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Magnagos Erbe?

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Nach der Einigung über das sogenannte Paket, das Sammelsurium der Zugeständnisse Roms an die deutsch- und ladinisch sprechende Volksgruppe in Südtörol zur Wahrung ihnecr Autonomie, äst das Thema des Fernsehempfanges ausländischer Sender die größte Sorge mancher Politiker diesseits und jenseits des Brenners. Von Rechts wegen besitzt die italienische Rundfunk- und Fernsehgesellschaft RAI (radio- televisione italiana) ein staatliches Sendemonopo! doch ist dieses Post-

regal im Zeitalter der Mondflüge und Telstar-Übertragungen aus den USA längst fragwürdig geworden. Die Technik erzwingt sich gleichsam den freien Grenzübertrit! In drei anderen norditalienischen Regionen

— Aostatal, Piemont und Lombardei

— werden französische beziehungsweise schweizerische Fernsehprogramme seit Jahren ohne Behinderung empfangen. Monteceneri hat jenseits der Grenzen zehnmal mehr Zuschauer als in der Schweiz.

Im Oktober 1965 beschloß die Südtiroler Volksparteileitung einstimmig, das Ministerium für Post- und Fernsehwesen in Rom ziu ersuchen, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um den direkten Empfang der deutschsprachigen Fernsehpro gramme benachbarter Staaten in den Tälern der Eisack und der Etsch zu ermöglichen. Bis heute hat der langjährige Obmann der SVP, Doktor Silvius Magnago, keinen Bescheid aus Rom erhalten, doch können zwei Tatbestände als indirekte Antwort betrachtet werden. Seit Februar 1966 strahlt die RAI in Bozen ein zuerst kurzes und jetzt ein eineinhalbstündiges Programm in deutscher Sprache aus. Es kostet Italien jährlich gegen drei Milliarden Lire.

Das hinter der RAI stehende Ministerium tut, als hätte es keine Ahnung, daß geschäftstüchtige Händler für eigene Rechnung auf Bergkuppen in Südtirol Antennenimasten verankern lassen und damit munter wenigstens das österreichische Programm ihren Kunden ins Haus liefern. In einer mißlichen Lage sind die italienischen Instanzen, wenn Rechts extremisten oder Anarchisten diese privaten Femsehverstärkeranlagen beschädigen oder gar zerstören, wie dies vor Monaten auf der Seiseralm geschehen ist. Wen sollten die Carabinieri aufs Korn nehmen? Die Vandalen, die vielleicht verhüten möchten, daß die Südtiroler mit österreichischen, deutschen und schweizerischen TV-Programmen versorgt und überschwemmt werden, oder die Händler und Techniker, die im Vertrauen auf die geschlossenen Augen der italienischen Behörden das lukrative illegale Geschäft betreiben?

Gegenwärtig dient der kleine Fern- sehkrieg in Südtirol den einen und den anderen, Rom, Wien und Innsbruck, nicht minder als kleineren Gruppen von der Art der 48prozen- tigen Minderheit im Parteiausschuß der Südtiroler Volkspartei, um jeweils die Gegenseite unter Druck zu setzen. Rom kann in Sachen TV- Empfang wenigstens ein Auge öffnen, wenn Wien, Innsbruck oder Bozen plötzlich das Paket der Zugeständnisse nicht mehr passen sollte. Nimmt das eigene deutschsprachige Programm der RAI in Bozen eine allzu italienische Färbung an, so dringt Österreich, mehr als bisher und vor wichtigeren Instanzen, im Namen der im Pariser Friedensvertrag 1947 verankerten Autonomierechte auf die Legalisierung der Ausstrahlung seiner Programme in Südtirol. Die Wiederbelebung einer italienischen Integration im deutschsprachigen RAI-Programm könnte Silvius Magnago den Vorsitz in der SVP kosten. Denn längst hat es sich herumgesprochen, daß seine Frau bei der Gestaltung der Programme ein wichtiges Wort mitredet und entsprechende Honorare bezieht. Ein weniger kalter, gar ein heißer Fem- sehkrieg südlich des Brenners könnte aus der großen Minderheit um Dietls 48 Prozent eine kleine Mehrheit machen.

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