Von der „Erbfeindschaft“ zur Entspannung Nord-Süd
Im Verlag „Jugend und Volk“ erschien vor kurzem „Österreich und Italien — ein bilaterales Geschichtsbuch“, geschrieben vom Direktor der Bibliothek der italienischen Abgeordnetenkammer, Prof. Silvio Furlani, und vom Wiener Historiker Professor Adam Wandruszka. Mit diesem Werk fand das Anliegen einer europäischen Entspannungspolitik, die nicht nur über den Rhein in der West-Pst-Richtung, sondern auch über die Alpen in der Richtung Nord-Süd verläuft, eine bemerkens- und dankenswerte Fortsetzung. Entspannungspolitik in Europa ist heute schon fast zur Mode geworden. Soll sie nicht auf die Vertrags- und Besuchsdiplomatie, auf die „obersten Hundert“ in den Staatskanzleien beschränkt bleiben, muß sie mit dauernder Wirkung in den Breiten und Tiefen der Völkermentalität “verwurzelt werden, um so ihr eigentliches Ziel zu erreichen: Frieden, Vertrauen, Freundschaft zwischen den Völkern, insbesondere zwischen jenen, die, jahrhundertelang in „Erbfeindschaft“ lebten. So gesehen, bleibt die Entspannung nicht allein Aufgabe der Politik, sie wird durch die vielfältig verästelten Verbindungen des Außenhandels, des Tourismus und des Sports, der Studienreisen und Sprachstudien, der Kunst- und Kulturinstitute, und besonders wirksam durch die Geschichtswissenschaft ergänzt.
Im Verlag „Jugend und Volk“ erschien vor kurzem „Österreich und Italien — ein bilaterales Geschichtsbuch“, geschrieben vom Direktor der Bibliothek der italienischen Abgeordnetenkammer, Prof. Silvio Furlani, und vom Wiener Historiker Professor Adam Wandruszka. Mit diesem Werk fand das Anliegen einer europäischen Entspannungspolitik, die nicht nur über den Rhein in der West-Pst-Richtung, sondern auch über die Alpen in der Richtung Nord-Süd verläuft, eine bemerkens- und dankenswerte Fortsetzung. Entspannungspolitik in Europa ist heute schon fast zur Mode geworden. Soll sie nicht auf die Vertrags- und Besuchsdiplomatie, auf die „obersten Hundert“ in den Staatskanzleien beschränkt bleiben, muß sie mit dauernder Wirkung in den Breiten und Tiefen der Völkermentalität “verwurzelt werden, um so ihr eigentliches Ziel zu erreichen: Frieden, Vertrauen, Freundschaft zwischen den Völkern, insbesondere zwischen jenen, die, jahrhundertelang in „Erbfeindschaft“ lebten. So gesehen, bleibt die Entspannung nicht allein Aufgabe der Politik, sie wird durch die vielfältig verästelten Verbindungen des Außenhandels, des Tourismus und des Sports, der Studienreisen und Sprachstudien, der Kunst- und Kulturinstitute, und besonders wirksam durch die Geschichtswissenschaft ergänzt.
In der Erkenntnis, daß auf der Entspahnungsebene Politik und Geschichtswissenschaft Hand in Hand gehen müssen, da sie einander bedingen und ergänzen, führte ich in den sechziger Jahren trotz des damals einem Höhepunkt zustrebenden Südtirolkonfliktea wiederholt Gespräche mit den italienischen Ministerpräsidenten Moro und Rumor, welch letzterer selbst Geschichtsprofessor ist, mit den Professoren Val-secchi, Hantsch, Jedlicka und Engel-Jänosi, um im Dienste der auch in die Nord-Süd-Richtung aktuellen Entspannungspolitik ein Historikertreffen und auch Schulbuchrevisionen in die Wege zu leiten. Anfang der siebziger Jahre fanden dann erfolgreiche Begegnungen italienischer und österreichischer Historiker in Igls (1971) und Venedig (1972) sowie Tagungen zur Schulbuchrevision in Pavia und Wien (1972) statt. Die Ergebnisse waren durchweg positiv und ermutigend, der Widerhall in der Öffentlichkeit leider sehr gering.
„Ich erinnere mich noch gut an den großen Historikerkongreß, der 1958 in Mailand zum Thema .Hundert Jahre Risorgimento' stattgefunden hat. Er vermittelte mir, als einer jungen Mittelschulprofessorin für Geschichte, völlig neue Erkenntnisse über die Zeit der nationalen Einigung Italiens und über das Verhältnis zwischen Österreich und Italien, von damals bis in die jüngste Vergangenheit. Woran ich mich aber heute noch besonders gerne erinnere, ist, daß der Vortragende, der den größten Beifall erhielt, ein österreichischer Historiker war — dessen Namen ich leider vergessen habe.“
Vielleicht Wandruszka? „Ja, wahrscheinlich hat er so geheißen...“ Damit begann unmittelbar vor dem Historikertreffen von Venedig, im Oktober des Vorjahres, das Gespräch mit unserer liebenswürdigen und hochgebildeten Bonassoleser Nachbarin, einer Hoteliersgattin, die in der Mittelschule unterrichtet. Sie halte Begegnungen der Historiker und Schulbuchrevisionen für überaus nützlich und zeitgemäß. Studien in den Archiven, Konfrontationen der Geschichtsforscher über die internationalen Grenzen hinweg brächten neue Gesichtspunkte in die Diskussion und korrigierten falsche Anschauungen. Schon bisher, zumindest seit 1945 und besonders seit dem erwähnten Mailänder Kongreß, habe man begonnen, die Akzente in Geschichtsforschung und Unterricht nüchterner, wirklichkeitsnäher und gerechter zu setzen, eben: europäischer. Auf vielen Universitätslehrkanzeln, im Geschichtsunterricht auf den höheren und mittleren Schulen, trage dieses Umdenken in Richtung Europa bereits Früchte. Sie, die professoressa, sei an dieser Entwicklung politisch lebhaft interessiert.
Wörtlich sagte sie: „Seit 20 Jahren unterrichte ich und bemühe mich, eine moderne, von nationalistischen Ressentiments, falschen Emotionen und überholten Klischeevorstellungen freie Darstellung unserer Geschichte zu geben. Dabei kommt mir die neue Einstellung der italienischen Jugend ebenso zu Hilfe wie das neue Hervortreten des wahren Wesens der Italiener. Unsere Jugend ist weder an einem krampfhaften Nationalismus, wie ihn der Faschismus noch einmal künstlich hervorgerufen hat, noch an den alten, bis zum Risorgimento und noch weiter zurückreichenden Emotionen und Voreingenommenheiten Österreich gegenüber interessiert; sie kann die früheren Streitereien und Eifersüchte überhaupt nicht mehr verstehen; sie denkt europäischer und kosmopolitisch...“
„Manche Italiener der alten Generation stehen wohl noch unter dem propagandistischen Einfluß des Faschismus, der eine Heroisierung und Wiederbelebung der nationalen Einigungsbewegung des 19. Jahrhunderts brauchte, um seine pseudo-imperiali-stischen Ziele zu rechtfertigen. Im Grunde ist der italienische Volkscharakter aber gegen nationalistische Übersteigerungen stets immun geblieben; die humanitäre europäische Grundeinstellung der Italiener blieb trotz Risorgimento und Faschismus erhalten; die katholische, christlich-humanistische Tradition des Landes konnte vielleicht überlagert, nie aber ausgetilgt werden.“
Der Wiener Historiker hat gleich ungezählten „Nordländern“ eine echte Liebe und Vorliebe für Land und Leute im Süden. So lesen sich die Kapitel seiner Beschreibung der italienischen Geschichtslandschaft „von den Römern bis zum Prinzen Eugen — die Epoche der Sukzessionskriege — das Zeitalter der Reformen — italienische und österreichische Aufklärung“, also vom ersten christlichen bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts, und dann noch sein Kapitel „Zwischen den Welkriegen“ wie eine „italienische
Reiseführung“, bei der dem Autor Reflexion — erforschte und erfahrene — oft zum Gegenstand echter Begeisterung wird. So, wenn er von Maximilian I. sagt, er sei „noch stärker als Rudolf IV. in die politische und kulturelle Welt der italienischen Renaissance eingetreten. Der so vielseitige und vielgesichtige Herrscher hat auch das Antlitz eines italienischen Renaissancefürsten besessen.“ Oder, wenn er berichtet, auf welche Weise die Ansichten österreichischer Städte im Innenhof des Palazzo Vecchio in Florenz entstanden sind; oder wie schon im Spanischen Erbfolgekrieg unter den Italienern selbst einer spanischen oder bourbonischen eine österreichische oder häbsburgische Partei gegenüberstand. Und wie die „nach dem Frieden von Aachen, 1748, durch die bereits hier vorbereitete und schließlich durch mehrfache Familienverbindungen bekräftigte Aussöhnung zwischen Bourbon und Habsburg-Lothringen Italien nahezu ein halbes Jahrhundert ungestörten Friedens, die vielleicht glücklichste Zeit der neueren italienischen Geschichte beschert hat“. Und schließlich die maßvoll-gerechte und doch den unvoreingenommenen Leser berührende Darstellung der starken Präsenz und hervorragenden Leistung der Italiener in Österreichs Diensten, in der Diplomatie, in der Verwaltung, In
Kunst und Wissenschaft — und im Kriegsdienst.
„In den Kriegen des 18. Jahrhunderts haben zahlreiche Italiener unter österreichischen Fahnen , gekämpft, Verwundung, Gefangenschaft und Tod erlitten.“ Nach Aufzählung einer Reihe aus Italien stammender Generäle, Feldmarschälle und Theresien-Ritter steht Wandruszka nicht an, festzustellen: „Die Erinnerung an diese und unzählige andere hervorragende und tapfere Heerführer, Offiziere und Soldaten italienischer Herkunft, die im Laufe der Jahrhunderte unter dem Doppeladler fochten, bluteten und starben, sollte gerade jeden ge-sehichtskundigen und traditionsbewußten Österreicher davon abhalten, die törichten, aus der Weltkriegspropaganda entstandenen Verallgemeinerungen über die angeblich fehlende soldatische Ausbildung der Italiener zu wiederholen.“
„Zwischen den Weltkriegen“ behandelt Wandruszka eine besonders heikle Periode in den Beziehungen beider Staaten. Sie stellt an den Historiker große Anforderungen an wissenschaftlicher Objektivität, an Takt und Einfühlungsvermögen. Er begegnet ihnen mit großem Sachwissen, mit klugen Formulierungen in einem ritterlich-vornehmen Stil. Auch in den kritischesten Episoden findet er Verständnis für den anderen, oder immer noch ein Gemeinsames. So meint er, nach 1918 „bestand doch auch eine Gemeinsamkeit darin, daß beide Völker als Folge des Krieges und seines Ausgangs eine tiefe, und durch die sozialen Auswirkungen des Krieges bedingte politische Bewußtseinskrise durchmachten, deren Auswirkungen schließlich in beiden Staaten zum Untergang der parlamentarischen Demokratie und des liberal-demokratischen Rechtsstaates führten“.
Das österreichfeindliche Engagement Nachkriegsitaliens in der Bur-genlandfrage, die Mittel- und Südosteuropapolitik Mussolinis, seine Politik in Südtirol, das Eintreten Seipels für die Minderheitenrechte der Südtiroler vor dem Völkerbund, Seipels Konflikte mit Mussolini 1926 und 1928 wegen der Unterdrückung der Deutsch-Südtiroler, der Freundschaftsvertrag, den Bundeskanzler Schober 1930 im Palazzo Venezia unterzeichnete, die Annäherung und die zeitweise Hilfsstellung Mussolinis im Kampfe Österreichs gegen die nationalsozialistische Anschlußbewegung, das nach der Ermordung des Bundeskanzlers Dollfuß beginnende Desinteresse des faschistischen Italien an Österreich, die beginnende Hitler-hörige Haltung Mussolinis beim Einmarsch der Nationalsozialisten in Österreich und während des Zweiten Weltkrieges werden kurz, klar und spannend dargestellt und bieten dem Leser ebenso einen guten Überblick über diesen verworrenen
Zeitabschnitt wie zahlreiche neue Einblicke in das auf beiden Seiten von Tragik und Opfern randvolle Geschehen.
Auch hier sieht Wandruszka positive und entscheidende Wendungen, die zu Bewußtseinsänderungen und zu einer Abkehr von der Mentalität der „Erbfeindschaft“ führten: „Denn in der Not und Wirrnis dieser furchtbaren, blutigen Jahre lernten Italiener und Österreicher, im anderen nicht so sehr den Repräsentanten einer politischen Macht, den Funktionär, Offizier oder Beamten, als eben vor allem den Menschen kennen und beurteilen. Italiener, die Österreichern in menschlichen Grenzsituationen begegnet waren, dachten... nicht mehr an die Klischeevorstellungen der patriotischen Lesebuchliteratur aus der Zeit des Risorgimento; Österreicher, die in ähnlichen Situationen die große Menschlichkeit und Hilfbereitschaft des einfachen italienischen Volkes erlebt hatten, sahen die Italiener nun nicht mehr als durchweg großsprecherisch und gewalttätig an“.
Wenn in solchem Geigte der gegenseitigen Achtung, Einfühlung und Gerechtigkeit bilaterale Geschichtsforschung und Geschichtsdarstellung erfolgt, berechtigt dies zu echten Hoffnungen, daß das Anliegen der beiden Autoren weithin Erfüllung findet. In der gemeinsam verfaßten Einführung nämlich glauben beide Autoren, sich von nationalistischen Vorurteilen freigemacht und auch die Geschichte des anderen Volkes mit Anteilnahme, Sympathie und dem
Streben nach Gerechtigkeit behandelt zu haben. Ist dies beiden Historikern gleichermaßen gelungen?
Vorweg muß eingeräumt werden, daß man es hier mit einem Meister im Fach der Geschichtsschreibung zu tun hat. Ein flüssiger Stil, der an Cicero und Livius geschult zu sein scheint, verbindet sich in der Darstellung Furlanis mit einem umfangreichen Teilwissen und mit der Fähigkeit, weiträumige Zusammenhänge zu erkennen. Die Schwierigkeiten für Furlani kommen aus der bizarren Geschichtsstruktur des 19. Jahrhunderts, dessen Revolutionen, soziale und nationale Bewegungen auch Österreich und Italien erfaßt und zwischen den beiden Völkern zur härtesten Konfrontation geführt haben; seit 1789 gingen auch hier die Uhren anders.
Ein ( Jahrhundert später faßte es Nietzsche in einer „Unzeitgemäßen Betrachtung“ zusammen: „Jetzt haben sich nun alle Fundamente, die mythischen und die politisch-sozialen verändert. Unsere angebliche Kultur hat keinen Bestand, weil sie sich auf unhaltbare fast schon verschwundene Zustände und Meinungen aufbaut.“
Man muß sich die Namen der geschichtemachenden Persönlichkeiten dieses Jahrhunderts vergegenwärtigen: Napoleon, Metternich, Garibaldi, Radetzky, Napoleon III., Franz Joseph, Viktor Emmanuel II., Bismarck, Andrässy..., um zu erkennen, wie schwer es ist, ein „von der Parteien Haß und Gunst“ freies, objektives Geschichtsbild zu bieten. Zweifellos erscheinen die Jahrhunderte vorher in einem milderen, verklärten Licht und daher kommt es wohl, daß uns die Kapitel Wan-druszkas mehr befriedigen als jene Furlanis.
Dabei muß anerkannt werden, daß Furlani für die österreichischen Protagonisten viel Gerechtigkeit und Anerkennung übrig hat. Metternich, Erzherzog Karl, Radetzky, Erzherzog Albrecht, sogar Kaiser Franz Joseph kommen bei ihm eigentlich gut weg, die österreichische Verwaltung, die Wirtschafts- und Kulturpolitik Österreichs in der Lombardei und in Venetieh hingegen finden eine sehr unterschiedliche, im Grunde meist negative Beurteilung. Warum eigentlich?
Furlanj sieht folgende wesentliche Fehler in der österreichischen I,ta-lienpolitik seit dem Wiener Kongreß:
• Herabwürdigung Italiens — von Metternich bis zum Thronfolger Ferdinand — zu einem bloßen geographischen Begriff.
• Unterbewertung der idealistischen und politischen Gärung, die schon im napoleonischen „Königreich Italien“ einsetzte.
• Zensur, Bespitzelung und Repression, die in der Lombardei und Venetäen schärfer gehandhabt wurden als in den Stammländern der Monarchie. •
• Der Wiener Zentralismus und die geringe Beachtung, die „der Wiener Hof den charakteristischen Eigenheiten der neuen Provinzen schenkte“. Hier erblickt Furlani die Hauptursache des Stimmungsumschwungs im Volk, das zu Beginn der Franzosenkriege noch auf der Seite Österreichs stand.
„Innerhalb weniger Jahre wuchs eine tiefe Abneigung gegen alles, was mit dem Namen Österreich verbunden war“ (S. 138), und: „Hätte man die Gründe der Unzufriedenheit beseitigt, wären die Italiener — und nicht nur jene Lombardo-Venetiens — zu der Ansicht gelangt, daß die österreichische die einzige Regierung sei, die die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung garantieren könne“ (S. 142). Furlani übersieht aber keineswegs die „positiven Seiten, die man gerechterweise der habsburgischen Regierung in Lombardo-Venetien zubilligen muß“:
• Die Redlichkeit der Verwaltungsarbeit, die an eine gerechte Einsicht in die legitimen Interessen der Untertanen gebunden war.
• Der strenge und unbeugsame Schutz der öffentlichen Ordnung, der auch in seiner repressiven Phase dennoch immer von der peinlich genauen Einhaltung der Legitimität geleitet wurde.
• Ein Erziehung, die in allen anderen Teilen Italiens Vorbild zur Nachahmung wurde.
Risorgimento und Irredentismus bezogen ihre Kräfte aus dem nationalen Einigungsbestreben und brachten den jungen Nationalstaat Italien in einen nahezu naturgesetzlichen Gegensatz zum alten Vielvölkerstaat Österreich, das bis 1918 am Prinzip des Nationalitätenstaates festhielt. Furlani sieht dieses Grundprinzip von Kaiser Franz Joseph unbeirrbar vertreten, während es vom wachsenden Separatismus der Nationen des Vielvölkerstaates bedroht war: „Daß der Separatismus der einzelnen Nationen dennoch so lange erfolglos blieb, war vor allem das Verdienst der sehr verantwortungsbewußten, gemäßigten und bedachtsamen Regierungsführung Kaiser Franz Josephs“ (S. 233).
Der zeitgeschichtliche Part, den FuTilani übernommen hat, führt über die Auflösung des Dreibundes
zum Ersten Weltkrieg und zum umstrittenen Waffenstillstand vom 3. November 1918, dessen — für Österreich — fatale Auswirkungen er auf ein Mißverständnis zurückführt. Furlani räumt ein, daß dieser Umstand dazu beitrug, das „traditionelle und anerzogene Mißtrauen Österreichs gegen Italien zu verstärken.“
Den Abschnitt „1945 bis heute“ behandelt Furlani objektiv, er spart aber nicht mit Kritik an der eigenen Regierung, welche die Durchführung der im Abkommen vorgesehenen Autonomie für Südtirol verschleppt habe: „Die Verschleppung war dennoch weniger ein Beweis von Widerwillen oder heimlichen Absichten, als von einer uninteressierten und verdrossenen Betrachtung der Angelegenheit — weit entfernt und völlig verschieden von jedem strengen Pflichtgefühl und der gewissenhaften Durchführung der öffentlichen Angelegenheiten, welche ein fundamentales Charakteristikum der habsburgischen Verwaltungstradition waren.“ Hier kommt Furlani wieder in den Gleichschritt mit Wandruszka, nachdem sie über weite Strecken getrennt marschiert sind. Paket und Operationskalender für Südtirol werden nun als beachtlicher Beweis des guten Willens Italiens, des Abbaues jahrhundertelang aufgestauten Mißtrauens und als bewährtes Beispiel für die Uberwindung wirtschaftlicher und politischer Barrieren im Vorfeld der europäischen Einigung angeführt.
Die „Erbfeindschaft“ ist zu Ende, aber der Mißverständnisse, Unterstellungen und Übertreibungen in der gegenseitigen Beurteilung ist noch Legion: in wissenschaftlicher! Werken, in Schulbüchern, in Inschriften und in den verzerrten Klischees, die man voneinander in der Volksmeinung noch weithin hegt. Die Professoren Furlani und Wandruszka leisteten mit diesem Werk vorbildliche Pionierarbeit. „Vivant sequentes!“