6992461-1986_49_06.jpg
Digital In Arbeit

Kuhhandel um Südtirol

19451960198020002020

40 Jahre nach dem Pariser Abkommen und 15 Jahre nach Beschluß des Autonomiestatuts steht die volle Verwirklichung der Bestimmungen für Südtirol noch immer aus. Nun will die italienische Regierung in aller Eile eine Globallösung.

19451960198020002020

40 Jahre nach dem Pariser Abkommen und 15 Jahre nach Beschluß des Autonomiestatuts steht die volle Verwirklichung der Bestimmungen für Südtirol noch immer aus. Nun will die italienische Regierung in aller Eile eine Globallösung.

Werbung
Werbung
Werbung

Hektik um Südtirol: Ein europäisches Schicksal rückt wieder in den Blickpunkt. War es der 40. Jahrestag des Gruber-Degasperi-Abkommens (Pariser Vertrag vom 5. September 1946), der un-eingelöste Vereinbarungen in Erinnerung rief, oder hat es im Rahmen des in Wien fortgeführten KSZE-Prozesses Mahnungen in Richtung Erfüllung des „Südtirol-Paketes“ gegeben?

Jedenfalls ist wieder Bewegung in die Südtirol-Frage gekommen.

Es gab zwei italienisch-österreichische Außenministertreffen in Florenz und in Wien; jüngst kamen Vertreter der fünf italienischen Regierungsparteien unter Führung des mit der: Südtirol-Frage beauftragten Regionenministers Carlo Vizzini und des Unterstaatssekretärs Giuliano Ama-: to zu einem Südtirolgipfel in Rom zusammen; und heute kommt es in der römischen Deputiertenkammer zu einer Südtirol-Debatte, bei der es um einen Antrag der italienischen Neofaschisten (MSI) geht, der klar auf eine Abänderung des Autonomiestatuts für Südtirol abzielt.

Gleichzeitig wird dabei auch ein Beschlußantrag von vier namhaften Exponenten der italienischen Kommunisten (PCI) behandelt werden, der ebenfalls auf eine Änderung grundlegender Schutzbestimmungen ausgerichtet ist.

Erwartet wird, daß die Forderungen des MSI allesamt abgelehnt werden; die Neofaschisten fordern die Abschaffung der Schutzklausel der vierjährigen Ansässigkeit zur Ausübung des aktiven Wahlrechts bei Gemeinderats- und Regionalwahlen; die Abschaffung des ethnischen Proporzes; die Verhinderung der Gleichstellung der Sprachen; die Abschaffung der Zweisprachigkeitspflicht im öffentlichen Dienst; die Änderung der Durchführungsbestimmungen über die Errichtung der Autonomen Sektion des regionalen Verwaltungsgerichtshofes in jenem Teil, der die Ernennung des paritätischen Richterkollegiums betrifft und schließlich die Zuständigkeit der Regierung, Durchführungsbestimmungen zu erlassen.

Möglich ist, daß die Regierung heute einen eigenen Antrag einbringt, der auf der Grundlage des jüngsten Südtirol-Gipfels erstellt wurde. Die fünf Koalitionsparteien sollen übereingekommen sein, die noch offenen Punkte der Durchführungsbestimmungen für das Autonomiestatut angeblich bis Februar 1987 zu regeln und damit das Südtirol-Problem zu bereinigen.

In erster Linie handelt es sich dabei um die Gleichstellung der deutschen und italienischen Sprache vor Gericht.

Fraglich ist, ob die 18 von den Südtirolern noch verlangten Durchführungsbestimmungen . - _ des Autonomiestatuts (neben der Gleichstellung der Sprachen sind dies vor allem Fragen der Finanzen, der Transporte, der Kommunikation und Toponomastik) sich kurzfristig und global lösen lassen.

Die Italiener sind offenbar bereit, die seit langem verhandelten Regelungen über den Gebrauch des Deutschen bei Südtiroler Gerichten und Behörden zu erlassen — im Rahmen einer Globallösung.

Von Österreich wird als Gegenleistung die Erklärung verlangt, daß der Streit um Südtirol damit beendet sei. Österreich wie Südtirol wollen das jedoch nicht akzeptieren.

„Auf einen solchen Kuhhandel lassen wir uns nicht ein“, betonte vor kurzem dazu der Südtiroler Landeshauptmann und Obmann der Südtiroler Volkspartei (SVP), Silvius Magnago. Er begrüßte zwar die Offenheit Roms, sich mit den ungelösten Problemen zu befassen, erklärte sich aber mit einer Terminsetzung nicht einverstanden. Das würde nur Zeitdruck bedeuten - so Magnago - und der Sache selbst abträglich sein.

Nach Aufgabe des Selbstbestimmungsrechtes im Sinne eines Anschlusses Südtirols an Österreich als Folge des Pariser Vertrags ist es nun nur zu verständlich, daß die Sammelpartei der Südtiroler deutscher Sprache, die SVP, sich mit dem hektischen Getue um eine Globallösung sehr schwer tut.

Geht es doch jetzt um eine Ent-internationalisierung des Südtirol-Problems und um eine Erschwerung künftiger Autonomiewünsche, sollte die Globallösung im italienischen Sinn Wirklichkeit werden.

Die vorsichtige Beurteilung der italienischen Lösungsvorschläge durch die SVP hat auch Kritiker auf den Plan gerufen. Um die Legitimation als Sammelbewegung nicht zu verlieren — so wird argumentiert - möchte die SVP eine endgültige Lösung aller offenen Fragen so weit wie möglich hinausschieben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung