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Mehr Agrarprodukte nach Südtirol

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Wenn heuer um Mitte Juni im schönen Südtiroler Grödental morgendliche Sonnenstrahlen über die Hotel- und Pensionsdächer hinwegscheinen und etwa 40 Beamte und Landespolitiker aus Österreich und Italien in freundschaftlicher und ^zweisprachiger Atmosphäre zusammenfinden, dann tagt zum 3,0. Mal die Gemischte Kommission für den erleichterten Warenaustausch zwischen den italienischen Regionen Trentino und Südtirol Sowie Nordtirol und Vorarlberg. Mit guten Ergebnissen.

Die Kommission, die unter dem Namen „Accordino“ (kleines Abkommen) bekannt ist, tritt jährlich zur gleichen Zeit in eine der vier beteiligten Regionen zusammen, um gewisse von den beiden Partnern vorgeschlagene Exportkontingente an Waren gegenseitig abzustimmen. Den Schwerpunkt österreichischer Wünsche bildet die Ausfuhr von Vieh und Käse, während die Italiener vor allem Südtiroler Rotwein nach Tirol und Vorarlberg ausführen wollen.

Die Rotweineinfuhr stößt jedoch auf Kritik tiiederösterreichischer und burgenländischer Bauern, die eine Gefährdung ihres Absatzmarktes in den westlichen Bundesländern befürchten. Beim importierten Wein handelt es sich jedoch um einen weißen.

Unabhängig davon ist heuer bei der 30. Accordino-Tagung die Einfuhr von 35.000 Hektoliter von der österreichischen Delegation genehmigt worden, was einer Erhöhung von 5500 Hektoliter entspricht.

Sonstige Erhöhungen der Kontingente, die sich insgesamt bei etwa 10 Prozent gegenüber dem Voijahr bewegen und eine zollfreie Ausfuhr von Waren im Gesamtwert von 220 Millionen Schilling ermöglichen: heuer werden 1000 Rinder mehr (früher: 3200) ausgeführt werden dürfen, 1200 Tonnen österreichischen Käses (gegenüber 1950 Tonnen des Vorjahres) werden Österreich zusätzlich verlassen, sich auf den Weg nach Italien machen und somit die österreichischen Exportzahlen ein wenig verbessern. Ebenso hat sich die Zahl des Textilkontingentes beträchtlich erhöht.

Heuer gingen die Gespräche zwischen den beiden Delegationen besonders schnell vor sich - schon nach einem Tag waren sich beide Handelspartner über die Kontingentierungen einig, am zweiten Tag gingen die Delegationen wandern.

Die wirtschaftliche Bedeutung des Accordino hat seit 1977 zum Teil an

Bedeutung verloren, da ab diesem Zeitpunkt für Österreich die Zollbeschränkungen im Rahmen der EG fielen. Auf dem Gebiet landwirtschaftlicher Produkte blieben jedoch die Zölle aufrecht und damit auch die erschwerten Exportbedingungen. Deshalb ist auf dem Agrarsektor das Accordino nach wie vor von wesentlicher Bedeutung.

So sind die Ausfuhrwaren aus dem landwirtschaftlichen Bereich nach den beiden italienischen Regionen heuer um 27 Prozent gestiegen, während - wie oben erwähnt - die Gesamtausfuhr aller - also nicht nur landwirtschaftlicher Produkte - um „nur“ zehn Prozent stieg.

Das Accordino ist bereits ein Stückchen Zeitgeschichte: als Sonderabkommen des 1946 abgeschlossenen „Pariser Vertrages“, der die Rechte der deutschsprachigen Minderheit im Alto Adige (Südtirol) sicherte, sollte durch das Accordino auch der Warenaustausch zwischen den beiden Regionen erleichtert werden. Dadurch wurde der von den beiden Außenministern Alcide De Gasperi und Karl Gruber unterzeichnete Vertrag in Bezug auf wirtschaftliche Fragen im Detail verbessert.

Das Accordino selbst wird von Politikern beider Seiten als vielleicht erster Vorgänger einer Europa-Idee bezeichnet. Enrico Pancheri, Landeshauptmann der gemeinsamen Region Trentino-Südtirol, bezeichnet es als Instrument menschlicher und politischer Annäherung, was vor allem in Zeiten politischer Spannun-

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gen zwischen den beiden Ländern oftmals nur das einzige Mittel gewesen sei, um miteinander kommunizieren zu können.

Der österreichische Delegationsleiter Alfred Pschorn vom Handelsministerium findet, daß Österreich mit dem Accordino seinen vielfältigen Beziehungen zu Südtirol auch auf wirtschaftlichem Gebiet gerecht wird.

Das Accordino überlebte Bombenanschläge österreichischer Neonazis, italienische Protestnoten und gegenseitiges Mißtrauen.

Geschichtlich geht die Entstehung des Gruber-De Gasperi-Abkommens und somit auch des Accordino eigentlich bis ins Jahr 1814 zurück, als mit der Neuordnung Europas nach der Napoleonischen Ära das französische Genf zum Schweizer Kanton erklärt wurde und das Hinterland der Stadt aber bei Frankreich blieb. In den beiden Pariser und Turiner Verträgen von 1815 und 1816 wurden zwei Freizonen geschaffen, in denen französische Waren zollfrei nach Genf eingeführt werden durften. Diese Abmachung diente als Vorbild.

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