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Brückenkopf zu Italien

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Wenn man überlegt, daß das Volumen des Warenaustausches zwischen Italien und Osterreich heute (letzte genaue Daten 1985) im Export 3.293 Milliarden Lire (32 Milliarden Schilling), im Import 3.084 Milliarden Lire (30,8 Milliarden Schilling) beträgt und ständig im Steigen begriffen ist, wird man kaum glauben können, daß der Warenaustausch gleich nach dem Kriege fast null war und daß nur ein Sonderabkommen zwischen Rom und Wien, das 1946 in Paris geschlossen worden war, eine klei-

ne, enge Tür zwischen Süd- und Nordtirol (Trentino imd Vorarlberg) offen ließ.

Aber gerade diese Tür, das Abkommen für den erleichterten Warenaustausch zwischen Trenti-no-Südtirol auf der einen, Tirol und Vorarlberg auf der anderen Seite, konnte ständig erweitert werden.

Länder mit so unterschiedlicher klimatischer Beschaffenheit konnten vor allem im landwirtschaftlichen Bereich eine gute Ergänzung ihrer Produktion finden. In Südtirol wachsen Obst und Wein, die es in Nordtirol kaum gibt; Nordtirol ist im Bereich der Viehwirtschaft und der damit zusammenhängenden Produktion sowie im Forstbereich führend.

Wenn man heute die Warenstruktur der Exporte Südtirols betrachtet, fällt auf, daß rund 42 Prozent der Exporte auf das Konto der landwirtschaftlichen Rohstoffe und Verarbeitungsprodukte gehen. Südtirols Landwirtschaft war von jeher stark exportorientiert.

Die Südtiroler Obstwirtschaft exportierte in der statistisch erfaßten letzten Absatzkampagne (August 1984 bis Juli 1985) 242.000 Tonnen Obst (40 Prozent der Ernte 1984) und rund 300.000 HektoU-ter Wein (rund die Hälfte der Qualitätsweinproduktion).

1985 war Südtirol an den ge-

samtitalienischen Exporten nach Osterreich mit rund 60 Milliarden Lire (600 Millionen Schilling), an den Importen aus Österreich mit rund 130 Milliarden Lire (1,3 Milliarden Schilling) beteiligt. Wenn man bedenkt, daß Südtirol im Jahre 1985 insgesamt Ausfuhren von rund 840 Milliarden Lire (8,4 Milliarden Schilling) und Einfuhren von 1037 Milliarden Lire (10,37 Milliarden Schilling) aufwies, ergibt sich, daß Osterreich mit rund 7 Prozent an der Gesamtausfuhr Südtirols und mit rund 12 Prozent an der Gesamteinfuhr Südtirols beteiligt war.

Die Warenstruktur Südtirols im Export sieht etwa so aus: genießbare Früchte (Obst), Getränke (vor allem Wein), Holz- und Holzwaren, Gemüse und Pflanzen, Maschinen, Apparate, Eisen und Stahl, Möbel. Im Import ergibt sich folgende Reihung: Holz, Holzwaren, lebende Tiere, Maschinen und Geräte, Milcherzeugnisse, Kunststoffe und Waren daraus. Südtirol hat ein stark entwickeltes Handwerk. Weniger stark ist hingegen Südtirols Export von Industrieprodukten, weil das Land hier in technologischer Hinsicht nicht so fortgeschritten ist wie Nordtirol.

Selbstverständlich findet sich, was in den gesamtösterreichischen Export- und Importbeziehungen zu Südtirol auftritt, auch in den engeren Wirtschaftsbeziehungen zwischen Süd- und Nord(Ost)tirol. Ein Vorteil kommt durch das 1949 geschlossene Vorzugsabkommen „Accordi-no“ hinzu: Vielen Südtiroler Produkten wurde in Tirol und Vorarlberg eine Sonderposition gegenüber anderen ausländischen Erzeugnissen eingeräumt, und umgekehrt Tiroler und Vorarlberger Erzeugnissen in Südtirol und im Trentino.

Es gibt einen Bereich, in dem einander Tirol und Südtirol starke Konkurrenz machen: der Fremdenverkehr, die Werbung um den ausländischen Gast. Hier muß man neidlos zugeben, daß Nordtirol - auch weil seine Kontinuität der Fremdenverkehrsentwick-

lung nicht wie in Südtirol durch die faschistische Periode unterbrochen wurde — eine längere und stärker verwurzelte Tradition aufweist, die sich auch in einer höheren Kapazität und in besseren internationalen Verzweigungen seiner Gästestruktur äußert. Südtirol holt vor allem in der Qualität auf. Es war bisher ein aufgrund institutioneller Schwierigkeiten erfolgloses Unterfangen, ganz Tirol auf den Uberseemärkten gemeinsam zu „verkaufen“ . Soweit ist die wirtschaftliche Integration noch nicht fortgeschritten. Aber sollte Osterreich einmal Vollmitglied der EG werden, dann ist ein solches Tiroler Glolaalangebot nicht mehr von der Hand zu weisen.

Insgesamt kann man sagen, daß es zwischen der Wirtschaft Südtirols und des Bundeslandes Tirol gesunde, dynamische und unvoreingenommene Beziehungen gibt, die wohl noch ausbaufähig sind -insbesondere was die „Brückenkopffunktion“ Südtirols für Österreichs Handel mit Italien betrifft —, aber immerhin in den vergangenen Jahrzehnten sehr wesentlich zum beiderseitigen Wohlstand, zum guten Verständnis zwischen den Menschen und zum Aufbau einer sehr guten Nachbarschaft geführt haben.

Der Autor ist Präsident der Handelskammer Bozen.

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