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Bodenreform im Burgenland?

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Die Frage der Verteilung von Grund und Boden liegt im Burgenland ungünstiger als in den übrigen Bundesländern, und zwar als Folge einer jahrhundertealten besonderen Entwicklung. Während sich der Großgrundbesitz unter dem Zwang des Fideikommißbandes zumeist in seinem ursprünglichen Umfang erhalten hat, wurde das Bauernland nach einer seit altersher streng beachteten Gepflogenheit — bei jedem Erbgang jeden Besitz, ja jedes einzelne Grundstück in ebenso viele Teile Zu zerteilen, als Erben vorhanden sind — in ganz unwirtschaftlicher Weise zersplittert. Dazu kommt, daß der Burgenländer in seinen Wohnungsansprüchen ungemein bescheiden ist und der Neubau eines Gebäudes daher nur verhältnismäßig geringe Kosten verursacht, was die Gründung neuer Haushalte erleichtert.

Die Folge ist, daß nur 83 Betriebe des Burgenlandes mehr als je 200 Hektar, hingegen 26.351 Betriebe (das sind rund 60 Prozent aller 44.263 Betriebe) weniger als 5 Hektar umfassen, also nicht in der Lage sind, der Besitzerfamilie das zum Leben Nötige zu liefern. Der mittelgroße, 20 bis 50 Hektar umfassende Bauernhof tritt im Burgenland mit 796 Betrieben, das ist weniger als 2 Prozent sämtlicher Betriebe, ganz in den Hintergrund. (Im landwirtschaftlichen Musterland Oberösterreich fallen fast 18 Prozent aller Betriebe in diese Gruppe!) In der Gemeinde Deutschkreutz -. B. gibt es außer dem Besitz Esterhäzy nur 53 Bauern, die mehr als 4 Hektar besitzen und 243 mit 1 bis 4 Hektar und 507 mit weniger als einem Hektar, im ganzen 7809 Einzeigrundstücke. Im Zuge einer Grundstückzusammen-Icgung im Jahre 195 5 wurde zwar die Zahl der Parzellen um etwa 40 Prozent verringert. Seit dieser Zeit wurden aber wieder 20 Grundstücke zwischen den Erben aufgeteilt!

Es wäre nach all dem Gesagten nun naheliegend, einfach den Besitz der „Großen“ an die „Kleinen“ aufzuteilen. Der erstere umfaßt — immer nach den Angaben des österreichischen Statistischen Zentralamtes auf Grund der Betriebszählung des Jahres 1951 —, auch wenn wir den Besitz der 69 Eigentümer von 100 bis 200 Hektar hinzurechnen, 12.965 Hektar Felder, 2652 Hektar Wiesen (von denen wegen der Trockenheit nur die Hälfte einmal des Jahres gemäht werden kann), 6856 Hektar nahezu ertraglose Hutweiden, 39 Hektar Weingärten, 33 5 Hektar Gärten und anderes landwirtschaftlich genutztes Land, ferner 25.973 Hektar Wälder, 3756 Hektar Gewässer und 2299 Hektar unproduktive Fläche. Bei einer gleichmäßigen Aufteilung der Felder auf die Kleinbauern käme slso auf jeden Betrieb unter 5 Hektar nur eine Fläche von 4921 Geviertmeter Ackerland!

Nun kann aber in Ansehung der vielfachen wirtschaftlichen Bedeutung eines gutgeführten Großbesitzes (als Arbeitgeber, Beispiel, Zuchtstätte und Verwerter der vorhandenen Gebäude und Einrichtungen) von einer gänzlichen Aufteilung keine Rede sein, wohl aber von einer ins Gewicht fallenden Abtretung gewisser für den Betrieb des Stammbesitzes weniger wichtigen, vor allem auch der schon bisher verpachteten Grundstücke.

Solche Umschichtungen in den Eigentumsverhältnissen haben sich in den letzten Jahren — meist ohne Zutun Dritter — ohnedies schon vollzogen, weitere werden in der nächsten Zeit folgen.

Bei vorurteilsloser Ueberlegung kommt man also zur Ueberzeugung, daß bei dieser Sachlage eine „Bodenreform“ auf gesetzlicher Grundlage gar nicht notwendig ist. Sie würde nur „oben“ Beunruhigung schaffen, „unten“ aber unerfüllbare Hoffnungen wecken.

Wichtig dagegen wäre, daß einerseits — und dazu ist die Mitwirkung öffentlicher Stellen unentbehrlich — das wenige zur Verfügung stehende Land nicht in zahllosen Splitterparzellen an viele Kleinstbesitzer verzettelt wird, denen damit nicht geholfen wäre, anderseits, daß jeder Wettbewerb durch Bauern, die ohnedies „haben“ oder die nur auf Verdienste in den Jahren der Besetzung hinzuweisen in der Lage sind, ausgeschlossen wird.

Eine „gesetzliche“ Bodenreform würde dagegen nicht nur Sorge für die „Größeren“ bringen, sondern auch an dem Glauben an die Unverletzlichkeit des Eigentums nagen, der ja immer die erste Voraussetzung für jede geordnete und nachhaltige Wirtschaftsführung ist und

In der Gemeinde Deutschkreutz, die als kennzeichnendes Beispiel dienen kann, wohnen 38 52 Menschen in 1041 Wohnungen in 785 Häusern: 25 Wohnungen bestehen aus einer halben Wohnungseinheit (mit einem Ausmaß von weniger als 15 Quadratmeter!), 482 aus einer diese Grenze überschreitenden Einheit, 463 aus l'A bis 2, 64 aus 2% bis 3 und nur 7 aus mehreren Wohnungseinheiten.

bleiben muß: ganz gleichgültig, ob es sich um das Eigentum eines „Kleinen“ oder um das „des Fürsten“ handelt! In dieser Hinsicht freilich gehen die Ansichten merkwürdig auseinander: „Der Fürst“, so heißt es auf Seite 7 der Sondernummer 1 der Zeitschrift „Burgenländisches Leben“, „bildet an sich einen Machtfaktor, der durch sein bloßes Vorhandensein eine demokratische Gereiztheit hervorrief, und es könnte nur eine weitere Verbitterung entstehen, wenn die Forderung nach einer Bodenreform durch eine noch so gichtige anderweitige Lösung zunichte gemacht würde, wenn etwa die mächtige Stärke des einzelnen durch die teilweise Umwandlung des Großgrundbesitzes in einen Industriebesitz nur verlagert werden und keine Auflösung der mit dem Besitz verbundenen wirtschaftlichen Macht erreicht werden würde.“

Jeder durch eine „kalte“ Bodenreform erreichten Aufstockung der kleinsten Betriebe muß aber der dauernde Erfolg versagt bleiben, wenn der Betrieb schon beim nächsten Erbgang wieder zersplittert und in Zwergbetriebe zerlegt wird!

Wenn es also nach dem eben Gesagten auch nicht möglich ist, die unbefriedigenden Besitz-\erhältnisse des Burgenlandes durch eine umfassende Bodenreform zu verbessern, so können doch andere Mittel gefunden werden, um die Einkommensverhältnisse und damit die Lebenshaltung der kleinen Bauern zu verbessern und zugleich die Leistungen der Landwirtschaft zu steigern. Solche Maßnahmen sind u. a.:

1. Einschneidende Verringerung der Splittergrundstücke durch eine Grundstückzusammenlegung.

2. Auflockerung der viel zu großen, meist yiele Kilometer voneinander entfernt liegenden Dörfer.

3. Umwandlung der nahezu ertraglosen Hutweiden und einmähdigen Wiesen (im Gesamtausmaß von 13.449 bzw. 9846 Hektar) in Felder.

4. Verbesserung der unzulänglichen Versorgung der Kulturpflanzen mit Wasser sowie Kultivierung der wegen des hohen Salzgehaltes fast unproduktiven Oedflächen.

5. Untersagung der Zersplitterung der Kleinbetriebe bei Erbgängen. (Besser als ein gesetzlicher Eingriff wäre natürlich ein freiwilliges Abgehen von der alten Gepflogenheit.)

6. Förderung der Intensivkulturen sowie des Futterbaues als erste Voraussetzung für die Steigerung der Milchleistung der Kühe, ferner der gemeinsamen Verwendung von Landmaschinen, die der kleine Bauer allein sich niemals anschaffen und auch ausnützen kann.

7. Ausbau des fachlichen Ausbildungs- und Beratungswesens.

8. Ansiedelung kleiner, aber krisenfester gewerblicher und industrieller Betriebe in den übervölkerten Gemeinden.

Noehmals: Die Lage des burgenländischen Kleinbauern ist heute ausgesprochen kärglich. Von einer Bodenreform durch Aufteilung des größeren Besitzes ist kein durchschlagender Erfolg zu erwarten. Es bestehen jedoch andere Möglichkeiten, den Zustand wesentlich zu verbessern. Es sollte kein Mittel unversucht bleiben, diese Wege zu gehen, sowohl aus sozialen Erwägungen heraus als auch im Interesse einer Leistungssteigerung, für die viele günstige Voraussetzungen bestehen.

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