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Klare Sicht für Südtirol

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In den Nummern 21 und 22/1965 der „Furche“ hat Kuno Knöbl unter dem Titel „Nationale gegen Südtirol“ eine ausführliche Darstellung über die Bestrebungen „Rechtsradikaler“ von internationaler Schau aus, aber auch im Blick auf Südtirol eingehend behandelt. Wenn er zum Schluß schreibt, daß „die Rechtsradikalen bedeutungslos ... noch heute sind“, so bekommen seine vorausgehenden seitenlangen Ausführungen eine eigenartige Note.

Es mag wohl stimmen, daß nach den Aktionen in der Herz-Jesu-Nacht des 21. Juni 1961, die Knöbl nicht als Terror klassifiziert, vielmehr als Widerstandsbewegung billigt, da sie einer guten Sache, nämlich . dem „Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler“ dienten, daß also dieses Ereignis extrem nationale Gruppen glauben ließ, ihre Stunde sei nun gekommen, um durch Gewaltaktionen politischen Einfluß zu gewinnen.

Im gleichen Augenblick, in dem die Südtirolfrage in ihrem ganzen Ernst vor der Weltöffentlichkeit sichtbar wurde, begann auch von Seiten Italiens der Kampf gegen alle Bemühungen, die eine ehrliche Lösung des Südtirolpröblems zum Ziel haben.

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Wenn man die österreichischen Pressestimmen zu den Ereignissen vom 21. Juni 1961 liest, war nicht die geringste objektive Reaktion zu vernehmen. Man sprach von „Verbrechern“, von „Narren“, aber kaum eine Zeitung bemühte sich, in eingehender Form auf die Wurzeln des Unglücks zu verweisen, auf die Verkehrung des Pariser Vertrages in sein Gegenteil, auf die Auslieferung der Südtiroler an eine Zweidrittelmehrheit in der widervertraglich und ohne Zustimmung der Südtiroler gebildeten Region Trentino-Alto Adige (heute „Südtirol“). Und so blieb es bis zum heutigen Tag. Die Verantwortung für die Ermöglichung der rechtsradikalen Aktionen tragen

voll und ganz die „nichtrechtsradikalen“ Österreicher, die — wohl überwiegend aus Bequemlichkeit und Interesselosigkeit — den Dingen ihren Lauf ließen und vor allem bemüht waren, das eigene Nest zu beschmutzen. Keine einzige Nation der Welt würde sich unter den Umständen, unter denen uns Südtirol verlorenging, so erniedrigen (!). Aber glaubt

man denn wirklich, daß man mit dem Hochspielen der nationalsozialistischen beziehungsweise faschistischen Gefahr, der Dramatisierung von Handlungen einer Handvoll Gewalttäter — sie bezeichnen sich als „Freiheitskämpfer“ —, durch Über-betonung von Reklamephrasen der Sache Südtirol dient? Einer Handvoll Leuten, die unter dem Einfluß einiger ehemals prominenter Nationalsozialisten stehen, deren Handlungsweise schon dadurch diskriminiert ist, daß sie doch seinerzeit mit fliegenden Fahnen Südtirol geopfert, den Italienern ausgeliefert und blutleer gemacht haben, ein solches Gewicht zu verleihen, muß doch verdeckte Gründe haben! Dieses Häuflein, sollte man meinen, kann man doch mühelos in die Schranken weisen — so man dies u>irJclic?i wollte! Mit dieser Dramatisierung dient man — hoffentlich unbewußt — zunächst einmal Italien, besonders, wenn man bedenkt, wie dieses die Aktionen seiner Landsleute in Ebensee behandelt, die durch Terrorakte lediglich der Gewalt dienen, während die Südtiroler um ihr Recht kämpfen. Mit dem Hochspielen der „faschistischen Gefahr“ dient man den wenigen Südtirolern, di aus materiellen

Gründen ein Aufgehen ihres Volkstums im italienischen zulassen wollen, insbesondere aber jenen in Österreich, die für ihre Zwecke unbedingt einen Wirbel benötigen — siehe auch Fall Borodajkiewicz —, um ihre eigenen Ziele zu verschleiern, und denen es um eine Hilfe für Südtirol nur am Rande zu tun ist und schon gar nicht zu tun ist um eine Rückkehr Südtirols, da diese gewisse politische Machtziele aufs schwerste gefährden würde.

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Die Rückkehr Südtirols wird in politischen Kreisen unter widerstandsloser Hinnahme allen Südtirol und Österreich angetanen Unrechts als eine Utopie bezeichnet. Aber da'ß ihre Hoffnung, im Wege von Verhandlungen die im Pariser Vertrag gewährte Autonomie für Südtirol zu erreichen, welche die volkliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Existenz sichert, eine noch viel größere Utopie ist, will man nicht wahrnehmen. Die Zukunft wird dies erweisen.

Ganz sicher aber ist, daß sich die Südtiroler nicht wehrlos vernichten lassen werden; dazu braucht es keiner Stimulationen von welcher Seite immer. Tausendjährige Tradition ist stärker als menschliches Versagen.

Die einzige wirklich echte Hilfe für Südtirol besteht darin, ihm in seinem Existenzkampf mit ehrlichen Mitteln auf volklichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gebieten zu helfen; den in zwei Volksabstimmungen geäußerten Willen der Südtiroler nach Rückkehr nach Österreich im Bewußtsein der Öffentlichkeit zu verankern und immer wieder auf das Unrecht zu verweisen, das Südtirol und mit ihm Österreich angetan wurde, bis es Recht und Freiheit erlangt hat. Denn für Recht, Freiheit und Menschenwürde einzutreten, steht einem kleinen Volk und seiner Regierung zu. Voraussetzung hierzu ist allerdings die notwendige Zivilcourage.

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