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Wer heute darangeht, die kulturelle Lage des Burgenlandes zu umreißen, muß sich vor Augen halten, daß dieses östliche Grenzland mit seiner eigenartigen, langgestreckten, in der Mitte abgeschnürten Gestalt und mehr als 150 Kilometern hermetisch abgeriegelter Grenze, das drittkleinste Bundesland Oesterreichs, von drei fremden Völkern umgeben, bei der Wiedervereinigung mit Oesterreich der natürlichen Hauptstadt, nämlich Oedenburgs, beraubt’ wurde: daß sich vor dem ersten Weltkrieg der kulturelle Strahlungspunkt in Budapest befand, das für die Wesensart Deutsch-Westungarns nichts übrig hatte. Neben der Verwaltung, galt es 1921 auch das Kulturwesen aufzubauen. Es gab weder eine Landesbibliothek noch ein Landesarchiv, und kein Landesmuseum. Das schreibt sich leicht in einem Satze nieder: aber was es für die geistige Entwicklung bedeutete, kann der nur schwer ermessen, dem die Benützung staatlicher Büchereien, die Funktion von Musikschulen, von reichhaltigen Museen, das Aufsuchen von Archiven, wie sie die anderen Bundesländer mit oft reicher historischer Tradition besitzen, eine Selbstverständlichkeit ist.

Daß der Burgenländische Landtag 1925 Eisenstadt zur Hauptstadt des jungen. Bundeslandes bestimmte, ist — kulturell gesehen — sinnhaft für die geistige Entwicklung des Burgenlandes. Die Stadt, welcher der Hof der Ester- häzys Jahrhunderte hindurch das geistige Gepräge gab; die Stadt, in der Joseph Haydn und Johann Nepomuk Hummel gewirkt haben; die Stadt, die Joseph Weigl und Hyrtl zu ihren Söhnen zählt, wurde Zentrum der kulturellen Bestrebungen eines jungen Bundeslandes.

Man kann kulturelle Entwicklungen nicht mit jenen Zeitmaßen messen, die für den wirtschaftlichen Aufbau eines Landes gültig sein können. Geist wirkt nicht sicht- und meßbar, Sternstunden des Geistes lassen sich nicht in Jahresplänen herbeiführen. Dennoch ist das, was bisher in kultureller Hinsicht geschaffen wurde, bedeutend.

Heute sind die wissenschaftlichen Publikationen (so die „Burgenländischen Forschungen” und’die „Wissenschaftlichen Arbeiten aus dem Burgenland”) an klug aufgebaute und geschickt geführte Institute, wie das Landesarchiv und das Landesmuseum, gebunden und die Landesbibliothek in Eisenstadt zählt rund 15.0 Bände. Die Landesregierung hat im Rahmen des Budgets großes Verständnis für den kulturellen Sektor immer wieder bewiesen. Das Kulturbudget des Burgenlandes hat drei Millionen Schilling weit überschritten.

Für die Erhaltung kulturgeschichtlicher Bauten und Denkmäler stellt man jährlich rund 500.0 S bereit (es gab auch Jahre, wo für diesen Zweck fast das Doppelte gewidmet wurde) und die wissenschaftlichen Publikationen werden mit rund 300.000 S dotiert. Man muß sich hei diesen Zahlen immer wieder vor Augen halten, daß es sich um ein Land handelt, das nur 320 Ortsgemeinden, die Mehrzahl davon überaus klein, mit 25 8.721 Einwohnern zählt (1951, anwesende Bevölkerung), was zwei Wiener Großbezirken entspricht.

Freilich, die Bereitstellung von Geldern für kulturelle Zwecke wird dadurch erleichtert, daß die Sorge für ein bestehendes Landestheater wegfällt. Indessen erfüllt die „Burgenländische Landesbühne” eine weit wichtigere Aufgabe als ein ortsgebundenes Theater: sie trägt dazu bei, die räumlichen Mißverhältnisse kulturell zu überbrücken. Wichtig sind hier die Schüleraufführungen. Es werden in jedem Jahr von der Landesbühne vier bis fünf Stücke von Klassikern auf Rundreisen gespielt. Auch hier muß man einen Blick auf die Landkarte werfen, um zu begreifen, was das bedeutet; für die Menschen vom Theater allein schon physisch, auf der anderen Seite aber einschätzen, wie diese Vorstellungen in einem Land, dessen Orte weit von den übrigen Theaterzentren Oesterreichs abliegen, einer kulturellen Mission gleichkommen.

Die „Burgspiele”, die heimischen Dramatikern die Möglichkeit geben, mit ihrem Schaffen vor das Publikum zu treten und gleichzeitig die große Vergangenheit des Landes dramatisch zu verlebendigen, sind ebenfalls ein wesentliches Anliegen des Landes, genau so wie die „Seespiele” der aufstrebenden Gemeinde Mörbisch. Eine Sonderstellung nehmen die Passionsspiele von Sankt Margarethen ein. Hier wird Gläubigkeit im Dienste eines Gelübdes zum ergreifenden Kunstwerk.

Auf dem Gebiete des Volksbildungswesens erfüllt das Volksbildungswerk’ für das Burgenland eine bedeutsame Aufgabe. Das gilt vor allem für das Musikschulwesen, das ohne Landessubvention zwar undenkbar wäre, das aber dennoch in hingebungsvoller Weise vom Volksbildungswerk betreut wird. Im Burgenland bestehen rund ein Dutzend Musikschulen, wo sich der ursprüngliche Sinn und die hohe Begabung aller drei Volksgruppen, die hier siedeln, ausgezeichnet entfalten kann.

Für die bildenden Künste war die Entwicklung gleichfalls nicht leicht, doch in einem. Lande, in dem Gustinus Ambrosi seine ersten Schritte tat, wo in früheren Zeiten die Malerfamilien Köpp, Marko, Storno, der Mattersburger Theodor Alconiere, der Purbacher Josef Orient (1677 bis 1747) und der Eisenstädter Kupferstecher Jakob Hyrtl, der Bruder des berühmten Anatomen Josef Hyrtl, wirkten, erwuchsen auch auf diesem Gebiete besondere Verpflichtungen. Die Heranziehung bildender Künstler zu öffentlichen Arbeiten wurde eingeleitet und hat sich als sehr förderlich erwiesen. Es besteht die Hoffnung, in absehbarer Zeit in Eisenstadt ein Künstlerhaus zu schaffen und damit den aus dem Burgenlande stammenden Malern und Plastikern die Möglichkeit zu eröffnen, im Lande zu wirken.

Die Denkmalpflege ist steter Obsorge des Landes gewiß. Viele wichtige Objekte sind vor dem Verfall gerettet worden. Die Restaurierung des Haydn-Saales im Schloß Esterhazy allein erforderte einen Kostenaufwand von rund 200.0 S. Die Bergkirche in Eisenstadt, die Joseph Haydns Grabstätte birgt, wurde mit 525.0 S grundlegend restauriert. Die Kirchen von Loretto und die barocke Wallfahrtskirche von Frauenkirchen, mit ihrer gotischen Gnadenstatue, oftmals Ziel der Kaiserin Maria Theresia, wofür bisher mehr als eine Million Schilling aufgewendet wurden, legen Zeugnis ab von der denkmalpflegerischen Arbeit des Burgenlandes. Der Name Loretto ist gefallen: hier hat das Landesmuseum mit seiner archäologischen Tätigkeit viel geleistet. Illyrische, keltische, römische Siedlungen und Grabanlagen wurden auf-gedeckt. — Die Biologische Station Neusiedler See, der wissenschaftlichen Durchforschung dienend, soll weiter ausgebaut werden. Mehrere publizistische Arbeiten fanden in der Fachwelt große Beachtung.

Kulturelle Großveranstaltungen passen nicht ganz in den Rahmen des Landes beziehungsweise zu seiner Struktur. Immerhin besteht die Absicht, die bereits 1947/48 abgehaltenen Haydn- Festspiele unter anderem Aspekt im Jahre 1959, wenn man den 150. Todestag des Komponisten begeht, zu erneuern. Bis zu diesem Zeitpunkt wird auch die Frage des Haydn-Denkmals gelöst werden. Vermutlich kommt es zu einem Wettbewerb für den Entwurf auf gesamtösterreichischer Basis.

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