Martin Graf spielt mit dem Feuer

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Siegfried Dillersberger, früherer FPÖ-Abgeordneter und Dritter NR-Präsident, geht in den „Dolomiten“ mit seinem Nach-Nachfolger scharf ins Gericht.

Martin Graf ist nicht irgendwer – er ist als dritter Präsident des Nationalrates einer der höchsten Repräsentanten der Republik Österreich. Wenn er also tatsächlich eine sofortige Volksabstimmung zur Rückkehr Südtirols nach Österreich gefordert hat, so muss er wissen, was er tut. Er würde damit aber etwas tun, was nicht nur der bisherigen Linie seiner Partei widerspricht, sondern er würde, besonders in der derzeitigen kritischen Lage der österreichischen Minderheit in Italien, buchstäblich mit dem Feuer spielen.

Natürlich gibt es unter keinen Umständen einen Verzicht auf das Selbstbestimmungsrecht der Südtirolerinnen und Südtiroler. Wann und unter welchen Voraussetzungen sie es aber ausüben wollen, haben ausschließlich sie selbst als Träger dieses Rechtes zu entscheiden. Jeder Zuruf von außen, insbesondere eine von Österreich kommende Aufforderung, wäre kontraproduktiv. Was könnte sie denn auslösen?

Ich teile die Einschätzung von Landeshauptmann Durnwalder, dass es derzeit äußerst ungewiss wäre, wie eine solche Volksabstimmung ausgehen würde. Was würde denn geschehen, wenn das Italien Silvio Berlusconis den Vorschlag Grafs aufgreifen und eine Volksabstimmung durchführen würde? Ein „Wahlkampf“ Italien gegen Österreich auf dem Rücken der Menschen in Südtirol wäre die Folge und würde viel von dem zerstören, was unter dem Dach Europas langsam wieder zusammenwächst.

Selbsbestimmungsrecht wäre konsumiert – für Italien

Und stellen wir uns vor: Landeshauptmann Durnwalder hätte recht mit seiner Einschätzung der Lage. Die Menschen würden sich also für den Verbleib bei Italien entscheiden. Das Selbstbestimmungsrecht wäre ein für allemal konsumiert – und zwar für Italien. Die Schutzmachtfunktion Österreichs wäre obsolet und damit eine der wichtigsten Säulen der Garantie der für die Menschen segensreichen Autonomie. Südtirol wäre für immer ein Teil Italiens mit allen daraus resultierenden Konsequenzen.

Also: Die Südtirolerinnen und Südtiroler müssen selbst entscheiden, und erst wenn der Ruf nach Selbstbestimmung von den betroffenen Menschen selbst kommt, hat die Schutzmacht Österreich tätig zu werden – dann aber in einem möglichst alle politischen Kräfte umspannenden Konsens. Nur das hätte international das tatsächlich notwendige Gewicht.

Eine „ungebetene Äußerung aus Österreich“

In einem weiteren Beitrag bieten die „Dolomiten“ einen Meinungsüberblick zur Graf-Forderung nach einer Rückkehr Südtirols zu Österreich:

Zustimmung kommt von den Südtiroler Freiheitlichen. „Das Festhalten am Selbstbestimmungsrecht ist keine Phantasterei, sondern Realpolitik“, so Ulli Mair. „Ermutigt und erfreut“ zeigt sich Harald Grünbacher, Vize-Obmann der Union für Südtirol. „Der derzeitige Status ist für Südtirol nur hinderlich.“ Der Südtiroler Schützenbund fordert die Landeshauptleute Luis Durnwalder und Günther Platter auf, „sich in ihren Aussagen an die Forderungen der direkten Volksvertreter zu halten“. Die Bürgermeister haben 2006 Österreich aufgefordert, sich zum Selbstbestimmungsrecht zu bekennen, so Landeskommandant Paul Bacher. Hans Heiss (Grüne) nennt die Aussagen eine „unnütze Provokation“, und Landtagspräsident Dieter Steger (SVP) hält das Vorpreschen „für nicht zweckdienlich“: Die Zeiten, in denen Grenzen verschoben wurden, seien vorbei. Als „Provokation“ bezeichnet die SVP-Leitung die „ungebetene Äußerung“ aus Österreich. Würdenträger der Schutzmacht müssten sich vor solchen Äußerungen mit der Minderheit absprechen, so Obmann Richard Theiner.

* „Dolomiten“, Bozen, 28. Juli 2009

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