6772156-1969_07_04.jpg
Digital In Arbeit

Optimismus für Südtirol

19451960198020002020

Daß eine Lösung des Südtirolproblems, also eine Einigung zwischen Österreich und Italien, in greifbarer Nähe liegt und wahrscheinlich noch in diesem Frühjahr erfolgt, sprechen heute selbst die vorsichtigeren und die vorsichtigen Diplomaten aus. Die sachlichen Fragen scheinen nach den letzten Geheimbesprechungen der Experten auf Schweizer Boden praktisch abgeschlossen. Die „politische“ Einigung in Form eines offiziellen Außenministertreffens dürfte nur noch eine Terminfrage sein. Sollte die Lösung gelingen, wäre ein über fünfzigjähriges, leidvolles Kapitel der europäischen Zeitgeschichte abgeschlossen. Was Europa und den beiden betroffenen alten Kulturnationen zweifellos zu wünschen wäre.

19451960198020002020

Daß eine Lösung des Südtirolproblems, also eine Einigung zwischen Österreich und Italien, in greifbarer Nähe liegt und wahrscheinlich noch in diesem Frühjahr erfolgt, sprechen heute selbst die vorsichtigeren und die vorsichtigen Diplomaten aus. Die sachlichen Fragen scheinen nach den letzten Geheimbesprechungen der Experten auf Schweizer Boden praktisch abgeschlossen. Die „politische“ Einigung in Form eines offiziellen Außenministertreffens dürfte nur noch eine Terminfrage sein. Sollte die Lösung gelingen, wäre ein über fünfzigjähriges, leidvolles Kapitel der europäischen Zeitgeschichte abgeschlossen. Was Europa und den beiden betroffenen alten Kulturnationen zweifellos zu wünschen wäre.

Werbung
Werbung
Werbung

Innerösterreichisches Anzeichen einer Lösung ist die Haltung des sozialistischen Parteivorsitzenden Kreisky, der in dieser Frage in letzter Zeit besondere Aktivität entfaltet. Kreisky ließ seine Beziehungen in Gesprächen mit den italienischen Sozialisten spielen (etwa sein Treffen mit PSI-Parteisekretär Ferri), distanzierte sich von der Südtiroler Splitterpartei Dr. Jennys, dessen Teilnahme an allen Verhandlungen die „Arbeiter-Zeitung“ noch vor ganz kurzer Zeit gefordert hat, und schwenkte schließlich auf die Regierungslinie ein, daß als Kriterium einer Lösung die Zustimmung der Mehrheit der gewählten Vertreter der Südtiroler relevant sei.

Kreiskys Divergenzen mit der Regierung liegen nicht mehr im Inhalt des „Paketes“, sondern in der formalen Frage der Verankerung. Das „Paket“ findet bei allen ernst zu nehmenden Leuten in Österreich eine realistische Beurteilung. Kreisky will jedoch einen formellen Vertrag zwischen Italien und Österreich, während es den Anschein hat, daß die Lösung eine Abfolge einseitiger, aufeinander abgestimmter Handlungen der beiden Staaten vorsieht, deren letzte eine Streitbeendigungserklärung durch Österreich wäre. Sicher wäre eine vertragliche Verankerung wünschenswert — sollte eine solche aber nicht „drinnen“ sein, ist die Realisierung des „Paketes“ auch so anzustreben. Hoffentlich sieht man das in der SPÖ ein.

Sollten die Verhandlungen nicht aus einem unbeeinflußbaren Grund platzen, ist nämlich von den drei Möglichkeiten, die sich aus der innenpolitischen Konstellation ergeben, zwg'fellos eine Übereinstimmung der beiden großen Parteien am sympathischesten. Dafür spricht nicht nur die Tatsache, daß es sich hier um eine zentrale Frage der österreichischen Außenpolitik handelt. Auch ein nicht ganz unberechtigtes Mißtrauen der Italiener konnte geweckt werden, wenn die parlamentarische Basis in Österreich für Probleme dieser Größenordnung zu schmal wäre. Schließlich stünde zu befürchten, daß die Schwierigkeiten bei ganz geringfügigen Änderungen der Mehrheitsverhältnisse erneut aufbrechen.

Propagandistisch müßten in diesem Fall wohl beide österreichischen Parteien Vorleistungen erbringen. Die ÖVP müßte die in der Ära Außenminister Kreiskys erzielten Fortschritte würdigen und darauf verzichten, diesen Erfolg als Wahlschlager zu verwenden, die SPÖ müßte sich damit abfinden, daß doch mehr Wasser auf die Mühlen der Regierungspartei fließen würde, zumal die Südtirolfrage ziemlich an der Spitze des sogenannten „harten Kerns“ der Regierungserklärung Bunde: kanz-lers Klaus vom 20. April 1966 steht. Die beiden Alternativen zur Zusammenarbeit auf außenpolitischem Gebiet sind eine Lösung durch Anwendung der parlamentarischen Mehrheit der ÖVP oder ein Unterbleiben der Lösung überhaupt. In beiden — schon an sich azulehnenden — Fällen wird Südtirol unvermeidlich zum innenpolitischen Zankapfel. Nimmt man ersteres an, könnte sich die ÖVP auf die Zustimmung der Mehrheit der Südtiroler berufen, die SPÖ würde die Lösung verteufeln und bei der bekannten Großzügigkeit der Propagandisten soweit gehen, von einem „Verrat“ zu sprechen. Wie dieses Duell ausgehen würde; läßt sich schwer prognostizieren. Nur, daß die Südtiroler den Schaden hätten, iät jetzt schon klar.

Ähnliches ist zu erwarten, wenn die ÖVP auf das Durchdrücken der Lösung gegen den Willen der Sozialisten verzichtet oder die Italiener in diesem Fall nicht mitspielen würden. Die SPÖ käme hier in eine etwas schwierige Position. Sie müßte sich gegen den Vorwurf der Sabotage rechtfertigen und würde keinesfalls das Odium loswerden, eine Südtirollösung nur deswegen verhindert zu haben, weil es der Partei nicht in den wahltaktischen Kram paßt. Kristallisationspunkt der mobilisierten Emotionen wäre Kreisky selbst Hoffen wir aber auf das österreichische Wunder einer Einigung der Großparteien und auf ein Unterbleiben der beiden zuletzt angedeuteten Möglichkeiten. Derzeit muß man sowohl der Regierung als auch Kreisky bescheinigen, daß sie sehr viel guten Willen zeigen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung