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Sizilien hat es besser

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Wenn Österreichs Außenminister Dr. Waldheim mit seinem italienischen Kollegen Moro zusammentrifft, beginnt eine Prozedur geradezu gigantischen Ausmaßes. Das Werk der Staatskanzleien in Wien und Rom hat im Operationskalender einen Weg festgelegt, der nicht mit einem schnellen Schnitt die Probleme löst, sondern den gordischen Knoten erst knüpft.

Südtirols Weg ist auch in Zukunft hart und steinig. Die Aussicht auf Erfolg ist nach wie vor nicht sicher. Und die Regierungen in Wien und Rom können sich morgen zu den Problemen bereits anders äußern als noch heute. Denn Moro sitzt in einer Minderheitsregierung und in einem höchst unhomogenen Parlament eines Landes, das am Rande der Anarchie steht. Und Waldheim ist Minister in einer Regierung, die sich in knapp 100 Tagen den Wählern stellen muß.

Während man in Österreich vorsichtig frohlockte und davon sprach, ein großer Schritt zur Lösung des Südtirolproblems sei nunmehr getan, glauben die Südtiroler selbst, daß mit der Entscheidung von Meran, die Magnago von 1111 möglichen Stimmen nur 583 brachten, gerade noch eine Zersplitterung der SVP abgewendet werden konnte. Darüber konnte auch nicht Senator Dr. Brügger hinwegtäuschen, als er nach seinem festen Händedruck am Ende der außerordentlichen Landesversammlung die Worte sprach: „Ihr habt unseren Händedruck gesehen, ihr habt aber vielleicht nicht gesehen, daß wir uns auch in die Augen geblickt haben.“

Daß der von einer Krankheit gezeichnete Landesparteichef und Landeshauptmann Dr. Silvius Magnago diesen knappen Erfolg mit dem totalen Einsatz seiner eigenen Person erzielen mußte, zeigt, daß man innerhalb der SVP in Sachen Paket und Operationskalender auch jetzt keineswegs einig ist.

Wie schwer es für die 1111 Männer überhaupt war, sich außer durch die teils demagogischen Reden der führenden SVP-Männer über den Inhalt des Pakets zu informieren, geht wohl aus dem Ausspruch eines Abgeordneten hervor, der meinte: „Wie soll ich entscheiden, wenn ich nicht einmal genau weiß, was im Paket steht.“

War Brügger jedoch noch zu einem demonstrativen Händedruck für Magnago bereit, nachdem er knapp vor Ende der Sitzung am Sonntag um 2.30 Uhr früh noch gegen eine Annahme gesprochen hatte, so drohte der SVP zur Zeit, als der Abend über Meran hereinbrach, durch den Südtiroler „Parteirevoluzzer“ Dr. Hans Dietl immer die Spaltung. Dietl nämlich, als Herausgeber der „Südtiroler Nachrichten“ bekannt, trat als massivster Neinsager auf das Podium und beschwor den Geist von Sigmundskron, wo im Jahre 1957 mehr als 30.000 Südtiroler ein klares Programm mit dem Ruf „Weg von Trient“ formuliert hatten. Was jetzt davon geblieben ist, meinte Dietl, sei weniger als ein Kompromiß. Dietl: „Wir kriegen wieder einmal weit weniger als das, was Sizilien und Aosta schon haben.“

Hatte ein Südtiroler Mandatar noch am Eingang des Meraner Kurhauses angesichts der anarchistischen Ereignisse in ganz Italien zu einem „Furche“-Vertreter gemeint: „Was wollen Sie, die SVP ist doch noch eine der einigsten Parteien in Italien“, so konnte später auch Brüg gers Erklärung, an der Spitze der Partei werde sich nichts ändern, kaum den Eindruck verwischen, daß es schon in naher Zukunft anders werden könnte. Denn Magnago dürfte nicht nur selbst genug haben; vielmehr deutet auch ein Leitartikel, den der Chefredakteur der Südtiroler Zeitung „Dolomiten“, Toni Ebner, dem Parteitag in der Samstagausgabe in die Wiege gelegt hatte, an, daß es wohl auf lange Sicht zu einigen personellen Änderungen kommen werde.

Der „Rütlischwur“, zu dem die Delegierten an die Etsch gekommen waren und den sie unter dem Desinteresse der Meraner Bevölkerung geleistet hatten, die der Fernsehübertragung des Fußballspieles Italien— DDR mehr Interesse zuwandten als den konferierenden Nachkommen Andreas Hofers, brachte jedenfalls, so meinen Beobachter, nur einen sehr vorsichtig positiv zu bewertenden Schritt zu einer Beruhigung der Fronten im Land an Etsch und Eisack. Noch vorsichtiger allerdings bewertet man die Chancen der Volkspartei nördlich des Brenner, als Alleinregierung am Schluß der Legislaturperiode noch einen Erfolg in Sachen Südtirol an das Banner heften zu können. Daran konnte auch nichts durch die positive Erklärung des Außenministers Dr. Waldheim geändert werden, der nicht hur erklärte, der Weg für weitere Schritte im Sinne der Verhandlungsergebnisse sei nunmehr freigemacht, sondern gleichzeitig auch noch für diese Woche einen Termin für ein Gespräch Wien—Rom ankündigte.

Auch der Nordtiroler Landeshauptmann Wallnöfer, der das Ergebnis noch dadurch zu beschönigen versuchte, daß er erklärte, nicht alle, die für Brügger gestimmt haben, hätten gegen das Paket, sondern nur für eine teilweise Verbesserung desselben gestimmt, konnte nicht erreichen, daß hier ein eher pessimistischer Eindruck dominierte.

Sicher, die Chancen, daß „irgend etwas“ erreicht werden wird, sind gut. Ob man allerdings so knapp vor den Wahlen in der ÖVP mit dem Drängen nach einer Südtirollösung sich selbst etwas Gutes tut, ist zweifelhaft. Denn schon die ersten Erklärungen der beiden Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ ließen deutlich erkennen, daß man dort einen Erfolg der alleinregierenden ÖVP nicht nur nicht gönnen wird, sondern vielmehr mit dem Slogan im Wahlkampf mißbrauchen würde: Die ÖVP habe um eines billigen Wahlschlagers willen Südtirol verkauft. Das aber, meinen Beobachter, würde auf keinen Fall der Tatsache entsprechen, denn die Volkspartei sowohl nördlich wie auch südlich des Brenners ließ klar erkennen, daß sie die derzeitigen Schritte in Sachen Südtirol nur als Anfang und zur Schaffung einer besseren Atmosphäre für eine weitere Zusammenarbeit mit Rom ansehe, um mehr zu erreichen.

Auf eines hat man dabei bisher nicht Rücksicht genommen: Wie weit nämlich die derzeitige DC-Regierung, die ja ein Minderheitskabinett darstellt, durch die schweren Krisen in ganz Italien überhaupt noch handlungsfähig ist.

Wie harte Verhandler die Italiener um Moro und Rumor trotzdem auch in Zukunft sein werden, zeigt jedenfalls am deutlichsten, daß bisher das Veto in Brüssel gegen die Verhandlungen der EWG mit Österreich, das wegen der Sprengstoffanschläge ausgesprochen wurde, noch immer besteht.

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