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Südtirols neue Chance

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Noch vor einem Jahr hätte es kaum jemand für möglich gehalten: aufgrund der Kompromißbereitschaft der Südtiroler Volkspartei scheint ein Ende für das Südtirolpaket in Sicht: eine neue Ära in Südtirol.

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Noch vor einem Jahr hätte es kaum jemand für möglich gehalten: aufgrund der Kompromißbereitschaft der Südtiroler Volkspartei scheint ein Ende für das Südtirolpaket in Sicht: eine neue Ära in Südtirol.

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Die von der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) als verheerend eingeschätzte Südtirol-Resolution des italienischen Parlaments hatte vor einem Jahr die Wende angebahnt und das Jahresende 1987 als Abschlußtermin für den Erlaß der Autonomiebestimmungen genannt. Und tatsächlich beschleunigte die römische Regierung den Gang der Dinge dermaßen, daß es schließlich der SVP zu schnell ging und Silvius Magnago um

Aufschub bitten mußte, weil die Mehrheitspartei der Südtiroler noch nicht entscheidungsfähig ist.

Und während Italien eine recht großzügige Sprachenregelungzur Gleichstellung des Deutschen bei Behörden und Gerichten und eine allgemein als befriedigend empfundene Neuregelung der Autonomiefinanzierung anbot, wich die SVP auf völlig neuen Konfliktstoff aus.

Gesetzlich will sie den Besuch der deutschen beziehungsweise italienischen Schule durch Kinder der je anderen Sprachgruppe durch restriktive Einschreibungsregelungen und Uberprüfungen erschweren, um der „ethnischen Unterwanderung der deutschen Schule“ einen Riegel vorzuschieben, was in weiten Kreisen auch der eigenen Reihen Kritik und Bedenken hervorruft und als überflüssige und übertriebene Volksgruppentrennung abgelehnt wird.

Besonders gefürchtet waren die Forderungen des Dienstag nacht zurückgetretenen Landeshauptmannstellvertreters und SVP-Chefunterhändlers Alfons Benedikter: zum Beispiel Abschaffung der willkürlich geschaffenen italienischen Ortsbezeichnungen (die derzeit gesetzlich neben und eigentlich vor den deutschen Geltung haben) oder neue Spitzfindigkeiten in der Frage der Volksgruppenzugehörigkeit, wo man von der Existenz zweisprachiger oder bikultureller Personen nur mit Horror Kenntnis nimmt.

Ein starker Bremser ist jetzt weg, und der Streit ums Kleingedruckte wird's kaum mehr aufhalten können: einsichtige Kreise in Rom, Bozen und Wien scheinen einvernehmlich zur Uberzeugung gelangt zu sein, daß weitere Verzögerungen und Verhärtungen die Bedingungen für einen Abschluß der internationalen Streitphase ums Südtirol„paket“ nur verschlechtern können und daß durch den sturen Volkstums-kampf der letzten Jahre schon viele Felle davongeschwommen sind.

Die wachsende Autonomiefeindlichkeit der Südtirolitaliener, die sich der Ubermacht der SVP im Lande ausgeliefert sehen, und die Verstimmung der Regierung in Rom über die Doppelbödigkeit einer Forderungspolitik, die Autonomie fordert und gleichzeitig immer wieder den Wunsch nach Loslösung von Italien deutlich durchschimmern läßt, macht Erfolge immer schwieriger.

Daß die SVP, die ja immer allein und unter Ausschluß demokratischer Willensbildung außerhalb der Parteireihen verhandelt hat, nun in Torschlußpanik gerät, kann man gut verstehen. Jahrzehntelang war ihre Wunderwaffe die zähe Salamitaktik beim Verhandeln und die Anrufung Österreichs gewesen. Zukunftsund Autonomiesicherung durch feste und einvernehmliche Gemeinsamkeit unter den Volksgruppen im Lande war dabei immer unter die Räder gekommen.

Das „Paket“ und die auf dessen Grundlage angestrebte Neuordnung Südtirols sollte vor allem Rückverdeutschung des Landes und Eindämmung der italienischen Präsenz erwirken. Dabei ist viel Porzellan zerschlagen worden. Und die römische Regierung hat in der Retourkutsche gezeigt, daß sie der Autonomie immer weniger traut und Prügel in den Weg legt, wo sie nur kann.

Aber nun ist eine Konstellation eingetreten, in der eigentlich trotz gelegentlichen Bombenterrors und der SVP-Angst vor der Zeit nach dem „Pakefabschluß vieles, wenn nicht alles für die Beendigung des internationalen Streites spricht. Österreich will den Konflikt bereinigen und zur Streitbeilegung kommen, was unter einer großen Koalition sicher

(Holzner)

auch leichter über die Bühne geht.

Italien ist zu einer gewissen Anstrengung bereit, wenn dafür das Problem endlich wieder von der zwischenstaatlichen Ebene verschwindet. Und in Südtirol mehren sich, auch in der SVP, die Stimmen, die die „Wunderwaffe“ der Zukunft eher im guten Auskommen zwischen den Volksgruppen im Lande als im ständigen Drohen mit der UNO sehen. „Auch weil keine internationale Instanz ein relevantes Verschulden Italiens feststellen könnte“, wie der Unternehmer Christoph Amonn, Mitglied des SVP-Par-teiausschusses, letzthin sogar öffentlich sagte.

Süvius Magnago, der Vater des Südtirol„pakets“, will angeblich im Herbst nicht mehr für den Landtag kandidieren (es glaubt ihm aber niemand so recht).

Er könnte dadurch vielleicht die Verantwortung für einen „Pakefabschluß leichter auf sich nehmen und etwas von der Verhärtung wieder auslöffeln, die unter seiner Leitung in den letzten zehn Jahren eingebrockt wurde und ein so verbreitetes Abrücken vom „Paket“ und eine Politik des ethnischen Muskelprotzens zuerst auf deutschsprachiger und dann immer mehr auch auf italienischer Seite hervorgerufen hatte.

Jetzt könnte die Chance kommen, eine neue Phase einzuläuten.

Der Autor itt Abgeordneter der alternativen Liste fürs andere Südtirol im Bozener Landtag.

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