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Die Integrität der österreichischen Südgrenze

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Inzwischen hatten sich wichtige Ereignisse auf internationalem Gebiet vollzogen. Im Westen wurde nach Einrichtung des westlichen Bündnissystems zunächst der Brüsseler Pakt und später der Atlantikpakt vorbereitet und schließlich ratifiziert. Schon auf der Londoner Stellvertreterkonferenz im Sommer 1948 hatten sich gewisse Dissensionen zwischen der sowjetischen und jugoslawi- sehen Delegation ergeben. Die österreichischen Delegierten kamen später mit dem Eindruck von der Donaukonferenz aus Belgrad zurück, daß eine Spannung zwischen Moskau und Belgrad eingetreten sei. Wenige Wochen später kam es zum Bruch. Die Frühjahrsverhandlungen in London standen unter dem Eindruck dieser neuen politischen Situation. Für Österreich war nun die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, daß Jugoslawien mehr und mehr Bedeutung für die westliche Gesamtpolitik erhalte und daß damit die bisherige diplomatische Verteidigung der Kärntner Grenze an Gewicht verlieren könnte. Die Erledigung der Kärntner Grenzfrage war deshalb dringend geboten. Die Jugoslawen kamen nach London zunächst mit scheinbar gemäßigteren Forderungen. Wie sowjeti-scherseits später behauptet wurde, wurden den Westmächten sogar bestimmte Konzessionen angeboten. Der Versuch lag nahe, die Differenzen durch zweiseitige Unterredungen aus der Welt zu schaffen. Es wurde aber bereits nach den ersten Fühlungnahmen klar, daß das Prinzip der Integrität der österreichischen Grenze auf diesem Wege nur Schaden leiden könnte. Als daher jugoslawischer-seits neuerdings heftige Angriffe gegen Österreich gerichtet wurden, mußte von uns in einer Weise geantwortet werden, die diese Phase politisch beenden mußte. Damit war aber gleichzeitig nach den bisherigen Verhandlungsmethoden der Erfolg der Londoner Konferenz sehr ungewiß geworden.

Auf österreichischer Seite war inzwischen Klarheit darüber eingetreten, daß man die Sowjetunion nur dann zur uneingeschränkten Anerkennung der Integrität unserer Grenze bringen könne, wenn andererseits ihre Forderungen bezüglich Artikel 35 voll anerkannt würden. Nach Ansicht der Bundesregierung war dies aber immer noch tragbarer als eine Zerstückelung des Staatsgebiets. Es ergab sich also die Aufgabe, auch die westliche Seite von der Notwendigkeit eines solchen Kompromisses zu überzeugen. Umfangreiche Besprechungen, insbesondere auch mit der amerikanischen Delegation, waren geboten. Diese wurden zunächst mit den Sonderdelegierten Jessup und Reber, später, nach Zusammentritt der Pariser Außenministerkonferenz vom 23. Mai bis 20. Juni 1949, mit dem Staatssekretär und seinen Mitarbeitern eingeleitet. Die westlichen Delegationen vereinbarten, ein großzügiges wirtschaftliches Angebot an die Sowjetunion zu richten, wenn dadurch die Bereinigung der Grenzfrage ermöglicht würde. Eine österreichische Aussprache mit Außenminister Wyschinski ließ vermuten, daß ein solcher Verständigungsvorschlag einige Aussicht auf Erfolg haben würde. Die nachfolgenden Verhandlungen gaben dem recht, und es kam zur Unterzeichnung des Pariser Kommuniques, das die Instruktion an die Stellvertreter beinhaltete, bis 1. September ihre Arbeit zu erledigen. Bis zur letzten Minute lagen auf dieser Pariser Konferenz die Schatten der Berliner Krise. Aber auch dalür wurde schließlich ein Modus vivendi gefunden, der wenigstens die ärgsten Gefahren eines Zusammenstoßes aus der Welt schaffte und die Liquidierung der Luftbrücke Berlin ermöglichen sollte.

Am 1. Juli 1949 nahmen die Stellvertreter ihre Arbeiten auf. Auf Grund der Pariser Akkords war es möglich, eine Reihe von Artikeln, insbesondere den Grenzartikel, zu erledigen. Auch der Text des Artikels 35 konnte weitgehend abgeklärt werden. Es stellte sich aber bald heraus, daß über die Auslegung des Pariser Abkommens ernste Meinungsverschiedenheiten aufgetaucht waren. Die Stellvertreter hielten es für zweckmäßiger, an die Außenminister, die in Kürze in New York anläßlich der Generalversammlung der UN im September 1949 zusammentreten sollten, zu berichten. In New York gelang es schließlich, den Artikel 35 vollständig zu erledigen und die Zahl der übrigen Artikel wesentlich zu reduzieren. Aber schon die scharfen Debatten in den Versammlungen der Vereinten Nationen ließen vermuten, daß die Welle der Entspannung, die den größten Teil des Jahres 1949 angehalten hatte, zu Ende ging. Von uns war aus dieser Entspannung soviel wie möglich für die Fertigstellung des Vertrags herausgeholt worden.

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