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Verschwinden die Grenzbalken?

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Die Sorge der Südtiroler wegen des neofaschistischen Windes aus Rom war harter Kern der „Urlaubsgespräche“ Alois Mocks mit den Tiroler Landeshauptleuten.

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Die Sorge der Südtiroler wegen des neofaschistischen Windes aus Rom war harter Kern der „Urlaubsgespräche“ Alois Mocks mit den Tiroler Landeshauptleuten.

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Außenminister Mock traf sich am 7. August mit den beiden Tiroler Landeshauptmännern Luis Durnwalder und Wendelin Weingartner sowie dem SVP-Obmann Siegfried Brügger in Eppan. Zwar hat die Regierung in Rom jetzt nicht - wie befürchtet — Neofaschisten in die Sechser- und Zwölferkommission, die Autonomiefragen behandeln, entsandt, doch die von Rom genannten Mitglieder sind nicht eben Autonomiefreunde.

Mißtrauen gegenüber Minderheiten und römischer Zentralismus sind freilich keine faschistische Erbpacht, sondern allgemein verbreitet — auch unter Christdemokraten und Sozialisten. Siehe Andreotti oder Craxi. Eine dieser zentralistischen Blüten ist die sogenannte Ausrichtungs- und Koordinierungsbefugnis, nach der die Regierung aus nationalem Interesse Autonomiebestimmungen verwässern oder aufheben kann. Was auch geschehen ist.

Gerade jetzt wurde - siehe FURCHE 32/1994, Seite 8 - ein Dekret aus den letzten Tagen der Regierung Ciampi veröffentlicht, wonach Auslandsbeziehungen der Landesverwaltung über staatliche Einrichtungen laufen müssen. Damit wird versucht, ein gemeinsames Nord-Südtiroler EU-Büro in Brüssel zu verhindern.

Dieses EU-Büro ist nicht das ein zige gemeinsame Anliegen beider Tiroler Landesteile. Auch das Nachdenken über die Europaregion Tirol gehört dazu, selbst wenn man weiß, daß die Grenzbalken nicht so bald zu Kleinholz geschlagen werden (siehe Walserberg).

Im Regionalrat in Trient wird bis Mitte Oktober eine Studie über diese Europaregion ausgearbeitet. Es ist nicht zu übersehen, daß trotz man cher Irritationen zwischen Nord- und Südtirolern viele ganz selbstver- ‘ stündliche Gemeinsamkeiten vorhanden sind und gepflegt werden. (Streitereien unter Verwandten gibt es überall, die Krisen in früheren Jahrhunderten wurden vorwiegend zwischen gekrönten Vettern ausgetragen).

So hat etwa die enge Zusammenarbeit der beiden Bauernbünde seit eh und je nun zu einem gemeinsamen „Tiroler Bauernkalender“ geführt. Ein Mosaikstein nur, aber aus vielen Mosaiksteinen entsteht ein Bild. Die politischen Jugendorganisationen treffen einander regelmäßig, im Gesundheitswesen (Innsbrucker Klinik); bestehen weit mehr als nur gute Kontakte.

ABSTIMMUNG DER LERNINHALTE

Auf dem Bildungssektor gehen die Gemeinsamkeiten ein gutes Stück über die „Landesuniversität“ hinaus. An gemeinsamen Schulbüchern und Abstimmung der Lerninhalte wird gearbeitet, und immer spürbarer wird auch die Nachfrage nach gemeinsamen Fachhochschulen - nicht nur für Südtiroler in Nordtirol, sondern auch für Nordtiroler in Südtirol.

Der Gedanke ist aktuell, zumal die Südtiroler einige universitäre Einrichtungen schaffen müssen, um Ausbildungen nach italienischen Gesetzen zu schaffen. So erhält Bri- xen eine solche Ausbildungsstätte für Grundschullehrer. Könnte Neustift nicht eine Fachhochschule für Touristik erhalten?

Dabei erhebt sich die Frage, wie weit in solchen universitären Teilbereichen die Landesuniversität ihre Dienste anbieten kann. Daß sie es soll, steht außer Zweifel. Auch, daß sie es will. Das hat die bisherige Studienentwicklung gezeigt, die unter dem neuen Rektor, Professor Christian Smekal, einem profunden Kenner der Tirol-Materie, sicher bestätigt und vertieft wird.

Es gibt eine Reihe weiterer Gemeinsamkeiten auf allen Ebenen, die nicht erst auf die EU und die Europaregion Tirol warten und den schmerzlichen Nachteil des getrennten Landes durch die Möglichkeit lindem, hier mit Schilling, dort mit Lire zahlen zu können.

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