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Die Geschichte als Klammer

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Glaube, Gemeinschaftssinn, Volks- und" Heimatliebe stellen für Magnago jene vier Pole dar, innerhalb derer sich das positive Weltbild eines in seiner Substanz noch gesunden Volkes bildet. Die Heimat ist dabei der tiefste Bezugspunkt. Denn der „Begriff Heimat" — so hat Magnago einmal, im Mai 1974, erklärt — ist „immer begrenzt auf jenen Flecken Landes, zu dem wir noch ein persönliches Verhältnis haben kön-

Für jene Menschen unserer Wohlstandsgesellschaft, die in „der Stufenleiter ihrer Wertbegriffe" keinen Platz mehr für dieses vertraute Wort Heimat haben.empfindet Magnago Mitleid: Dieses Gefühl wird auch jenen entgegengebracht, denen — wie er am 29. März 1980 vor ehemaligen Südtiroler Optanten in Bregenz sagt — „diese Gesellschaft wie ein ausgelaugter Boden ist, in dem sie nicht mehr Wurzel fassen können. Sie irren, von der Sehnsucht getrieben, einen festen Halt zu finden, ruhelos umher. Sie glauben, daß ihnen die Weite der Welt die angebliche Enge der verlorenen Heimat ersetzen könne".

Wie sehr sich Magnago dem Land und der Landschaft, die auch ihn geformt haben, verbunden fühlt, zeigt sich immer dann, wenn er als naturverbundener Mensch von der Schönheit dieses alten deutschen Kulturlandes überwältigt wird, so etwa bei der 125-Jahr-Feier der Musikkapelle Naturns Anfang September 1981. „Die üppige Schönheit des Burggrafenamtes", so schwärmt er, treffe sich in Naturns mit der „ernsteren Herbheit des Vinsch-gaues". Die Besiedlung der Gemeinde von 550 Metern Höhe im Tal bis zu den Berghöfen auf 1700 Metern beweise zudem die zähe Lebenskraft seiner Bewohner.

Was aber wäre Tirol ohne seine Geschichte! Um das Land noch tiefer als Heimat lieben und empfinden zu können, müsse man, betont Magnago, unbedingt auch seinen „geschichtlichen Werdegang" kennen. Das deutsche Tirol müsse man als einheitlichen Kulturraum von Salurn bis Kuf stein und von Landeck bis Lienz verstehen. Denn „der Wille, die Heimat zu gestalten, setzt auch ein Geschichtsbewußtsein nach rückwärts in die Vergangenheit wie nach vorwärts in die Zukunft voraus."

Die Geschichte empfindet Magnago deshalb als Klammer der kulturellen Zusammengehörigkeit, der Einheit der drei Tiroler Landesteile. Auch deshalb gebe es eigentlich keine Nord-, Süd- und Osttiroler, sondern nur Tiroler. „Denn wir alle sind seit einem Jahrtausend Tiroler und Tirol isch lei oans ..."

Magnago legt auch Wert auf die Feststellung, daß Heimatliebe und das Bekenntnis zur gemeinsamen Heimat mit seiner Kultur und Geschichte, mit seinen Bräuchen und Traditionen, absolut nichts mit .jenem dunklen Mythos von Volk und Boden" zu tun habe, der schon einmal in diesem Jahrhundert eine so unglückliche Rolle spielte.

Man hänge, so betont er, „keinen vagen Gefühlen einer Heimseligkeit" nach. Denn „wir sind Realisten". In diesem Rahmen kann Magnago auch der Landesordnung Gaismairs, diesem utopischen Tirol der Toleranz, des Bemühens um gegenseitiges Verständnis, um mehr soziale Gerechtigkeit und nachbarliche Hilfe, viel abgewinnen.

Sein tieferer Heimatbegriff ist von einer schmerzlichen Liebe bestimmt. Er sieht die Gefahr des Identitäts-, ja Substanzverlustes. Die Sorge, daß das Land gesichts-und geschichtslos werden könnte, bedrückt ihn. Um so größere Genugtuung empfindet Magnago, als im Frühjahr 1983 zum ersten Mal seit 1918 Vertreter der Gemeinden und Körperschaften aus allen drei Landesteilen Tirols in Brixen zusammenkommen, um auf dieser breiten Basis der Begegnung gemeinsam nach Grundlagen für ein tieferes Tiroler Selbstverständnis zu suchen.

Der Autor ist Abgeordneter der Südtiroler Volkspartei (SVP) im römischen Parlament, sein Beitrag ein Auszug aus: SILVIUS MA. Ein Leben für Südtirol. Verlagsanstalt Athe-sia, Bozen 1983. 152 Seiten, 50 z. T. farbige Abb., öS 260.-.

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