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Das Inflationsfressen

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Südtirol ^gehöre heute zu den „ruhigen“ Provinzen Italiens, betonte dieser Tage Landeshauptmann Sil-vius Magnago in einer Rede vor dem Südtiroler Landtag. Die Autonomie ermögliche es, auf vielen wichtigen Gebieten eigene Maßnahmen zu setzen. Allerdings klang aus den Worten Magnagos auch die Sorge um die wirtschaftliche Entwicklung dn Italien durch. Die Wirtschaft Süd-tiröls sei zwar „gesünder als jene in vielen anderen Gebieten des Stiefels“, doch machten Teuerung, Materialverknappung und Einfuhr-erschwem'isse auch der Wirtschaft an Etsch und Eisack arg zu schaffen.

Mit 110 Milliarden Lire hat das Land zwar das bisher höchste Budget aufzuweisen, doch geraten die langfristigen Sozialprogramme im Krankenhausbau, Schulbau und in der Landwirtschaft wegen der rasanten Geldentwertung ins Wanken. „Die vor einem Jahr aufgestellten Finanzierungspläne stimmen nicht mehr.“

Magnago faßte die Ziele dieses Rekordbudgets in vier Punkten zusammen: Soziale Ausrichtung der öffentlichen Dienste, qualitative und quantitative Steigerung der Leistung der sozialen Einrichtungen (einschließlich Schule, Kultur und Bildung), arbeitsschaffende Maßnahmen und Förderung der heimischen Wirtschaft. Dazu brauche es die Zusammenarbeit aller in einem entspannten Klima. Die SVP hatte sich daher bei der Neubildung der Südtiroler Landesregierung bemüht, die italienische Volksgruppe an der Regierung entsprechend zu beteiligen, damit diese mitarbeiten müsse und nicht dn Opposition stehe. Nach mehrmonatigen Koalitionsverhandlungen war es gelungen, ein gemeinsames Regierungsprogramm abzuschließen. Die neue Landesregierung setzt sich aus 13 Mitgliedern — sieben deutschen und drei italienischen Landesräten und zusätzlich zwei deutschen und einem italienischen Vize-Assesor — zusammen.

Politisch seien relativ gute Voraussetzungen für die künftige Entwicklung des Landes gegeben, stellte Magnago fest. Die Landesregierung erwarte sich „mit Recht noch in diesem Jahr die volle Übernahme aller Befugnisse, die dem Land aus dem Paket und dem neuen Autonomiestatut zustehen“.

Der Vertreter der Sozialistischen Partei (PSI) und Präsident des Regionalrates, Silvio Nicolodd, äußerte sich — obwohl Koalitionspartner — dagegen teilweise kritisch gegenüber dem Programm der Landesregierung für das laufende Budgetjahr. Den Sozialisten geht es zu langsam. Sie fordern, daß die 100 Milliarden möglichst „rechtzeitig“ ausgegeben werden, damit sie nicht der Inflation zum Opfer fallen. Der Verwaltungsapparat des Landes konnte allerdings in der kurzen Zeit seit Bestehen der Autonomie nicht voll ausgebaut werden und so kann die Fülle der neuen Aufgaben nicht schnell genug bewältigt werden.

Auch dn der Bozner Stadtverwaltung sind es die Sozialisten, die für Unruhe sorgen. Schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten mit den Koalitionspartnern (Südtiroler Volkspartei und Christdemokraten) bewogen den PSI-Stadtrat Claudio Emeri zurückzutreten. Die Differenzen bezogen sich auf die Bauleitplanung der neuen Entwicklungszonen. Die Sozialistische Partei verficht dabei ein Konzept der nahezu uneingeschränkten Ausdehnung der Stadt Bozen, während etwa die Südtiroler Volkspartei eine genau gelenkte Entwicklung will, die nicht zu einer grenzenlosen Zerstörung des restlichen Kulturlandes durch den Volkswohnbau und zu einer noch stärkeren Italiandsiierung führen soll.

Im großen und ganzen haben die bisher dn Kraft getretenen Durchführungsbestimmungen des Pakets jedoch zu einer fühlbaren Entspannung in Südtirol beigetragen, haben doch schließlich • alle Parteien des Südtiroler Landtages die Verpflichtung übernommen, die im neuen Autonomdestatus vorgesehenen Kompetenzen gemeinsam wahrzunehmen.

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