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Unter dem Schutz des Patrons

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Im nächsten Jahr werden es 40 Jahre, seitdem das Burgenland in den Reigen der österreichischen Bundesländer aufgenommen wurde. In dieser Zeit hat sich das Antlitz dieses Landes stark gewandelt. Die Landeshauptstadt Eisenstadt ist ein sprechendes Symbol hierfür. Die Dörfer haben ihr Gesicht völlig verändert: Bis zu einem Drittel der Häuser sind Neubauten. Moderne Straßen durchziehen das Land, und die Technik hat auch im Burgenland nicht haltgemacht. Neue Fabriken werden allenthalben sichtbar, und der Ausbau zum Fremdenverkehrsland macht immer größere Fortschritte.

Die Kirche des Burgenlandes hat mit dem materiellen Aufbau des Landes durchaus Schritt gehalten. Sieben Pfarrkirchen und fünf Filialkirchen wurden neu erbaut. Vier neue Pfarrkirchen stehen derzeit in Bau. Sechs Kirchen wurden so umgebaut, daß sie ebenfalls einem Neubau gleichkommen. 22 neue Kirchen also stellen für das ärmste Bundesland Österreichs mit seinen 233.000 Katholiken sicherlich eine respektable Leistung dar. Dazu kommt der Neubau des Bischofshofes in Eisenstadt, des Knabenseminars in Mattersburg, des Internats der Katholischen Lehrerbildungsanstalt in Eisenstadt und des Katholischen Studentenheimes in Mattersburg, das derzeit in Bau ist. Zahlreiche Pfarrheime wurden neu gebaut und 50 kirchliche Kindergärten eingerichtet, davon 15 neu gebaut.

Das Burgenland ist dem heiligen Martin als Schutzpatron anvertraut. So ist es wohl verständlich, daß die kirchliche Führung unseres Landes stets bemüht war, das Erbe des heiligen .Landes- und Kirchenpatrons lebendig zu erhalten. Martinus gilt ja als Heiliger der Nächstenliebe, da er der Legende nach seinen Mantel mit einem frierenden Bettler teilte.

In besonderer Weise hat sich das katholische Volk des Burgenlandes zur Zeit des großen Flüchtlingsstromes aus Ungarn im Jahre 1956 als Land des heiligen Martinus bewährt.

180.000 Flüchtlinge verließen damals ihre Heimat. Die Bewohner der Grenzgemeinden und der umliegenden Orte haben zu dieser Zeit in einer Weise Nächstenliebe geübt, die wahrhaft bewundernswürdig ist. Die meisten Familien hatten Wochen hindurch täglich 10, 20 und mehr Flüchtlinge zu Gast, gaben ihnen zu essen und Quartier in ihrem Hause. In vielen Fällen konnte ein heroisches und oft auch ein erschütterndes Zeugnis der Nächstenliebe der Katholiken des Burgenlandes festgestellt werden.

Es darf wohl nicht als Zufall betrachtet werden, daß der bisherige Apostolische Administrator des Burgenlandes, DDr. Stefan Läszlo, gerade in diesen Tagen, da sich der Flüchtlingsstrom über die burgenländische Grenze ergoß, am Tag des heiligen Landespatrons Martinus, in der Stadtpfarrkirche zu Eisenstadt zum Bischof geweiht wurde. Jede äußere Feier zur Bischofsweihe wurde abgesagt. In dieser Zeit der großen Not und Bedrängnis, in jener Stunde, in der auch der Weltfriede gefährdet war, wollte der neue Bischof keine Feiern, die seiner Person galten. Dem Land des heiligen Martinus wurde der langjährige Leiter der Caritas als Oberhirte gegeben.

Die Katholiken des Burgenlandes haben in jenem November 1956 dem Ruf ihres Oberhirten und der Caritas in einer großen Opfer-und Hilfsbereitschaft Folge geleistet. Die Pfarrheime und kirchlichen Kindergärten wurden neben den Schulen zur Unterbringung der Flüchtlinge gerne zur Verfügung gestellt. In Gemeinden, die weiter von der Grenze entfernt waren, richteten die katholischen Männer und Burschen einen regelrechten Fahrdienst ein und brachten die oft erschöpften Flüchtlinge mit ihren Traktoren in die Dörfer. Caritashelferinnen, Mitglieder der Katholischen Frauenbewegung und Mädchen der Katholischen Jugend nahmen sich der Rüchtlinge in besonderer Weise an. Die Katholische Jugend des Burgenlandes tat alles, um die jugendlichen Flüchtlinge in Heimen unterzubringen. In allen Pfarren haben sich die Aktivisten und Helferinnen der Katholischen Aktion in diesen Tagen bestens bewährt.

Der Heilige Vater ernannte damals den Apostolischen Administrator des Burgenlandes, Bischof DDr. Läszlö, zum Apostolischen Visitator für die Ungarnflüchtlinge. Der Heilige Stuhl wollte damit seine Sorge um das seelische und leibliche Wohl der Hüchtlinge aus Ungarn zum Ausdruck bringen. Das katholische Volk des Burgenlandes betrachtete diese Ernennung als Zeichen der Anerkennung für die heroischen Werke der Nächstenliebe, die es vollbringen durftei roan nsjjn iSvnrbMisV Mtoi imm

Im Jahre 1959 legten die Katholiken des Burgenländes-Wieder in besonderer Weise Zeugnis dafür ab, daß sie sich ihrer Verpflichtung zur Nächstenliebe bewußt sind. Die hochwürdigsten Bischöfe Österreichs riefen zum Kampf gegen den Hunger und das Flüchtlingselend in aller Welt auf. Im Auftrag des burgen-ländischen Oberhirten wurde am 2. Fastensonntag eine Haussammlung durchgeführt, die in der Hauptsache von den Gliederungen der Katholischen Aktion getragen war, die auch die Vorbereitungsarbeiten durchführte. Das Ergebnis war überraschend: 1,253.000 S wurden an jenem 13. März 1959 gesammelt. Damit stand das Burgenland unter Berücksichtigung seiner Bevölkerungszahl weit an der Spitze aller österreichischen Diözesen. Ergreifend und manchmal auch erschütternd war es, wie gerade die

ärmsten Schichten der Bevölkerung bereitwillig ihr Opfer gaben. Es war eine Freude, zu sehen, wie Klerus und Laien mit Begeisterung an dieses Werk gingen, um den Ärmsten in aller Welt zu helfen. Das Verständnis für die Nöte der Entwicklungsländer und der Wille, zu helfen, werden ein immerwährendes Ruhmesblatt in der Geschichte unseres Landes sein.

Seelsorge und Katholische Aktion waren stets bemüht, die notwendigen Konsequenzen aus dem soziologischen und geistigen Strukturwandel zu ziehen und ihre Arbeit auf die neue Situation einzustellen. Die intensive Arbeit der Seelsorge und der Katholischen Aktion im Burgenland, die schon unter dem 2. Provikar, Prälat Doktor Josef Koller, begann, blieb auch nicht ohne Erfolg. Mit Freude darf vor allem vermerkt werden, daß das sakramentale Leben im Wachsen begriffen ist. Im Jahre 1954 wurden 1,233.000 heilige Kommunionen vermerkt. Diese Zahl ist im Jahre 1959 auf 1,564.000 gestiegen. Die Zahl der täglichen Kommunikanten ist im selben Zeitraum um 25 Prozent größer geworden. Die Zahl der Sonntagskirchenbesuchcr stieg von 88.500 im Jahre 1954 auf mehr als 92.000 im Jahre 1959. Unter Berücksichtigung der noch nicht schulpflichtigen Kinder, der alten und kranken Leute und jener, die sonntags nicht daheim sind, weil sie in der Fremde im Beruf stehen, darf gesagt werden, daß etwa die Hälfte aller burgenländischen Katholiken an Sonntagen an der Feier des heiligen Meßopfers teilnimmt. Wenn diese Zahlen auch über dem gesamtösterreichischen Durchschnitt liegen, so wird doch daraus sichtbar, daß auch die Kirche des Burgenlandes ihre Probleme hat.

Das Burgenland ist im Umbruch, aber auch im Aufbruch. Starke äußere und innere Wandlungen gehen in diesem Land vor sich. Die Kirche des Burgenlandes weiß aber um diese Situation. Unter Führung des neuen Diözesan-bischofs werden der Klerus und die Laien der Katholischen Aktion und alle anderen aktiven Katholiken des Landes alles tun, um auch dem Burgenland der neuen Zeit ein christliches Gepräge zu geben.

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