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Die Bodenreform im Burgenland

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Wenn im Bundesland Burgenland die Struktur der Bodenbesitzer einer näheren Untersuchung unterzogen wird, so müssen andere geschichtliche und soziologische Maß-Stäbe angelegt werden als es in den übrigen alpenländischen Teilen Österreichs der Fall ist. Das Burgenland gehörte bis 1921 zur ungarisdien Krone, wenn auch gewiss* Zeit-absdinitte die verwaltungsmäßige Zugehörigkeit der Landschaft einem Wechsel zwischen Österreich und Ungarn unterworfen hatten. Im wesentlichen können die von Österreich redit verschiedenen sozialen Verhältnisse für die Entwicklung des Bodenbesitzes als ausschlaggebend angesehen werden. Das Gebiet des heutigen Burgenlandes bildeten große Teile der ungarischen Gespanschaften Wieselburg, ödenburg und Eisenburg sowie einen Zipfel des Komitates Preßburg. Diese Landstriche wurden von den ungarischen Königen, den Arpaden und Anjous, Grenzgrafen übergeben. Die Gesdilechter der Grafen von Güs-sing, der Kani/sai, der Chorna usw. sind in den Stürmen der kamp freichen Gesdrchte dieses Grenzlandes untergegangen. Das gleiche Los teilten die deutschen Geschlechter der Grafen von Forchtenstein, der Baumgartner, der Weispriach. An ihre Stelle traten zum Teil noch heute bestehende ungarische Magnatcngeschlechter. Besonders im Nord-und Mittelburgenland hat eine ungesunde Bodenbesitzverteilung dahin geführt, daß diese Gebiete bis 1938 eie überdurchschnittliche Auswanderung nach Übersee hatten; die im Lande verbliebene bodenarme Bevölkerung suchte sich als Wanderarbeiter ihren Lebensunterhalt. Im Burgenland dehnen sich gewaltige Forste und weite Ackerflächen oft über drei bis vier Dörfer dahin. Nach der letzten Betriebszählung des österreichischen Statistischen Zentralamtes vom Jahre 1939 sind von insgesamt 30 1.1 43 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche des Burgenlandes, 31.2 56 ha Fideikommisse und Großgrundbesitze, deren Umfang zwischen 500 ha und 2000 ha schwankt. Dazu kommen 40.643 ha F o r s t f 1 ä c h e, sowie 16.150 ha nichtkultivierbare Weide-flädien und Röhricht (Neusiedler und Ziksee). Eine nähere Betrachtung letzterer Liegenschaften erübrigt sich, da für Forst-und Seewirtschaft eine Aufteilung von Natur aus nicht in Frage kommt und von den Interessenten auch kaum gewünscht wird.

Vorschläge, die im burgenländischen Landtag eingebracht wurden, reichen, entsprechend ihrer politischen Herkunft, von der entschädigungslosen Expropriation und restlosen Parzellierung über Vergenossenschaftlichung bis zur Verstaatlichung. Welche Lösung wohl auch durchdringen mag, das Problem der Bodenreform soll tu keinem Politikum werden, da in diesem Falle Folgen eintreten würden, die vom Standpunkt der heute so eminent wichtigen Selbstversorgung Österreichs mit Getreide von größtem Nachteil wären. Abgesehen davon, daß eine entschädigungslose Expropriation immer mit dem Stigma der Gewalt behaftet bleibt, soll eine vernünftige Reform die Aufteilung dort zur Anwendung bringen, wo gewisse Großgüter infolge verschiedener Nachkriegs-umstände ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht werden. Eine unterschiedslose Zerstückelung der Getreide produzierenden Großbetriebe * müßte zwangsläufig einen fühlbaren Rückgang der Erträge hervorrufen. Dafür liegen zahlreiche Beispiele aus den Agrarländern des Südostens vor. Volk und Staat können aber auf keine Tonne Getreide verzichten.

In Gegenden des Burgenlandes, wo die verkehrstechnischen Voraussetzungen Zun1 raschen Erreichen des Absatzgebietes (Großstadt und Industriegebiete) gegeben sind wäre eine Umwandlung nicht vollgenützter, Großbetriebe in Kleinbetriebe mit vorwiegend Viehzucht sowie Hackfrucht und Gemüsebau, wirtschaftlich sehr von Vorteil. Damit wäre auch der sozialen Seite des Bodenreform-problemes Rechnung getragen und zahlreichen Familien neue Existenzgrundlagen geschaffen. Rationell betriebene und genützte Großbetriebe des Getreidebaues sollten von einer Zerstückelung tunlichst ausgenommen bleiben. Bei diesen Großbetrieben könnten örtliche autorisierte Genossenschaften unter der Leitung und Kontrolle der zuständigen Landwirtschaftskammer die Nachfolger des Feudalbesitzes werden. Neben den Garantien rationellster Betriebsführung würde eine derartige Genossenschaft auch hinsichtlich der so leidigen Ablieferungsfrage den Notwendigkeiten unserer Ernährungslage am besten entsprechen und letzten Endes eine österreichische Lösung der Bodenreform darstellen, ohne ajs eine Nachahmung fremder Systeme empfunden zu werden.

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