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Tirols Bilanz von 1962

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Auch in Tirol nahm begreiflicherweise die Nationalratswahl unter den bedeutsamen Vorkommnissen des nun zu Ende gehenden Jahres den ihr gebührenden Platz ein. Das sehr zufriedenstellende Ergebnis der kurz vorher stattgefundenen Gemeinderatswahl in der Landeshauptstadt Innsbruck, das der ÖVP die absolute Mehrheit im Gemeinderat sicherte, berechtigte zu den besten Erwartungen auch hinsichtlich der Nationalratswahl. Das in das österreichische Volk gesetzte Vertrauen hinsichtlich eines richtigen Urteilsvermögens wurde nicht enttäuscht. Das Resultat der Nationalratswahl fordert die weitere Zusammenarbeit der beiden großen Parteien, wobei jedoch die Führung eindeutig der ÖVP zuzufallen hat. Eine unmittelbare Auswirkung des Wahlergebnisses war auch eine sich sofort zeigende erhöhte Sparfreudigkeit. In Tirol selbst konnte die ÖVP von elf zu vergebenden Mandaten sieben für sich erringen.

Schwerpunkt Fremdenverkehr

1962 war wiederum ein Rekordjahr des Fremdenverkehrs. Allein in einem Monat, nämlich im August, wurden fast vier Millionen Aus-ländernächtigungen verzeichnet, und die Sommersaison vom Mai bis August ergab 9,5 Millionen Fremdennächtigungen. Um die Bedeutung dieser Zahlen zu erkennen, muß man die gesamtösterreichischen Ergebnisse betrachten: rund 30 Millionen Ausländernächtigungen im Jahre 1961. Tirol verfügt aber auch als einziges Bundesland Österreichs über eine stark frequentierte Wintersaison und buchte im Winter 1961/62 nahezu vier Millionen Fremdennächtigungen. Der Fremdenverkehr hat in unserem Land eine Ausstrahlung bis in die kleinsten Seitentäler und stellt auch für die Zukunft eine beachtliche Hilfe für notleidende Bauernbetriebe dar. Um auch eine gesetzlich klare Basis für diese zusätzliche Tätigkeit der Landwirtschaftsbetriebe zu schaffen, wurde über Betreiben der bäuerlichen Abgeordneten zum Tiroler Landtag ein eigenes Privatzimmervermietungsgesetz geschaffen- l I \

Auf Grund eines bereits früher beschlossenen landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes werden die entsiedlungsgefährdeten Gebiete in unserem Lande erfaßt und besondere Förderungsmaßnahmen zur Verhinderung der Entsiedlung durchgeführt. Die landwirtschaftlichen Berufsschulen erfassen Jahr für Jahr rund 3000 Schüler und Schülerinnen, und in den landwirtschaftlichen Lehranstalten beträgt die Schülerzahl jährlich etwa 600 Burschen und Mädchen. Es ist im Rahmen dieser kurzen Abhandlung unmöglich, alle Förderungsmaßnahmen für die Landwirtschaft aufzuzählen, wozu Alpverbesserungen, Meliorationen, der Güterweg- und Siedlungswasserbau ebenso wie der Anschluß entlegener Bergbauernhöfe an das Stromnetz und die Errichtung von Seilwegen sowie die Rinder-Tbc- und Bang-bekämpfungsaktion gehören. Eines steht fest, die Landwirtschaft kam in Tirol in diesem Jahr nicht zu kurz und ihr wird auch weiterhin Landtag und Landesregierung besondere Aufmerksamkeit zollen.

Das Wasser ist geblieben

Am 12. September 1962 fand im Rahmen des Kaunertalkraftwerkbaues, dem größten Bauvorhaben Tirols mit rund 3000 Beschäftigten, der Stollendurchschlag statt und rückte damit die Energiewirtschaft wieder besonders in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Dieses Kraftwerk wird voraussichtlich im Herbst 1964 den Teilbetrieb und im Frühsommer 1966 bei einer Regeljahrerzeugung von rund 600 Millionen Kilowattstunden den Vollbetrieb aufnehmen. Die enorme Größe dieses Bauwerkes kann aus der Tatsache erkannt werden, daß der dazugehörige Gepatschspeicher einen Inhalt von rund 140 Millionen Kubikmetern aufweist. Vom Bergsegen, der im Mittelalter Tirol reich gemacht hat, sind, abgesehen von Stein-, Magnesit- und Mergelvorkommen, eigentlich nur die ausbaufähigen Wasserkräfte geblieben, die aber immerhin bei einem Vollausbau rund acht Milliarden Kilowattstunden ergeben, wobei das realisierbare Nahziel für die nächsten Jahre eine Ausbauleistung von drei Milliarden Kilowattstunden darstellt.

Die gewerbliche Wirtschaft beschäftigt in Tirol rund 100.000 Menschen. Sowohl die Industrie als auch das Gewerbe konnten in diesem Jahr im allgemeinen den Produktionswert halten, wenn auch in manchen Betrieben infolge des verminderten Exports bereits Produktionseinschränkungen notwendig wurden. Hier werden also in den kommenden Jahren noch heikle Probleme zu lösen sein, und es ist nur zu hoffen, daß die Anpassung an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gelingt, sei es in Form einer Assoziierung oder auf andere Weise, und der. Produktionsumfang gehalten und wenn möglich gesteigert werden kann. Die jährliche Export-; leistung der Tiroler Industrie liegt bei einer Milliarde Schilling, die des Gewerbes bei 70 Millionen Schilling. Vergleichsweise möchte ich festhalten, daß der Fremdenverkehr schon im vergangenen Jahr einen Devisenertrag von rund drei Milliarden Schilling aufgewiesen hat und daß das diesjährige Ergebnis noch höher liegen wird.

Die Grundsteinlegung der Felbertauernstraße am 26. März war der große Tag für Osttirol. Die wintersicheren Alpenübergänge Brenner und Katschberg sind ungefähr 156 Kilometer voneinander entfernt. Dieser lange Teil des Alpenhauptkammes wird nun in der Mitte durchstoßen werden. Dies bedeutet die so notwendige bessere Straßenverbindung zwischen Osttirol und der Landeshauptstadt Innsbruck wie auch eine Verbesserung der Zufahrtsmöglichkeiten zu den Kärntner Seen und eine Hebung des Wertes der Straßen über den Gerlospaß und den Paß Thum.

Der Schritt ins kommende Jahr steht im Zeichen der bevorstehenden Feierlichkeiten aus Anlaß der 600jährigen Zugehörigkeit Tirols zu

Österreich. Das Gesicht der Landeshauptstadt Innsbruck allerdings wird in diesen Jahren vor allem durch die bevorstehenden IX. Olympischen Winterspiele 1964 geprägt. Zahlreiche Bauten von bleibendem Wert werden entstehen. Es ist nur zu wünschen, daß nach der Zeit einer geradezu hektischen Bautätigkeit diese nicht zu plötzlich und zu radikal eingeschränkt wird. Das Land Tirol erwartet das kommende Jahr jedenfalls mit größter Zuversicht.

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