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Brennt es wieder in Südtirol?

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Als am frühen Morgen des 3. Februar 1963 die Bevölkerung von Kaltem durch zwei große Explosionen aus dem Schlaf geweckt wurde und es sich herausstellte, daß abermals die Kraftwerkanlagen der Montecatini-Werke im Überetsch die Zielscheibe der Südtiroler Freiheitskämpfer abgab, hat diese Nachricht in sonst gut informierten Bozener Kreisen überrascht. Man hatte erst im Frühling mit dem Wiederaufleben der Aktivität gerechnet. Seit Anfang Februar, zuletzt durch die Verhaftung sprengstoffbewaffneter Aktivisten am Brenner, züngeln die Flammen wieder hoch. Während die Weltöffentlichkeit die Vorgänge im heißen Sommer 1961 als Episode oder bloßes Kuriosum betrachtete und Rom die Minderheitenfrage jedesmal nur dann ernst nimmt, wenn es im Tal der

Ptsrh an allen Ecken und Enden kracht, überzeugt einen ein Südtiroler Aufenthalt, daß es in Bozen und Umgebung seit dem 12. Juni 1961, als die Attentäter das Volk zum allgemeinen Aufstand aufforderten, eigentlich nie aufgehört hat, zu brodeln und zu knistern. Zwar ist man sich offiziell näher gekommen. Der sogenannten 19er Studienkommission, die am 1. September 1961 vom damaligen Innenminister Mario Scelba ins Leben gerufen wurde, um — unter Ausschluß Österreichs — direkt zwischen den Vertretern der Minderheitengruppen und der italienischen Regierung zu einer Lösung des unseligen Konfliktes zu gelangen, gehören neben elf Italienern auch acht Südtiroler, nämlich alle Vertreter der Südtiroler Volkspartei im römischen Parlament, ein Vertreter der ladini-schen (rätoromanischen) Volksgruppe, der Präsident des Landesausschusses der Provinz Bozen Dr. Silvius Magnago und schließlich der Präsident der Handelskommission von Bozen an. Man hat sich also an den grünen Tisch gesetzt und die Karten gegenseitig ausgespielt. Zuerst machte es auch den Anschein, daß man auf diesem Wege zu einer allseitig befriedigenden Lösung kommen würde — bis im vergangenen Sommer die allwöchentlich stattfindenden Kommissionsbesprechungen eingestellt wurden und die ganze Arbeit zu versanden drohte.

Im Spannungsfeld der Democrazia Cristiana

Was war geschehen? Die Neunzehnerkommission unter der Leitung des Sozialdemokraten Paolo R o s s i schickte sich vor acht Monaten an, der Regierung und dem Parlament Vorschläge zum Fall Südtirol zu unterbreiten; sie sollten der Provinz manche Kompetenzen übertragen, die bis an-hin der Oberhoheit von Rom und

Trient unterstellt waren. Wenn die Personalunion mit Trient der Form nach dadurch auch nicht angetastet wurde, so liefen die Zugeständnisse jedoch weitgehend auf eine praktische Verleihung der von der SVP und Wien seit Jahren geforderten Regionalautonomie hinaus. In rechtsgerichteten Kreisen nahm sich der Vorschlag der Studienkommtss-iöh- wie eine Kapitulation vor der deutschsprachigen Minderheit aus, die dem Ansehen der Nation schade und unwillkürlich auf eine Belohnung der Terrorakte des Jahre» 1961 hinauslaufe. Der jetzige Innenminister T a v i a n i galt als Vertreter dieser Richtung innerhalb der Demo-crazia Cristiana, die alles daran setzte, zu verhindern, daß die Studienkommission ihre Arbeit beende und prodeutsche Empfehlungen ausarbeiten könnte. Sekundiert wurde Taviani von den führenden Männern der christlichdemokratischen Partei der Provinz Trient, die ein naheliegendes Interesse hatten, Bozen unter ihrer Kontrolle zu »ehalten und als sogenannte „Dorotei“, Vertreter des Rechtskurses innerhalb ler Democratia Cristiana, die parteiinternen Autonomiebestrebungen der naßgebenden Christlichdemokraten in Bozen, Berloffa und Compagne mit allen Mitteln zu hintertreiben suchten.

Moro als Schiedsrichter

Es geht heute also um die Verleihung einer doppelten Autonomie an die Provinz Bozen. Einmal um eine verstärkte Provinzautonomie mehr an die deutschsprachige Mehrheit des im Bozener Landhaus und ferner um die verstärkte Selbständigkeit der linksgerichteten christlichdemokratischen Parteileitung in Südtirol. Während die erste eine vermehrte völkische Abhängigkeit im italienischen Gesamtstaat anstrebt, ist die andere rein politischer Natur. F a n f a n i und seine Leute, die „Fanfaniani“, die den Standpunkt Berloffas begünstigen, wirken sich als Freunde der Südtiroler aus. Moro versucht, auch in dieser Frage seiltänzerisch über der Parteien Haß und Gunst zu stehen und die Stellung des Arbeiters zu wahren. Es wird behauptet, daß der Generalsekretär der Democrazia Cristiana seinen Winterurlaub in Südtirol dazu benutzt habe, mit Dr. Silvius Magnago, dem Obmann der SVP zusammenzutreffen. Was dabei allfällig ausgehandelt wurde, ist jedoch nicht bekannt.

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