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Südtiroler rücken zusammen

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Haben der Urteilsspruch von Trient und die neuerliche Verschärfung der Lage in Südtirol auch Auswirkungen innerhalb der Südtiroler Volkspartei gezeitigt? Rücken die divergierenden Richtungen in der SVP angesichts der ernsten Lage wieder zu einer geschlossenen Front zusammen oder schwelen die Spannungen untergründig weiter?

Es ist schwer, auf diese Frage, die viele Südtiroler, aber auch viele ihrer Freunde im Ausland heute mehr denn je bewegen, eine einigermaßen befriedigende Antwort zu geben. Gewiß ist die Krise innerhalb der SVP heute lange nicht mehr so akut wie vor oder nach den Parlamentswahlen des vergangenen Frühjahrs.

Dennoch hieße es Zweckoptimismus betreiben, wollte man die mannig- iaĮtigqp,','Schwien KeHeht mit' derifen die derzeitige Fūhrungsspitžė der Partei zu kämpfen hat, unterschätzen.

Das Urteil von Trient, das im ganzen deutschsprachigen Raum eine Welle der Entrüstung auslöste, hat wenigstens im Augenblick, die gemäßigten Kreise in Südtirol schwer getroffen. Denn die letzten Ereignisse scheinen auch ihnen bewiesen zu haben, daß man in Rom zur Zeit an einer echten Lösung für Südtirol nicht sonderlich interessiert ist. Diese bittere Erkenntnis, diese Stimmung der Niedergeschlagenheit kann man deutlich aus einem Leitartikel der „Dolomiten“, mit dem der unfaßbare Richterspruch kommentiert wurde, herauslesen.

Friedensfühler in der Museumstraße?

Gleichzeitig war der Prozeß in Trient für die eben erwähnte Tageszeitung, die bis heute ihr Pressemonopol im deutschsprachigen Südtirol behaupten konnte, eine — freudig — ergriffene Gelegenheit, durch eine geschickte Berichterstattung viel von jenem Terrain, das im Frühjahr dieses Jahres durch die massive Kampagne gegen die derzeitige Führung der SVP verloren worden war, aufzuholen.

Aber noch mehr als die scharfe Stellungnahme zum Trientiner Urteil, überraschte ein Leitartikel zur Entschließung der SVP vom 4. September, in dem unter anderen die Mitverantwortung der Südtiroler Bevölkerung am Polizei- und Justizwesen des Landes gefordert wird. Die Resolution wurde als „maßvoll und verantwortungsbewußt“ bezeichnet, dem Parteiausschuß selbst hohes Lob ausgesprochen.

Inzwischen hat der Bozner Staatsanwalt, Dr. C o r r i a s, gegen 26 Mitglieder des Parteiausschusses der SVP wegen eben dieser Resolution ein Strafverfahren eingeleitet. Die Verhöre sind schon abgeschlossen. Die Mandata der SVP werden beschuldigt, „falsche, übertriebene und tendenziöse Nachrichten sowohl im Inland als auch (was besonders straf verschärf end wirkt!) im Ausland? verbreitet zu haben. Die Mindeststrafe für dieses Vergehen be-

trägt fünf Jahre Gefängnis! Allerdings muß zuvor der Justizminister persönlich die Ermächtigung zur Durchführung des Strafverfahrens geben. Sollte dies jedoch geschehen — was in Bozen absolut bezweifelt wird —, so würde dies automatisch die Einkerkerung der 26 Delegierten der SVP zur Folge haben!

Soll dies, so fragt man sich allgemein in Bozen, bedeuten, daß das ansonst so SVP-kritische Blatt in der Museumstraße, das erst anfangs August dieses Jahres, den Obmann der Partei, Dr. Magnago, wegen seiner Kritik an der „Dolomiten“- Berichterstattung angegriffen hatte, nun einzulenken beginnt? Sollte dies wirklich zutreffen, welche Gründe

könnten für einen „Waffenstill stand“ oder gar für einen „Friedensschluß“ zwischen den kampfgesinnten Brüdern genannt werden?

Angriff von außen

Da wäre einmal der Ernst der gegenwärtigen Lage, in der es sich die Südtiroler als kleine, noch dazu in ständiger Rechtsunsicherheit und Angst vor neuen Übergriffen lebende Minderheit beim besten Willen einfach nicht leisten können, interne, meist auf persönliche Meinungsverschiedenheiten und Eifersüchteleien aufgebaute (und aufgebauschte) Streitigkeiten auszutragen oder gar neue vom Zaune zu brechen. Denn zur Kampagne der italienischen Presse, zum Unverständnis vieler maßgeblicher Politiker in Rom gesellt sich noch der Nachhall der explodierenden Bomben, die, von einer Handvoll Abenteurer gezündet, das Land praktisch schon in eine Art von kleinem Belagerungszustand versetzt haben. Wegen der scharfen Verurteilung dieser Gewaltakte, die Südtirols Anliegen nur diskreditieren, den Neofaschisten für ihre Propaganda jedoch sehr gelegen kommen, ist die SVP zusammen mit ihrem Parteichef Magnago von den sogenannten „Südtiroler Freiheitskämpfern“ am 26. August dieses Jahres erstmals scharf angegriffen

worden. Die Kritik der anscheinend sehr publicitybedachten Terroristen stellte insofern für Südtiroler Verhältnisse eine ausgesprochene Sensation dar, als vorher immer nur der „Aufbau“-Flügel wegen zu weicher, ja „verräterischer“ Haltung abgekanzelt worden war.

Mehr innerparteiliche Freiheit

Ein weiteres Argument für eine Ausgleichung der internen Südtiroler Gegensätze sind die Bemühungen um die viel diskutierte Parteireform. Diese Reform soll sowohl eine gründliche Überarbeitung beziehungsweise Verbesserung des teilweise veralterten Parteistatutes als auch eine generelle Liberalisie-

rung des innerparteilichen politi- £cji£n Lebens umfassen. Im Rahmen der SVP soll es deri verschiedenen Richtungen — neben der absolut nicht kompakten „Aufbau“-Gruppe gibt es auch eine recht aktive sozialdemokratische Minderheit — ermöglicht werden, mehr als bisher einen eigenen Standpunkt zu vertreten. Die von vier Mandataren ausgearbeiteten Entwürfe zur Reform des Statutes sollen noch in diesem Jahr sowohl dem Parteiausschuß und dem obersten Forum der SVP, der Landesversammlung, zur Prüfung vorgelegt werden. Bei dieser Gelegenheit wird auch über die Neubesetzung des seit der Inhaftierung von Dr. Hans Stanelc verwaisten Generalsekretärpostens, der zur Zeit provisorisch besetzt ist, endgültig entschieden werden.

Die ersten Annäherungen

Im Zusammenhang mit den Bestrebungen, den Parteiapparat mehr als bisher zu einem lebendigen und aktiven Organismus auszubauen, haben auch Gespräche zwischen den divergierenden SVP-Gruppen stattgefunden. Das konkrete Ergebnis der bisherigen Begegnungen, die halboffiziellen Charakter haben, steht zwar noch aus, doch hat man von einer normal gutinformierten Seite erfahren, daß man sich auf ein gemeinsames Aktionsprogramm geeinigt haben soll. Sicher jedoch ist, daß man sich in menschlicher Hinsicht etwas nähergekommen ist, ein Fortschritt, den ein Kenner der Verhältnisse wohl zu würdigen weiß. Und was schließlich den Gegensatz „Dolomiten“—SVP betrifft, so haben auch auf diesem Sektor Verhandlungen stattgefunden und mit einem für beide Seiten tragbaren Kompromiß geendet.

Trotz dieser ersten Annäherungsversuche, die allerdings erst nach langem Zögern erfolgten, bestehen die Gegensätze natürlich noch weiter. Echte Meinungsverschiedenheiten werden nicht von heute auf morgen aus der Welt geschafft, noch dazu, wenn sie, wie in Südtirol, so stark im Persönlichen verwurzelt sind. Der Fortschritt gegenüber den letzten Monaten liegt wohl in der Erkenntnis, daß wenigstens die Ausgangsbasis gemeinsam sein muß, und ein Bruderkrieg unbedingt vermieden werden muß.

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