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Bodenreform oder Siedlung?

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Der in einem Staat vorhandene Grund und Boden ist nicht nur Lebensraum des Staatsvolkes, sondern stellt auch das wichtigste Produktionsmittel der Gesamtwirtschaft dar. Es ist daher selbstverständliche Pflicht, daß den Besitzverhältnissen am Boden aus staats- und wirtshaftspolitischen Gründen größtes Augenmerk zugewandt werde. Die gegebene Besitzverteilung in einem Lande ist das Ergebnis der orogra- phisAen und klimatisAen Verhältnisse, der historisAen EntwiAlung und niAt zuletzt der siedelnden Bevölkerung und deren Kultur. Wird auf die natürliAe Weiter- entwidclung der Bodenverfassung niAt RüAsiAt genommen, so daß die Bodenstruktur erstarrt, so kommt es nur zu leiAt zu revolutionären ErsAütterungen. Der Ruf naA einer Bodenreform wird laut und zerstört das bestehende WirtsAaftsgefüge.

Unverkennbar hat die Bodenverfassung einiger NaAbarstaaten österreiAs seit langem Krankheitskeime für solAe revolutionären ErsAütterungen in siA getragen. Wir wurden daher Zeugen solAen GesAe- hens und können die Wirkungen trotz gegenteiliger Propaganda klar erkennen. Land- wirtsAaftliAer Latifundien- und Großbesitz wurden atomisiert und in kleine und kleinste WirtsAaftseinheiten zersAlagen, ohne darauf zu aAten, daß solAe Betriebe nur dann produzieren und leben können, wenn sie mit den entspreAenden BauliAkeiten und dem nötigen Inventar ausgestattet sind. Die zwangsläufige Folge war stärkster Produktionsausfall sowie die Verteuerung der landwirtsAaftliAen Produktion, so daß die Lebensmittelversorgung der Gesamtbevölkerung selbst in einem Agrarstaate zu einem Problem wurde. Die weitere Folge wird die zwangsweise Zusammenfassung dieser eben erst gesAaffenen Kleinbetriebe zu kolAos- ähnliAen Großbetrieben und somit die Expropriation der Expropriateure sein, ohne daß es gelingen wird, trotz f ortsAreiten der TeAnisierung der LandwirtsAaft die Bodenerträge vor der Bodenreform je wieder zu erreiAen, da die Freude am Besitz und die Privatinitiative verniAtet wurden.

ÖsterreiA — und das kann niAt deutliA genug unterstriAen werden — weist grundlegend andere Agrarverhältnisse auf. Es war das Verdienst unserer Vorfahren, daß sie in kluger VoraussiAt die Loslösung unserer Bauern aus dem Untertänigkeitsverhältnis der alten Agrarverfassung ohne Beibehaltung einer wirtsAaftliAen Abhängigkeit des Bauern vom Großbesitz bewerkstelligten. So gelang es, ÖsterreiA in ein freies Bauernland umzugestalten. Die Länder Vorarlberg, Tirol und Salzburg besitzen keinen einzigen landwirtschaftlichen Großbetrieb. Oberösterreich, das Land der besten Bodenbesitzverteilung Europas, kennt nur einen landwirtschaftlichen Großbetrieb. Die Länder Steiermark und Kärnten besitzeji zwar als historische Reminiszenz größere Forstgüter, aber auch sie weisen keinen landwirtschaftlichen Betrieb größeren Stils auf. Nur im östlichen Teile Niederösterreichs wie auch im Burgenlande finden sich landwirtschaftliche Großbetriebe, die in Niederösterreich durch klimatische Verhältnisse begünstigt wurden, während die ungünstigen Agrarverhältnisse des Burgenlandes vor allem von einer agrarpolitischen Entwicklung ausgelöst wurden, die den österreichischen Verhältnissen fremd ist.

Ein Anlaß für eine grundlegende Änderung der bestehenden Bodenbesitzverteilung ist daher, von gewissen Gebieten Burgenlands abgesehen, in Österreich keineswegs gegeben. Wegen der drei oder vier Latifundienbesitze im Burgenlande bedarf es keiner Agrarrevolution und für die hier nötigen Maßnahmen das SAlagwort „Bodenreform” zu gebrauAen, ist eine abge- sAmaAte Übertreibung. österreiA ist in der glüAliAen Lage, seine im allgemeinen gesunden Agrarverhältnisse organisA weiter- zuentwidceln und den bestehenden Verhältnissen entspreAend auszubauen und zu verbessern. ÖsterreiA brauAt daher keine Bodenreform durAzuführen, Österreich soll vielmehr siedeln, um den sozialen und betriebswirtsAaftliAen Erfordernissen ReAnung zu tragen.

Da Österreich zum Großteil ein Bergland ist, umfaßt die Siedlung niAt nur die SAaffung neuer Familienbetriebe, sondern auA die Erhaltung der bestehenden Betriebe im Bergland. Neben der Neusiedlung und der DurAführung von Anliegersiedlungen zur Stärkung bereits bestehender Kleinsiedlungen im FlaAlande ist daher auA d i e N e u b e s i e d 1 u n g abgekommener Bergbauernhöfe und die DurAführung von Besitzfestigungsmaßnahmen im Berglande erstes Gebot.

Die InaussiAtnahme gewisser Zwangsmaßnahmen zur Bereitstellung des Siedlungslandes durA übergroße oder niAt intensiv bewirtsAaftete landwirtsAaftliAe Großbetriebe wird wohl niAt zu umgehen sein, wenngleiA sAon jetzt feststeht, daß die vorhandenen Bodenreserven, die naA Klärung der Frage des „DeutsAen Eigentums” für SiedlungszweAe zur Verfügung stehen werden, und das freiwillige Grundanbot der Großbetriebe die finanziellen Möglichkeiten der Siedlung bald übersteigen werden. Der Truppenübungsplatz Döllersheim umfaßt allein 23.000 Hektar und 37 OrtsAaften, die zur Gänze neu besiedelt werden müssen. Dazu kommt, daß sAon jetzt freiwillige Anbote von seiten des Großgrundbesitzes vorliegen und weitere folgen werden, da naA Normalisierung der Verhältnisse nur der aufs beste wirtsAaftenden Großbetrieb in der Lage sein wird, seine Existenz zu behaupten. Es wird daher weniger die BodenbesAaffung als vielmehr die Finanzierung der notwendigen Siedlungsmaßnahmen auf SAwierigkeiten stoßen. Aus demselben Grunde wäre es verfehlt, land- oder forstwirtsAaftliAe Großbetriebe zu verstaatliAen, das heißt zu Sozialismen, da hiedurA ungeheure Mittel gebunden würden, ohne einen wirtsAaftliAen Effekt zu erzielen.

Eingehende UntersuAungen haben ergehen, daß im mitteleuropäisAen Siedlungsraume den höchsten Ertrag für die FläAen- einheit bäuerliche Familienbetriebe in der Größe von 5 bis 20 Hektar aufweisen. Die Marktleistung eines gut geführten landwirtsAaft- liAen Großbetriebes ist zwar etwas größer, dies aber auA nur deshalb, weil der bäuer- liAe Mittelbetrieb mehr MensAen zu ernähren hat. Wie weit die Marktleistung des bäuerliAen Betriebes bei entspreAendem Ausbau des landwirtsAaftliAen Bildungswesens und genossensAaftliAer Zusammenfassung gesteigert werden kann, beweist uns die benaAbarte SAweiz, deren Bauernbetriebe bereits eine Marktleistung von 80 Prozent ihrer Produktion aufweisen.

Grund und Boden ist viel zu wertvoll und zu heilig, um Experimente aus was immer für Gründen durAzuführen. Es bedarf je- doA viel Können und Liebe, um ohne unnötige ErsAütterungen die bestehende Bodenbesitzverteilung durA organisAe Siedlungsmaßnahmen zu verbessern und dem sozialen und wirtsAaftliAen Idealzustand nälier- zukommen.ster Seenot und mußten schwere Opfer bringen; gibt es dodh nur wenige, die von sich sagen können, daß sie aus allen diesen Jahren ohne Schädigungen hervorgegangen wären. Nur wurden die einen etwas früher von der Sturzflut erfaßt, die anderen etwas später, ein Umstand, der von den Opfern der Jahre 1938 und 1939 meist übersehen wird, welche die letzten Kriegsjahre in Österreich nicht mehr mitgemacht haben.

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