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Ein Dorf mit 70 Höfen versink

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Es ist eine schmerzliche Tatsache, daß bei jedem Neubau (Errichtung eines Hauses, einer Stauanlage oder einer Straße) landwirtschaftliche Nutzflächen zugrunde gehen. Dadurch erleidet unsere Nährbasis einen ständigen Verlust, der selbst durch größere Maßnahmen zur Gewinnung von Kulturland nur teilweise wettgemacht werden kann.

Auch der Bau der Autobahn Wien—Salzburg wird beträchtliches Ackerland verschlingen. Bei einer Länge von 303 Kilometer und einer durchschnittlichen Breite von 35 Meter — die beiden Fahrbahnen allein besitzen, einschließlich des Mittelstreifens, eine Breite von 28,5 Meter — wird sie eine Fläche von 1060 Hektar einnehmen, das ist das Land von 70 Bauernhöfen mit je 15 Hektar Grundbesitz oder die Fläche eines mittelgroßen Dorfes.

Freilich handelt es sich in diesem Fall nicht, wie etwa bei einem Flugplatz, um eine zusammenhängende Fläehc, sondern um viele tausend Streifen Land, die heute zu fast ebenso vielen Liegenschaften gehören. Der so entstehende Flächcnverlust wird die einzelnen Grundbesitzer verschieden treffen: ein Besitzer, der 15 Hektar bewirtschaftet und 1500 Geviertmeter verliert, wird diesen Verlust kaum empfinden. Um so schwerer wird er aber jenen treffen, der von seinen sechs Hektar nun zwei opfern muß, das ist ein Drittel seines ohnedies für die Ernährung einer Familie nur in den seltensten Fällen ausreichenden Besitzes.

Neben dem Verlust an Fläche werden sich aber andere Schwierigkeiten noch empfindlicher auswirken: die Autobahn wird sehr viele heute schon kleine und daher nur noch gering rentable Grundstücke und Feldwege zerschneiden. Nach Abzug des 30 bis 40 Meter breiten Streifens werden oft nur winzige Teilstücke übrig bleiben, die — wenn überhaupt — nur noch mit Verlust genutzt werden können. Dazu kommt, daß sie vielfach nur noch auf Umwegen erreichbar sein werden, da ja die alten Zufahrtswege verschwinden und neue wegen der hohen Kosten der notwendigen neuen Unter- und Ueberführungen nur in Abständen von einem und mehr Kilometern errichtet werden sollen.

Man sieht, daß der Bau der Autobahn allen Bauern, deren Besitz von ihr berührt wird, Nachteile mit sich bringen wird. Es ist daher notwendig, alles vorzukehren, um diese Nachteile nach Möglichkeit zu verringern, damit die Lebensmöglichkeit der Höfe erhalten bleibt.

Diese Aufgaben sind schwierig, aber beim verständnisvollen Zusammenwirken aller Beteiligten mit Geduld und Beachtung der jeweils besonderen Umstände lösbar: man wird sich — nach den Erfahrungen bei Flugplätzen — in erster Linie bemühen müssen, den Landwirten Ersatzland zu verschaffen. Bauern, die ihren Besitz ganz oder teilweise verpachtet haben und keine Erben besitzen, die den Hof übernehmen wollen, ferner Personen, die schon lange außerhalb des Dorfes berufstätig sind, haben natürlich keinen Anspruch auf Ersatzland, wohl aber auf eine Entschädigung in Geld.

Die beste Lösung der Ersatzbeschaffung bestünde in der Bereitstellung von eben urbar gemachtem, bisher nicht kultiviertem Gelände. Leider gibt es solche Flächen bei uns nur noch wenige, so daß man Boden von Bauern wird ankaufen müssen, die kein Interesse mehr an ihrem Betrieb haben oder die sich bereit erklären, abzuwandern und mit Hilfe des Erlöses in einer anderen Gegend eine neue Existenz aufzubauen. Aus agrarpolitischen Erwägungen heraus sollte man sich aber immer bemühen, die Zahl der lebensfähigen Bauernbetriebe ungeschmälert zu erhalten.

Ueberau dort, wo die Autobahn die Feldflur so durchschneidet, daß dadurch die Bewirtschaftung unwirtschaftlich oder gar unmöglich gemacht wird, werden die Grundstücke zusammengelegt werden müssen. - Nur durch eine solche Neugestaltung der Besitzverhältnisse werden wieder gesunde Verhältnisse herzustellen sein.

Mit der Lösung dieser — freilich vordringlichen — Fragen, die erhebliche Aufwendungen seitens der Autobahngesellschaft erforderlich machen werden, sind natürlich noch nicht alle Schwierigkeiten beseitigt.

So befürchten u. a. die Grundbesitzer mit Recht, daß die heute in der Landwirtschaft Tätigen Arbeit beim Straßenbau suchen werden, wodurch die Not an Helfern noch weiter ansteigen wird. Würde man aber nun Landarbeiter von der Einstellung beim Straßenbau ausschließen, so würde man jenen, die nur fallweise auf dem Lande Arbeit finden, eine einmalige gute Erwerbsmöglichkeit nehmen und in ihnen das Gefühl einer unverdienten Zurücksetzung gegenüber den anderen Arbeitern erwecken, was sie geradezu veranlassen würde, in die Stadt abzuwandern.

Der Bau der Autobahn ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit, ein vielfacher Gewinn. Er muß daher gefördert werden, vor allem auch dadurch, daß man alle Schwierigkeiten zu verringern sucht, die sich dabei zwangsweise ergeben werden. Im vorstehenden wurde der Weg aufgezeigt, wie einige dieser Erschwernisse beseitigt werden können.

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