusammenhang auch für die Arbeit der „Arbeitsgemeinschaft der Alpenländer“, die seiner Meinung nach einen wertvollen Beitrag zur Lösung allgemeiner Probleme über Grenzen hinweg leistet.

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