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Lebrstunde

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„Es gibt nichts Ungerechteres, als ungleiche Dinge gleich zu behandeln.“

Der Mann, der das sagte, der Südtiroler Landeshauptmann Silvius Magnago, erhielt am vergangenen Wochenende den Großen Leopold Kunschak-Preis. Und er nützte die Dankesrede zu einem engagierten Exkurs über die Behandlung von Minderheiten.

Magnago bemüht sich seit mehr als einem Vierteljahrhundert, ein ethnisches Problem auf diplomatisch-politische Weise zu lösen: indem er realistische Forderungen an den italienischen Staat stellt, Forderungen, die erfüllbar sind — und indem er diese Forderungen zielbewußt und mit beharrlichef Konsequenz verficht.

Nicht ein Fremdkörper dürfe die Minderheit sein, sagte Magnago, sondern der Staat müsse in ihr eine Bereicherung sehen; der Staat müsse ein Interesse daran haben, die Minderheit besonders zu schützen.

Und dieser besondere Schutz bestehe nicht darin, die Minderheit mit der Mehrheit formell gleichzustellen — nein: die Minderheit müsse durch Sondermaßnahmen gefördert werden, forderte der Landeshauptmann: „Erst dann werden die Spannungen verschwinden. Das wäre die eigentliche Friedenspolitik: Die Umkehr einer bestimmten Mentalität.“

Und noch etwas betonte Silvius Magnago sehr eindringlich: Daß nie vom legalen Weg abgegangen werden dürfe. Gewalt sei kein brauchbares Instrument, um solche Auseinandersetzungen zu führen, denn in der Praxis würde das ja bedeuten, daß immer nur der Starke recht habe.

Wesentlich sei die Achtung vor der Kultur des anderen, betonte Magnago, der sich gegen die Tendenzen des Assimilierens und des Entna-tionalisierens wandte, aber auch gegen das Integrieren: integrieren klingt nur etwas besser als assimilieren.“

Es war eine beeindruckende Lehrstunde, die der grauhaarige schwerkriegsversehrte Politiker da bot: mit Uberzeugung und, jugendlichem Feuer. Und es fehlte auch der für ihn jetzt schmerzvoll-aktuelle Hinweis nicht, daß die Instrumente der Demokratie oft nur langsam funktionieren.

Silvius Magnago wurde lang und lebhaft akklamiert

Magnago sprach als Südtiroler für die Südtiroler und Ladiner. Ich weiß nicht, ob alle, die ihn beklatschten, sich bewußt waren, daß er auch für die Slowenen in Österreich gesprochen hatte. Die haben jetzt gute Argumente gegen Kärntner Heimatdienstler und ihre Sympathisanten in allen Parteien.

Und die Argumente kommen aus berufenem Munde.

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