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Torpedierte Autonomie

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Südtirol erwartet ein unruhiger politischer Herbst. Dafür sorgen die heftigen politischen Auseinandersetzungen um den bevorstehenden Abschluß der neuen Autonomie.

Dafür sorgen aber auch die bisher immer noch völlig imbekannten Bombenleger, die erst in der vergangenen Woche wieder mit einem aufsehenerregenden Coup die öffentlicheit in Atem hielten: während Jörg Pircher - Landes-kommandantstellvertreter der Südtiroler Schützen und bekannt für seine radikal anti-italienische Einstellung — in seinem Heimatort Lana zu Grabe getragen wurde, zerbarst nur wenige Kilometer davon entfernt unter der Explosionskraft einer Bombe eine Druckrohrleitung aus einem Stausee.

Hätten sich die Ventile nicht sofort automatisch geschlossen, wäre Lana von einer Katastrophe heimgesucht worden. Aber auch so verursachte der Anschlag schweren Sachschaden und verstärkte das Gefühl in der Bevölkerung, daß die Polizei anscheinend machtlos dem Treiben der Attentäter zusehen muß.

Eine Aufklärung würde ohne Zweifel einen wichtigen Beitrag zur dringend nötigen Versachlichung der politischen Auseinandersetzung um den sogenannten Paket-Abschluß leisten.

Dieser Paket-Abschluß ist an sich bereits beschlossene Sache (FURCHE 12/1988): Rom hat dazu den Segen erteilt, die Südtiroler Volkspartei (SVP) hat ihn mit einer Dreiviertel-Mehrheit im Ausschuß — also dem erweiterten Parteivorstand — gutgeheißen, und Wien ist bereits darangegangen, die letzten Vorbereitungen für die vom Paket vorgesehene „Streitbeilegungserklärung“ zu treffen.

Doch haben in letzter Zeit im wesentlichen zwei Faktoren den Paket-Abschluß in der geplanten, zwischen Rom, Bozen und Wien vereinbarten Form wenn nicht fraglich, so doch schwieriger werden lassen.

Gewisse Kreise in Rom — auch innerhalb der Ministerien und der Regierung — versuchen offensichtlich durch Querschläger den Abschluß zu behindern. Dazu gehört in letzter Zeit etwa ein Zeitungsinterview von Justizminister Vasalli, der ungeniert erklärt, ihm sei die Sprachregelung im Gerichtswesen ein Dorn im Auge und er hoffe auf eine baldige Abänderung.

Eine solche Erklärung zu einer delikaten und bis zuletzt heftig umstrittenen Frage wie der Zweisprachigkeit vor Gericht, muß wie ein Torpedo wirken - und tut es auch.

Die SVP-interne Opposition — der zweite Faktor—hat durch solche und ähnliche Vorkommnisse Aufwind erhalten. Die zahlenmäßig kleine, doch entschlossene Gruppe um Landeshauptmannstellvertreter Alfons Benedikter und Regionalratspräsident Luis Zingerle ist jedenfalls in die Offensive gegangen: auf drei verschiedenen Pressekonferenzen zuerst auf geschichtsträchtigem Boden in Schloß Sigmundskron, dann in Wien und in Innsbruck machten sie ihren Standpunkt deutlich: „Paket-Abschluß — so nicht!“

Für Benedikter und Zingerle ist dieser Paketabschluß „vorschnell“ und „voreüig“, die Autonomie zu wenig abgesichert und der Aushöhlungsprozeß durch Rom voll im Gang.

Ihre Forderung an Wien: keine Streitbeilegungserklärung ohne die Zustimmung der Südtiroler abzugeben; ihre Forderung an die eigene Partei: über den Paket-Abschluß noch einmal — und zwar am 10. Dezember auf der Landesversammlung — abstimmen zu lassen.

Am 20. November werden die beiden Landtage von Südtirol und dem benachbarten Trentino für die nächsten fünf Jahre neu bestellt. An der Vormachtstellung der SVP in Südtirol - die mit 22 von insgesamt 35 Abgeordneten bisher die absolute Mehrheit hinter sich hatte — wird auch in Zukunft nicht zu rütteln sein.

Doch kommt der Frage, wie sich bei den Wahlen die kompromißlose Gruppe um Benedikter und Zingerle schlagen wird, eine erhebliche politische Bedeutung zu. In Südtirol — wie auch bei den anderen Wahlen in Italien — hat der Wähler die Möglichkeit, durch das Vorzugsstimmenwahlsystem seine persönliche Bevorzugung der Kandidaten zu bekunden.

Und die zweite Frage bei den Wahlen: wie hat der italienische Wähler den in greifbare Nähe gerückten Paket-Abschluß verkraftet. Kommt es erneut — wie vor drei Jahren bei den Bozener Gemeindewahlen — zu einem erdrutschartigen Wahlsieg der Neo-faschisten, dann wird mit Sicherheit der Paket-Abschluß erschwert und die politische Zusammenarbeit zwischen SVP und Italienern zusätzlich belastet.

Nach 28j ähriger Amtszeit als Landeshauptmann kandidiert Silvius Magnago zwar nicht mehr. Doch als SVP-Obmann und als Vater des Pakets weiß er genau, daß am 20. November bei den Landtagswahlen und am 10. Dezember auf der Landesversammlung seiner Partei zwei wichtige Entscheidungen über sein politisches Lebenswerk fallen.

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