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Panne in Südtirol

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Seitdem Südtirol von Österreich abgetrennt ist, muß es einen Leidensweg durchschreiten. Vor kurzem trat nun ein Ereignis ein, das diesem Leidensweg noch eine besondere Nuance verlieh. Über die Frage des sogenannten „Paketes“ waren die Südtiroler vorübergehend so uneins, daß es fast aussah, als würde die geschlossene Front der Südtiroler gesprengt werden.

Seit Jahren wird über dieses „Paket“ gesprochen und verhandelt. Dieses „Paket“ enthält alle Wünsche, die die Südtiroler und die Ladiner gegenüber Italien geltend machen. Dieses . „Paket“ ist eigentlich nichts anderes als die Durchführung des so vielgesdhmähten Gruber-de-Gas- peri-Abkommens, das Österreich und Italien kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges abgeschlossen hat und in dem Südtirol eine weitgehende Regionalautonomie zugesiichert wurde. Seit Jahrein geht der Streit darum, ob dieses Abkommen erfüllt wurde oder nicht Italien behauptete, es wurde erfüllt, und Österreich behauptet es wurde nicht erfüllt. Zum Beweis, daß es nicht erfüllt wurde, stellten die Südtiroler, vertreten durch ihre Volkspartei, eine Liste aller ihrer Wünsche zusammen, genannt „Paket“. Dieses „Paket“ wurde der italienischen Regierung überreicht. Bei der Übersetzung ins Italienische geschahen schon die ersten Pannen. Eine Reihe von Fußnoten, die sich im deutschen Text befanden und die sehr wichtige Inhalte besaßen, wurden nicht in den italienischen Text aufgenommen. Im Laufe der Jahre wurde dieses „Paket“ außerdem von den Südtirolern immer wieder „angereichert“. Jetzt liegt der endgültige Text vor, und jetzt geschah es: eine nicht unbedeutende Opposition innerhalb der Südtiroler Volkspartei trat gegen dieses „Paket“ auf. Die Forderungen des „Paketes“ waren dieser Opposition zu gering. Glücklicherweise wurde diese Panne behoben. Und damit hat Österreich wieder das legale Recht, auf die Durchführung des Gruber-de-Gas- peri-Abkommens zu drängen und die Erfüllung des von Österreich vorgeschlagenen Zeitplanes zu verlangen.

Das „Paket“, so wie es jetzt vorliegt, gewährt der Provinz Bozen wirklich eine weitgehende Regionalautonomie. Und es wäre nicht zu verwundern, wenn eines Tages die in Südtirol lebenden Italiener noch stärker auf die Verwirklichung dieses „Paketes“ drängen würden. Denn auch ihnen käme diese Regionalautonomie zugute, da es sie weitgehend vom römischen Zentralismus unabhängig machen würde. Und so wird sich eines Tages vielleicht zwischen deutschen Südtirolern, Ladinern und italienischen Südtirolern ein echtes Heimatgefühl herauskristallisieren, so wie die Deutschen, Tschechen und Juden Mährens in der Monarchie ein sehr bewußtes mährisches Heimatgefühl hatten.

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