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RANDBEMERKUNGEN

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„DAS GOLDENE HUFEISEN“, das Parkett und die Logen, ist nicht nur in den österreichischen Sfaatstheafern, sondern in aller Welt die Stammburg der Leute, die „es haben“, der devisenschweren Fremdgäste und der einheimischen Großverdiener. Diese muntere Quelle soll nun angezapft werden: Vom Beginn der Wiener Festwochen an werden die Preise dieser „Polsterklasse“ unserer Bundestheater erhöht; die „minder gepolsterten“ und „Stehsitze“ der Ränge, die Stammburgen also der Enthusiasten, sollen erstmals unberührt bleiben. Die Preisregulierung hat wie jede ihre Härten. Doch ist jedem österreichischen Auslandreisenden bekannt, daß auch die neuen Preise noch weit unter dem Durchschnitt gleichrangiger Auslandsbühnen liegen. Es ist ferner dem österreichischen Steuerzahler nicht zuzumuten, daß er weiterhin dem zahlungskräftigen heimischen und ausländischen Theaterbesucher Geschenke macht. Die relativ niedrigen Preise unserer Staatstheater blockierten schließlich seit geraumer Zeit eine echte Haushalterstellung unserer Privatbühnen und Konzerthäuser, die nunmehr in die Lage versetzt werden, auch ihrerseits bestimmte Preis-kafegorien nachzuziehen und solcherart das gestörte Gleichgewicht ihres Etats wiederherzustellen — hoffentlich nach gleicher Methode. So nimmt man ausnahmsweise einmal eine Preiserhöhung nicht mit bedenklicher Stirn, sondern irgendwie gelassen auf, da sie einer harten Notwendigkeif entspringt, dabei aber in der Form gewissermaßen einem sozialen „Schlüssel“ folgt.

„DAS DRITTE MILIEU“ war, neben vielen anderen Untersuchungen, ein Thema der vom Unterrichtsministerium kürzlich in Salzburg veranstalteten „Jugend in Not“. Wenn ältere Generationen in ihrer Jugend fast ausschließlich im ersten und zweiten Milieu zu Hause gewesen sind, d. h. in der Nestwärme geordneter Elternhäuser aufgewachsen und in der Schule flügge geworden sind, so wird der junge Mensch von heute weifgehend vom dritten, öffentlichen Milieu der Straße, des Betriebes, moderner Vergnügungsindustrien und neuer Kommuriikations-formen geformt. Nun sind in den hier so bedeutungsvollen Jugendgemeinschaften Oesterreichs leider gerade im kritischen Alfer nur ein ganzes Fünftel der jungen Leute erfaßt, vier Fünftel schweben im freien Raum und sind herrenlos, heimatlos, wehrlos allen seinen Lok-kungen und Versuchungen ausgesetzt. Diese Jugendgemeinschaften gilt es zu aktivieren und zu reformieren und zu modernisieren. Mit der alten Wgndervogeldpktrin „Jugend durch Jugend“ zu erziehen, dürften wir dabei nicht mehr durchkommen, es Ist aber 'an eigens geschulte Erzieher (man spricht auch von „Veranstaltern“, „Animateuren“ u. a.) zu denken, die mit der ganzen Autorität einer reifen Persönlichkeit und kundigen Spezialpädagogik ihres schweren Amtes walten sollen. Es ist eine von vielen Möglichkeifen, den Schwung bestimmter Räder der Zeit, die nicht mehr zurückzudrehen sind, nutzbringend zu verwerten. Ein guter Gedanke also, ohne Zweifel; man dürfte sich nur nicht verlieben in ihn, sonst könnte es geschehen, daß wir ob der liebevollen Pflege des vorübergehend bedeutsamen driften Milieus noch weifer und schließlich ganz auf die längst fällige Generalsanierung des natürlichen und dauernd wichtigen ersten und zweiten vergessen ...

DER WETTLAUF DER HÄFEN EUROPAS um Oesterreich, dem der Zugang zum Meer kurzsichtigerweise abgeschnitten wurde, nimmt beachtliche Ausmaße an. Nach den niederländischen und belgischen Anlegeplätzen, nach Triesf und Fiume (Rijeka) ist wieder einmal Hamburg auf den Plan getreten. Der Vorsitzende des Vorstandes der Hamburger Hafen- und Lagerhausgesellschaft, Senator Plate, weilte im Zusammenhang mit dem Hamburger Hafentag 1958 und der gleichzeitigen 769. Geburtstagsfeier der Hansestadt in Wien. Dabei wurde bekannt, daß sich gegenwärtig rund ein Dutzend leistungsfähiger Ländeplätze um den österreichischen Handel bemühen. Während im Jahre 1936 nur 767.000 Tonnen (9,3 Prozent) des österreichischen Außenhandels über westeuropäische Häfen transportiert wurden, ist im Vorjahre der westeuropäische Anteil auf 5,3 Millionen Tonnen (28,5 Prozent) gestiegen. Der Umschlag österreichischer Güter in Hamburg selbst betrug im Vorjahre das Vierfache von 1936 und das Zehnfache von 1950. Diese Ziffern geben zu denken, wenn man die weitaus größere Bahnentfernung der westeuropäischen Häfen und damit Hamburgs der Adrianähe entgegensetzt. Wenn sich unsere Importeure und Exporteure in der Weise entscheiden, wie die Ziffern aussagen, liegt der Grund zu der allmählichen Verlagerung teils an den geringeren Verschiffungsmöglichkeifen und dem Liniendienst der Adriahäfen, teils aber auch, und vielleicht in beträchtlicherem Maß, an den Transittarifen, der Leistungsfähigkeit der Bahnstrecken und der zuwenig zügigen Grenzabfertigung.

FEUER IN LIBANON. Die Drahtzieher der aufrührerischen Bewegung in Libanon wissen gut, wie man den „Freiheitskampf“ eines Volkes gegen seine eigene Freiheit und Unabhängigkeit hervorruft und in Szene setzt. An Lehrbüchern nationalsozialistischer und kommunistischer Provenienz hat es ihnen offenbar nichf gefehlt. Sie haben das ÜDanesische Volk so lange und so intensiv durch Rundfunk und Presse und die Agitation sorgfältig ausgebildeter Agenten bearbeitet, daß sie nun glauben konnten, der Moment sei gekommen, um in Beiruf ohne sonderlichen Widerstand eine Gruppe an die Macht zu bringen, die das Land „befreien“, das heißt, seine Eingliederung in Nassers Vereinigte Arabische Republik bewerkstelligen würde, und dies um so eher, als die religiös, stammesmäig und sozial sehr ver-schiedenfliche Zusammensetzung der Bevölkerung keine geschlossene Abwehr eines solchen „Anschlusses“ befürchten ließ. Diese Rechnung ist nicht ganz aufgegangen, wenigstens nicht fürs erste. Unter dem energischen Präsidenten Chamun hat die Regierung alle verfügbaren Machtmittel eingesetzt, um des von Syrien nicht nur inspirierten, sondern massiv unterstützten Aufstandes Herr zu werden. Ob ihr das gelingen wird ist, ungeachtet der erbetenen und bereits in Durchführung begriffenen Lieferung amerikanischer Waffen, eine noch offene Frage. Was jetzt auf dem SpN steht, ist klar genug. Verliert Libanon seine eigenstaatliche Existenz, dann ist eine neuerliche schwere Gefährdung der Stabilität und des Friedens im gesamten nahöstlichen Raum unausbleiblich. Darüber wird man sich in Washington und in London zweifellos Rechenschaft geben. Von Paris ist das zur Zeit allerdings kaum zu erhoffen.

NASSER UND MOSKAU. Zum Abschluß der achtzehntägigen Ruhlandreise des ägyptischen Sfaafschefs wurde in Moskau ein Kommunique veröffentlicht, welches insoferne bemerkenswert war, als es fast nur Dinge berührte, die Aegypten wenig oder gar nichts angehen. Abgesehen von einer kurzen Phrase über die sowjetischen Freundschaftsbeweise gegenüber den arabischen Völkern enthielt es so ziemlich alle Punkte, die zum ständigen Repertoire der sowjetischen Agitation gegen die Westmächfe gehören: also atomare Auf- beziehungsweise Abrüstung, Gipfelkonferenz, „imperialistische“ Stützpunkte in fremden Ländern und anderes mehr. Aber die Bedeutung des ägyptischen Staatsbesuches lag natürlich nicht in der Gelegenheit, all das zum xlen Male zu wiederholen. Den Herren in Moskau kam es darauf an, bei dem Gast aus Kairo einen tiefen Eindruck von der Macht und Gröfje der UdSSR zu hinterlassen und zugleich durch die besondere Herzlichkeit des Empfangs, den sie dem arabischen Nationalheros zuteil werden liehen, neue und politisch fruchtbringende Sympathien in der arabischen Welt zu gewinnen. Oberst Nasser anderseits erwartete sich von seiner so festlich verlaufenen Staatsvisite, und sicherlich mit Recht, eine weitere Erhöhung seines Ansehens im eigenen Lande und bei den übrigen arabischen Völkern; vor allem aber wollte er, und auch das dürfte ihm gelungen sein, seine Möglichkeiten, aus dem west-öst-lichen Gegensatz handfesten Nutzen zu ziehen, weiter verbessern. Er ist ein Realpolitiker und kein Ideologe, und er hat bestimmt nicht gegen den Westen Front gemacht, um sich in ein Satel-litenverhälfnis zum Osten herabdrücken zu lassen. Die Begeisterung, mit der Kairo unmittelbar nach Nassers Rückkehr aus der UdSSR die mit Bonn vereinbarte deutsche Wirtschaftshilfe be-grüfjf hat, die Hilfe eines Landes also, welches einen der wichtigsten Bestandteile der westlichen Verteidigungsgemeinschaft unter amerikanischer Führung bildet, ist bezeichnend genug.

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