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Dietls Marsch durchs Bergland

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Vier Wochen vor dem großen Urnengang erregt der Kampf um die 945 Sitze im romischen Parlament von Tag zu Tag mehr Aufsehen und erfaßt nun auch die Wähler und Wählerinnen in der Provinz. Geht es am 7. Mai in ganz Italien um die Frage, ob auf Grund des Wahlausganges der Regierungskurs links von der Mitte (centro sinistra) fortgesetzt werden kann oder aber eine Umstrukturierung nach der Mitte, nach rechts oder links ausweichen muß, so sind es in den einzelnen Regionen noch Sonderfragen, die vermehrtes Interesse beanspruchen. In der Hauptstadt Südtirols sieht sich die Südtiroler Volkspartei (SVP) als alleinige Vertretung der deutschsprachigen Bevölkerung zum erstenmal ernstlich in Frage gestellt. Eines der fünf Mandate könnte sie am 7. Mai einbüßen.

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Vier Wochen vor dem großen Urnengang erregt der Kampf um die 945 Sitze im romischen Parlament von Tag zu Tag mehr Aufsehen und erfaßt nun auch die Wähler und Wählerinnen in der Provinz. Geht es am 7. Mai in ganz Italien um die Frage, ob auf Grund des Wahlausganges der Regierungskurs links von der Mitte (centro sinistra) fortgesetzt werden kann oder aber eine Umstrukturierung nach der Mitte, nach rechts oder links ausweichen muß, so sind es in den einzelnen Regionen noch Sonderfragen, die vermehrtes Interesse beanspruchen. In der Hauptstadt Südtirols sieht sich die Südtiroler Volkspartei (SVP) als alleinige Vertretung der deutschsprachigen Bevölkerung zum erstenmal ernstlich in Frage gestellt. Eines der fünf Mandate könnte sie am 7. Mai einbüßen.

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25 Jahre lang hat es die Leitung der SVP bei allen bisherigen Urnengängen verstanden, die Südtiroler und Ladiner geschlossen hinter sich zu scharen. Dies war keine Selbstverständlichkeit, sah sich doch die Parteileitung beim Ringen um vermehrte Autonomie nach 1961 auch durch die Kurzschlußhandlungen der Bombenwerfer immer wieder herausgefordert. Ihre große Einheitlichkeit war das Ergebnis einer taktisch geschickten, straffen Führung, seit 1957 unter der Obmannschaft von Silvius Magnago —, ferner eines gut ausgebauten Parteiapparates unter weitgehender Kontrolle über die Massenmedien.

Bei den sechsten Parlamentswahlen der Nachkriegszeit steht nun auch in Südtirol der Wahlausgang nicht mehr in allen Teilen von vornherein fest, steht für das Elektorat mehr als früher auf dem Spiel und verspricht darum der Wahlkampf heftiger denn je geführt zu werden. Grund zu besonderer Aufregung bietet die Kandidatur von Hans Dietl im Senatswahlkreis Brixen-Bozen-Mezzolombardo. Seit 1946 war Dietl einer der Großen der SVP, vertrat jahrelang den harten Flügel, der sich mit „Los von Trient“ für „Los von Rom“ einsetzte und aus dem Wunsch nach einer Wiedereingliederung an Österreich kein Hehl machte. Im römischen Parlament bezog der Abgeordnete Dietl konsequenterweise gegen das neue Autonomiestatut Stellung, schlug die Beschlüsse der SVP in den Wind und wurde im November 1971 aus der Partei ausgeschlossen. Dieser Ausschluß führte zur Gründung des „Wahlverbandes der Unabhängigen“ — einer politischen Bewegung, die mit dem unmißverständlichen Listenzeichen des Tiroler Adlers und der Aufschrift „Tirol“' versucht, die Unzufriedenen in Südtirol um sich zu scharen und für Dietl zu gewinnen.

Nach Dietls eigenen Angaben sind die Erfolgsaussichten für seinen Alleingang eher gering. „Meine größten Chancen wären die Bergbauern und die Jungwähler“; meint er, „doch ohne Parteiapparat, ohne Sprachröhre im Alleingang ist es schwierig oder unmöglich, ihre Stimmen zu gewinnen.“

Die Senatoren werden in Italien lediglich von den mehr als Fünfundzwanzigjährigen gewählt. Die jüngeren Jahrgänge sind aber gerade jene, die mit den Zuständen in Südtirol unzufrieden sind und die das bisherige Vertretungsmonopol der SVP gebrochen sehen möchten.

Typischer Ausdruck des Monopols wäre nach Dietls Ansicht die Tatsache, daß seine Kandidatur im Zentralorgan der SVP, dem Südtiroler Volksboten, bisher totgeschwiegen wurde. Diese Zeitung ist aber weit-herum im Bergland das einzige Blatt, das die Bauern lesen. Wie können sie für Dietl eintreten, wenn sie nicht einmal wissen, daß er außerhalb seiner bisherigen Partei, für eine eigene Bewegung, kandidiert?

Zweifelt Dietl an seiner Chance, die zur Wahl als Senator erforderlichen 40.000 Stimmen zu gewinnen, so sind andere Südtiroler, und nicht nur seine Anhänger, viel zuversichtlicher. Die Zeit für eine zweite Partei der Deutschsprachigen und der Ladiner in Südtirol sei schon längst gekommen. Dietls Integrität stehe außer Zweifel, während die langjährige Landesverwaltung unter der SVP.-Regierung hier und dort im Rufe der Korruption stehe. Die plötzliche Verhaftung des SVP-Kan-didaten Zanon dürfte daher Dietl zugute kommen. In einem Bergland wie Südtirol kann sich überdies ein Alleingänger und Splitterkandidat stets einiger Sympathien erfreuen. Dietl wird zweifellos auch Stimmen von jenen bekommen, die seine Ideen nicht teilen, aber froh sind, endlich mit Auesicht auf Erfolg die — wie sie sagen — „Diktatur der SVP“ sprengen zu können. Ob bei ihren Vorstellungen lediglich der Wunsch der Vater des Gedankens war, wird am 9. Mai feststehen.

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