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Die „Übervorteilung“

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Abseits des „Paket“-Komplexes, jedoch außerhalb der politischen Auseinandersetzungen bewegt sich in Südtirol schon seit Jahren die Debatte über die Errichtung einer Universität in Bozen. Es gibt in diesem Zusammenhang verschiedene Strömungen, wobei bemerkenswert ist, daß die Italiener einhellig für die Etablierung einer Hochschule in der Etschland-Metropole eintreten und auch ein klares Konzept besitzen, während auf deutscher Seite Uneinigkeit herrscht. Nun ist es allerdings nicht so, daß die deutschsprachigen Südtiroler aus reiner Zanklust unterschiedliche Meinungen vertreten, sondern für sie stellt sich dieses Problem wesentlich diffiziler dar als für die Angehörigen der italienischen Volksgruppe.

Die Südtiroler Hochschülerschaft, die erst dieser Tage die Universitätsfrage in einer breit angelegten Diskussion behandelte, ist absolut für die Errichtung einer Bozener Universität. Sie hat in diesem Zusammenhang mit durchaus plausiblen Argumenten aufzuwarten. Man spricht von einem „neuen Universitätsverständnis“, das in einer Hochschule nicht nur eine Ausbildungs-stätte für Akademiker sehe, sondern vielmehr einem weiten Kreis der Bevölkerung Weiterbildungsmöglichkeiten bieten solle — unter Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse.

Darüber hinaus sei eine Hochschule auch eine Institution der Forschung und Planung für den Bereich ihres Standortes. Besonders groß sei in Südtirol der Bedarf an Lehrern, der durch die geplante Schulreform noch ansteigen werde und außerdem habe die Südtiroler Bevölkerung einen eklatanten Bildungsrückstand aufzuholen, besonders auch in Anbetracht des erhöhten Bedarfs an qualifizierten Kräften zur Bewältigung der durch die Paket-Zugeständnisse enorm angewachsenen öffentlichen Aufgaben. Die Südtiroler Hochschülerschaft vertritt die Ansicht, daß die Hochschulfrage nicht von der deutschen Volksgruppe allein, sondern nur in Zusammenarbeit mit der italienischen befriedigend gelöst werden könne.

Zu den heftigsten Gegnern einer Universität Bozen gehört jedoch die Südtiroler Volkspartei. Auch die Argumente der SVP-Exponenten sind nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. In erster Linie hegt man die Befürchtung, von den Italienern überrumpelt zu werden. Das Interesse der Italiener an dieser Universität ist auffallend rege und solange kein einheitliches Konzept der deutschen Südtiroler vorliegt, ist die Befürchtung einer „Ubervorteilung“ durchaus angebracht. Außerdem hält man in SVP-Kreisen von einer gemischtsprachigen Universität nicht viel, sieht anderseits wenig Chancen für eine deutsche Hochschule in Bozen. Man glaubt, eine solche könne nie eine besondere Bedeutung gewinnen. Man ist der Ansicht, daß es für die Südtiroler besser sei, in Innsbruck, Wien oder München zu studieren — oder gleich an einer angesehenen italienischen Universität. So unterstützt die SVP und vor allem Obmann Dr. Silvius Magnago die bisher bewährte Zusammenarbeit zwischen den Universitäten Innsbruck und Padua, lehnt jedoch eine Bozener Hochschule ab. Trotzdem wird die Universitätsfrage die Südtiroler weiterhin stark beschäftigen, um so mehr, als die Hochschülerschaft auf ihrer großen Studientagung im Herbst das Thema erneut aufgreifen will.

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