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Südtirol — eine Erfahrung

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Es wäre eine höchst einseitige und oberflächliche Auffassung des gegenwärtigen Stadiums des Südtirolproblems, wollte man das bereits seit geraumer Zeit darüber herrschende Schweigen nur auf die Haltung Italiens erst nach dem Attentat auf der Porzescharte (25. Juni 1967) und die nunmehr nahe bevorstehenden Wahlen in Italien zurückzuführen. Wie immer letztere ausfallen werden, abgesehen davon, daß sie kaum einschneidende Änderungen in der Zusammensetzung der Regierung bringen dürften, haben die Erfahrungen mit italienischen Regierungen aller Schattierungen gezeigt, daß die Politik Italiens in puncto Südtirol seit den Tagen de Gasperis im wesentlichen gleiohgeblieben ist, ja, in den bald zweiundzwanzig Jahren, die in wenigen Monaten seit dem Pariser Abkommen vergangen sein werden, eher an Tradition der Konsequenz und Stetigkeit gewonnen hat. Plus ęa change plus c’est la mėme chose. Es verläuft eine ungebrochene Linie von den kleinen, aber bedeutungsvollen Änderungen, die der italienische Partner zwischen der Einigung über den Text des Pariser Abkommens und dessen Unterzeichnung anzubringen verstanden hat, über die Art des Zustandekommens des Autonomiestatuts vom 29. Jänner 1948 ohne Zuziehung der Südtiroler, die konsequente Verhinderung jeder positiven Auslegung desselben, die Behauptung, daß das Pariser Abkommen in allen Punkten erfüllt sei, die offiziell geförderte systematische Unterwanderung (siehe zum Beispiel das Arbeitsvermittlungsgesetz vom 10. Februar 1961), die förmlich systematische Verschleppungstaktik während der sogenannten Konsultationen zwischen Beamten des Wiener Außenamtes und Vertretern der italienischen Botschaft in Wien, die am 22. Februar 1958 begannen und ein Jahr später ergebnislos im Lärm um die Verschärfung der Lage in Südtirol untergingen, die praktische Nichtbeachtung der Resolutionen Nr. 1497 (XV) vom 31. Oktober 1960 und Nr. 1661 (XVI) vom 28. November 1961 der Vereinten Nationen und die dazwischenliegende intransigente Haltung der Italiener in Mailand (Jänner 1961), Klagenfurt (Mai 1961) und Zürich (Juni 1961), die Ergebnislosigkeit des Carabinieri-Prozesses in Trient (August 1963), das matte Vorgehen gegen die Urheber des Anschlags in Ebensee (September 1963), den Bericht der Neunzehner-Kommission (in dem die Schaffung einer Region Südtirol und andere wichtige Punkte abgelehnt werden und ein System von Schutzklauseln und Vetomöglichkeiten zugunsten der italienischen Sprachgruppe vorgeschlagen ist, durch die die Provinzautonomie gänzlich lahmgelegt werden kann),

die materiell ergebnislosen Verhandlungen zwischen Kreisky und Sara- gat (Genf, 25. Mai, 7./8. September, Paris, 16. Dezember 1964), die in diese Zeit (September) fallenden unmenschlichen Polizeiaktionen in Südtirol, das noch ergebnislosere Geheimgespräch am 28. Juni 1965, die wiederholten negativen Stellungnahmen italienischer Staatsmänner zu dem Problem Südtirol, das materiell ebenfalls ergebnislose Kontaktgespräch am 25. November 1965 in London, die unproduktiven Gespräche Anfang Dezember 1965 zwischen Klaus und Kreisky einerseits und Saragat, Moro, Nennt und hupis anderseits, sowie über die Geheimgespräche in London (24./25. Mai), Montreux (16. bis 18. Juni) und London (18. bis 20. Juli 1966), die immer nachdrücklichere Ausnützung Italiens der Terroristenanschläge zu einer hinhaltenden Taktik (siehe zum Beispiel die Regierungserklärung Moros vom 12. September 1966) bis zu der Blockierung von Verhandlungen über die Aufnahme Österreichs in die EWG und Montanunion und der Beschießung von österreichischen Grenzwachbeamten im Juli vorigen Jahres.

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