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Aus Hoffnungslosigkeit lernen

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In diesem Zusammenhang erwächst ferner eine Schwierigkeit in Gestalt des sogenannten Pakets, das heißt des Ergebnisses der Beratungen der Neunzehnerkommission, das nun seit 10. April 1964 ebenfalls der Durchführung harrt. Bezüglich der es bildenden Beschlüsse hat die italienische Seite schon vor Zusammentreten der Kommission (am 13. September 1961) unmißverständlich ausgesprochen, daß rein inneritalienische Maßnahmen für die Südtiroler unmittelbar als italienische Staatsbürger und nicht auf dem Umweg über bilaterale Verhandlungen geplant sind. Die Italiener haben also von vornherein vollkommen klar gemacht, daß sie die bevorstehenden Beschlüsse aus dem Zusammenhang des Pariser Abkommens unbedingt herausgehalten wissen wollen. Nun hat wohl der damalige italienische Außenminister Attilio Piccioni bei der fünfstündigen Konferenz mit Kreisky am 31. Juli 1962 in Venedig zugesagt, daß mit Österreich über die Ergebnisse der Neunzehnerkommission verhandelt werden würde. Und die Verhandlungen Kreiskys mit Saragat im Jahre 1964 berechtigten hierin zu gewissen Hoffnungen. Dies änderte sich grundlegend, als im März 1965 Fanfan i das Außenressort übernahm, nachdem Saragat zum Präsidenten gewählt worden war. Karl Heinz Ritschel sagt hierzu in seinem Buch „Diplomatie um Südtirol“ (S. 479): „Fanfarų versuchte, von diesem Ergebnis immer wieder etwas wegzunehmen, wie überhaupt die italienische Diplomatie immer deutlicher zeigte, daß sie sich an Saragats Zusagen nicht gebunden fühlte.“

Daran hat auch Tončics Geheimdiplomatie nichts geändert. Im Gegenteil: der gleiche Piccioni, der vor sechs Jahren zugesagt hat, daß mit Österreich über die Ergebnisse der Neunzehnerkommission verhandelt werden würde, hat am 4. Oktober 1967 zu den Ausführungen des österreichischen Außenministers in der Generalversammlung der Vereinten Nationen den folgerichtigen Vorwurf erhoben, die österreichische Regierung habe eine internationale Garantie für Maßnahmen verlangt, die Italien zwar aus freien Stücken zu gewähren bereit sei, die aber nicht zur Durchführung des Pariser Abkommens gehörten.

Es war also von vornherein und ist noch ganz hoffnungslos, mit Italien über die Durchführung eines Vertrages zu verhandeln, über dessen Gegenstand wir mit ihm bis ins Grundsätzliche uneins sind, und dann noch in solchen Verhandlungen über die Beschlüsse der Neunzehnerkommission zu sprechen, bevor Einigkeit darüber besteht, daß sie auch für Italien in das Thema „Erfüllung des Pariser Abkommens“ fallen. Je mehr uns an der Beendigung des Konfliktes — in unserem wohlverstandenen Sinn — liegt, desto weniger hätten wir so wesentliche Etappen überspringen und zu auf diese Weise aussichtslosen Tagesordnungen übergehen dürfen.

Das sind nun in einer Hinsicht, nämlich der bezüglich der in Paris vermeinten Autonomie für Südtirol, reichlich späte, ja heute bereits zu späte Erkenntnisse. Demjenigen, der uns im September 1946 gesagt hätte, daß wir in zweiundzwanzig Jahren nur einen relativ unbedeutenden, aber sicher nicht den wesentlichen Teil des Inhalts des Pariser Abkommens erhalten haben würden, hätten wir entweder ins Gesicht gelacht oder gesagt, daß wir dann schon etwas vorher das schon damals allen nationalen Minderheiten längst zustehende Recht der Selbstbestimmung auch für Südtirol verlangen würden. So fährt ja auch die weiter oben erwähnte Entschließung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des österreichischen Nationalrates vom 1. Oktober 1946 fort: „Er ist der Meinung, daß dieses Prinzip (nämlich der Selbstbestimmung) der einzige Weg für eine dauernde Lösung der Südtiroler Frage ist, die von Österreich als gerecht und befriedigend angenommen werden könnte.“

Natürlich können wir uns nun aus der Zwangsjacke des italienischen EWG-Vetos heraus mit einem dürftigen Ergebnis in Gestalt von Maßnahmen „aus freien Stücken“, das heißt ohne jede Garantie, abfinden. Können wir das aber wollen? Zur anderen Alternative, zur angemessenen und zeitgemäßen Forderung nach Selbstbestimmung für Südtirol ist daher höchste, ja allerhöchste Zeit.

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