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Das Herz von Südtirol

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Von jeher war Südtirol ein ausgesprochenes Bauernland. Der italienische Agrarkataster bezeichnet den bäuerlichen Besitz im Ausmaß von 5 bis 50 Hektar als typisch in der Provinz Bozen. Der italienische Wissenschaftler Elvio Borioli bezeichnet in seinem Buch „L’Italianitä dell’Alto Adige” Südtirol als das klassische Land der kleineren und mittleren Bauerngüter mit einem gesunden und fleißigen Bauernstand.

Der land- und forstwirtschaftliche Besitz in Südtirol umfaßt gut 42 Prozent aller Erwerbstätigen und rund 30 Prozent des Gesamteinkommens. Laut einer Statistik aus dem Jahre 1953 verteilte sich die Gesamtfläche der Provinz Bozen im Ausmaß von 740.045 Hektar auf Ödland mit 110.000 Hektar oder 14,9 Prozent der Gesamtfläche, auf Äcker entfielen 32.850 Hektar oder 5,2 Prozent, auf Wiesen 48.250 Hektar oder 7,6 Prozent, auf Bergmähder (Almen) 26.900 Hektar oder 4,3 Prozent, auf Weiden 185.550 Hektar oder 29,5 Prozent, auf Reben 6500 Hektar oder 1 Prozent, auf Obst 11.500 Hektar oder 1,8 Prozent, auf Wald 297.050 Hektar oder 47,2 Prozent und schließlich verschiedene Baumkulturen und ungenutzte Grundflächen 21.300 Hektar oder 3,4 Prozent; die land- und forstwirtschaftlich genutzte Fläche beträgt daher in der Provinz insgesamt 630.000 Hektar.

Deutscher und italienischer Besitz

Entscheidend sind die Besitzverhältnisse an diesen Flächen. Nach der Regionalstatistik 1954 betrug der Besitz in deutscher Hand 2330 Hektar oder 53 Prozent, der italienische Privatbesitz 910 Hektar oder 19 Prozent. Ein Teil des landwirtschaftlich genutzten Grundes befindet sich noch in Händen des „Ente” (Kriegsteilnehmerverband), konnte aber bereits zum großen Teil wieder von den Deutschen zurückerworben werden. Das Südtiroler

MKHWflv.SchatauiWfc. !! r£Äpdfc mehr als die Hallte des verlorenen Bodens wieder zurückgewinnen. Beim Häuserbesitz verringert sich das Verhältnis auf rund ein Drittel. Lediglich zwei Fünftel blieben in italienischem Besitz, während drei Fünftel von den Deutschen zurückerworben wurden. Abgesehen von den Erwerbungen durch Industriekonzerne (Montecatiniwerke) herrscht der italienische Besitz nur dort vor. wo die Nähe der Städte in engere Beziehung zum reinen Landbesitz tritt, während in Gegenden von rein bäuerlichem Charakter der deutsche Grundbesitz vorherrscht. Im Vintschgau und im Passeier sowie in sehr großen Teilen des Pustertales verblieben keine 10 Prozent in italienischer Hand, zwischen Bozen und Meran im mittleren Etschland zwischen 20 und 40 Prozent, während im Bozener Unterland (von Bozen südwärts, wo die Sprachengrenze bei Sa- lurn immer näher rückt) mehr als 80 Prozent des Grundbesitzes in italienischer Hand verblieben. Das ist einesteils klimatisch zu erklären, da diese Gegenden wärmeT sind und den italienischen Siedlern daher heimatlicher pnmuten. Je weiter aber sich das Land der Gebirgs- und insbesondere der Hochgebirgsgeeend nähert, um so kleiner wird der Prozentsatz der italienischen Siedler. Immerhin kann der deutsche Anteil am Grundbesitz auf gut 97 Prozent des gesamten Privatbesitzes geschätzt werden. Sogar in den 26 Gemeinden der Gerichtsbezirke Bozen, Kaltem und Neumarkt erreichte der italienische Anteil am Grundbesitz laut Statistiken aus dem Jahre 1955 knappe 3,7 Prozent, obwohl diese Gebiete dem italienisch besiedelten Trentino am nächsten lie- een. Während es in Margreid den Italienern gelang, ihr Eigentum beträchtlich zu erhöhen (teils schon 1914), liegen die Verhältnisse im gegenüberliegenden Salurn, also hart an der Sprachgrenze trotz italienischer Bevölkerungsmehrheit anders; dort sind noch mehr als drei Viertel des Grundbesitzes in deutschen Händen.

25 Jahre ohne Höferecht

Im Sommer 1929 hatte die faschistische Regierung das alte Höferecht aufgehoben, im Bestreben, das Rückgrat der deutschen Bevölkerung durch Zertrümmerung des starken Bauernstandes zu brechen. Vorbild dazu waren die Verhältnisse im benachbarten Trentino, wo durch fortgesetzte Erbteilungen der Besitz von Generation zu Generation verkleinert wurde. Im Jahre 1954 gelang es endlich, diese Zersplitterung durch Wiedereinführung, des Höferechtes wieder aufzuhalten.

Im Jahre 1929 wurde das Höferecht für 11.941 bäuerliche Wirtschaften oder 44,1 Prozent sämtlicher bäuerlicher Betriebe angewendet. Die Verteilung des Höferechtes nach den einzelnen Tälern ist sehr verschieden. Im Passeier sind mehr als 80 Prozent des Besitzes in das Höferecht einbezogen, im Eisack- und Rienzgebiet sind es 60 bis 70 Prozent. In den „höferechtslosen Jahren” erlitt der bäuerliche Besitz durch Zersplitterung einen Rückschlag, der auch heute noch nicht ganz ausgeglichen werden konnte.

Immerhin kann heute gesagt werden, daß durch die Wiedereinführung des Höferechtes eine stabile Grundlage für die Fortführung eines gesunden Bauernstandes, hauptsächlich im mittleren Besitz, gegeben ist, die auch durch die Landesförderung gesichert erscheint. Vor allem hat die Wiedereinführung des Höferechtes der Zersplitterung des Besitzes durch Familienzwistigkeiten einen Riegel vorgeschoben. In den 25 Jahren, in denen es kein Höferecht gab, wurden fast 25 Prozent aller Höfe merldifh geschwächt, Prozent wurdet . überhaupt gelöscht und1 20 Fro- flftfeildurMb Miteigentumsrechte zur TAlilng” Teifgemacht.

In der Südtiroler Landwirtschaft ist der größte Teil Eigenbesitz mit un eingeschränktem Eigentumsrecht, und zwar zu 83,6 Prozent oder 94,9 Prozent des Besitzes; Pachtbesitz sind 8,4 Prozent oder 2,7 Prozent des Landes, Teilpacht sind 0,8 Prozent oder 0,4 Prozent des Gesamtbesitzes, und durch Mischformen werden 7,2 Prozent bewirtschaftet.

Der Rückgang der Wahlplünderung

Einer Statistik der Bozener Sparkasse entnehmen wir eine Aufstellung der Waldflächen, wobei bemerkt wird, daß von der Gesamtfläche von 296.970 Hektar Eigentum des Staates 0,17 Prozent, der Region Südtirol-Trentino 1,57 Prozent, der Gemeinden 32,26 Prozent, von Körperschaften 0,53 Prozent, der Kirche 1,67 Prozent und von Privaten und sogenannten Interessent- schaften 63,80 Prozent des Waldbesitzes sind.

Von den insgesamt 296.970 Hektar Wald in Südtirol sind 279.836 Hektar

Hochwald, 3766 Hektar Wald mit gemischten Beständen und 13.368 Hektar Niederwald. Davon wurden geschlägert in den Jahren 1951 52 Nutzholz 420.078 Kubikmeter und 838.168 Zentner Brennholz. Diese Schlägerungen sind jährlich sehr verschieden und gehen allgemein zurück, was im Hinblick auf die Schonung der Wälder sehr zu begrüßen ist. Der „Grüne Plan” ist also auch in Südtirol praktisch durchgeführt. In den Jahren 1957 58 betrug die Schlägerung an Nutzholz nur noch 331.598 Kubikmeter und 663.019 Zentner Brennholz, und in den Jahren 1958 59 ging diese Zahl noch weiter zurück, und zwar auf 306.500 Kubikmeter Nutzholz und 118.500 Kubikmeter Brennholz.

Die Erhaltung des Waldes ist eine der ersten Aufgaben des deutschen Bauernwesens in Südtirol, und dessen Stärke, da nur ein gesunder und geschonter Wald einen kräftigen Bauernstand garantieren kann.

Rinderzucht im Aufstieg

An zweiter Stelle rangiert bei den Holz- und Viehbauern die Rinderhaltung. Auch hier kann eine erfreuliche Aufwärtsbewegung festgestellt werden. Während im Jahre 1910 die Anzahl der Rinder noch 115.747 betrug, stieg die Zahl im Jahre 1930 auf 118.004, erhöhte sich im Jahre 1953 auf 119.380 und dürfte heute bereits bei 130.000 liegen. Hingegen ist die Aufzucht von Mastochsen durch die Grenzziehung (Verlust des wichtigsten Absatzgebietes Niederösterreichs.’) unrentabel geworden. Hingegen ist die Milchwirtschaft durch die gut organisierten Molkereigenossenschaften in ständigem Ansteigen. So wurden im Jahre 1953 bei den größten Molkereigenossenschaften Algund 900.000 Liter angeliefert, Marling 750.000 Liter, Rabland bei Partschins 510.000 Liter. Der Milchhof von Meran wird jährlich mit rund drei Millionen Liter beliefert. Das Herzstück: Obst- und Weinbau

Die’”-beiden anderen Zweige der Südtiroler Landwirtschaft sind der Obst- und Weinbau.

An Äpfeln wurden produziert im Jahre 1958 2,621.500 Zentner auf einer Anbaufläche von 11.635 Hektar. Dies weist sohin eine Steigerung gegen 1928 um 887,1 Prozent auf. Im Jahre 1959 sank die Produktionszahl auf 1,848.800 Zentner auf einer Anbaufläche von 11.754 Hektar. Immerhin ist noch eine Erhöhung gegen 1928 um 596,1 Prozent zu verzeichnen.

Noch weiter zurückgegangen ist die Produktion an Birnen, die 1958 600.200 Zentner auf 9820 Hektar (gegenüber 1928 eine Erhöhung von 510,5 Prozent) betrug, während sie im Jahre 1959 209.600 Zentner auf derselben Anbaufläche betrug und nur noch eine Steigerung gegenüber 1928 um 113,2 Prozent aufweist. Hingegen stiegen die Aprikosen von 16.700 Zentner und einer Anbaufläche von 692 Hektar im Jahre 1958 auf 16.840 Zentner bei derselben Anbaufläche im Jahre 1959, was eine Steigerung gegenüber 1928 um 194,7 Prozent bedeutet.

Eines der bedeutendsten Südtiroler Produkte ist der Wein. Im Jahre 1958 wurden insgesamt 543.000 Hektoliter auf einer Anbaufläche von 7765 Hektar erzeugt (Steigerung gegenüber 1928 200,1 Prozent), und im Jahre 1959 betrug die Produktion 568.780 Hektoliter bei der geringen Anbaufläche von 7749 Hektar (Steigerung gegenüber 1958 214,3 Prozent).

Man sieht aus diesen nüchternen statistischen Daten, daß Südtirol ein in sich gefestigtes Bauernland ist, das nur durch einen starken und gesunden Bauernstand erhalten werden kann. Das ist wohl auch mit einer der Gründe, warum sich Rom so hartnäckig weigert, dem Lande die volle Autonomie zu geben, weil dadurch ein Großteil der jetzt nach Rom abfließenden Steuern im Lande bleiben würde.

Die eben tagende gemischte Studienkommission, bei der allerdings die Tiroler mit nur sieben Mitgliedern gegenüber elf Italienern in der Minderheit sind, böte nun Gelegenheit, den guten Willen Italiens zu zeigen, die bestehenden Differenzen zu klären und den Tirolern jenes Recht zu geben, das ihnen auf Grund ihres Volkstums, ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihrer Volkswirtschaft zusteht.

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