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Kapieren, nicht kopieren

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Er sei für Zusammenarbeit mit der Opposition, versicherte der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung, vergaß aber nicht, hinzuzufügen, daß die Konsenspolitik dort ihre Grenzen finde, „wo die geplanten Regelungen ihres substantiellen Inhalts beraubt und beabsichtigte Zielsetzungen nicht erreicht werden können“.

Was der gelernte Diplomat Kreisky hier in Gummiformulierungen kleidet, welche nach Bedarf verschieden interpretierbar sind, heißt konkret gesprochen: Wenn die Opposition sozialistische Planziele blockiedieses Semesters). Somit gab es also gar keine Mehrheit für irgendeinen Kandidaten, und es drohte die Gefahr, daß ein sozialistischer Regie-rungskomissär nach der Universität auch noch die des Zentralausschusses der Hochschülerschaft übernehmen würde.

In dieser Situation fand sich die so verteufelte Jes-Initiative doch noch bereit, wenigstens bis zur Aufstellung einer Geschäftsordnung und eines ordentlichen Budgets ihre Stimmen dem ÖSU-Kandidaten Schneider zu sichern, allerdings unter der Bedingung, daß ihrer Vorsitzenden Carina Rys die Möglichkeit gegeben werde, als stellvertretende ZA-Vorsitzende eine wirksame Kontrolle von Schneiders Vorgangsweise auszuüben. Nun hat die Jes, nachdem die beiden Ziele der Zusammenarbeit (Budget, Geschäftsordnung) erreicht sind und die Gefahr eines Regie-rungskomissars abgewendet erscheint, die von vornherein nur befristet vereinbarte Zusammenarbeit aufgekündigt: Carina Rys legte ihren Posten als stellvertretende ZA-Vorsitzende zurück und forderte den ÖSU-Vorsitzenden Schneider auf, ein Gleiches zu tun.

Jetzt will die Jes ohne Zeitdruck und in Ruhe nochmals verhandeln, um zu einer wirklichen Zusammenarbeit, und nicht zu einer Zwangspartnerschaft zu gelangen. Und die ÖSU wird sich wohl wieder einmal auf die Suche nach einem geeigneten Vorsitzenden machen müssen, der auch bereit ist, Kompromisse zu schließen und Koalitionspartner zu akzeptieren ohne sie zu verteufeln.

Eine neue Runde im Koalitionsspielchen ist eröffnet. Vielleicht gelingt der ÖSU die Erfindung eines kompromißbereiten Kreisky-Typs? Dann hätte sie der Regierungspartei endlich zum ersten Male etwas voraus. -

FELIX CLUD1NI ren will, wird sie einfach überstimmt. Denn daran, daß die sozialistische Reformpolitik weitergehen müsse, läßt der Regierungschef — allerdings erst nach den Wahlen — keinen Zweifel. Gerade Maßnahmen in Richtung auf einen sozialistischen Staat sind es aber, deren Substanz und Zielsetzungen von der Opposition nicht gebilligt werden können.

Die Konsenspolitik dürfte damit auf politisch neutrale Materien reduziert sein, speziell auf die Mitverantwortung von unpopulären Maßnahmen, mögen diese nun notwendig sein oder nicht. Genau dies befürchtet aber die Opposition: Unpopuläres mitverantworten zu sollen, ohne die politische Linie mitbestimmen zu dürfen.

Anderseits ist. aber ein bloßer Negativismus keine Lösung: lehnt die Opposition notwendige, aber unpopuläre Maßnahmen ab oder versucht sie sich gar in Lizita-tionspolitik, so wird sie von der Regierung sofort der Unseriosität beschuldigt. Daß der Wähler Negativismus und Lizitation gegenwärtig — sehr im Gegensatz zu früheren Jahren — nicht mehr honoriert, haben die Resultate der letzten Wahlen gezeigt: derartige Versuche der Opposition in der letzten Legislaturperiode brachten keine Stimmengewinne.

Freilich kann die Opposition die Mitverantwortung für unpopuläre Notwendigkeiten gegen Konzessionen der Regierung auf ideologischem Terrain zu verkaufen suchen. Gerade die Sozialisten hatten sich, solange sie noch Minorität waren, als Meister in solchen politischen Koppelungsgeschäften erwiesen, sind aber selbst — wohl wissend, wie lukrativ diese sind — zu ähnlichem nur sehr zögernd bereit. Dies ist um so mehr der Fall, als der Manövrierspielraum für die Opposition — angesichts der weiterhin absoluten SP-Mehrheit — nach wie vor minimal ist.

Eine Ausnahme bilden Verfassungsgesetze, bei denen die Sozialisten unbedingt die Stimmen der ÖVP brauchen. Aber gerade Verfassungsänderungen sind zumeist gleichzeitig Systemänderungen, welche in der aktuellen Situation primär solcher Art sind, daß die Opposition ihnen nicht zustimmen kann. Und wo es sich um Sachprobleme handelt, sind die Sozialisten zu Konzessionen zumeist erst recht nicht bereit und ziehen es vor, die ablehnende Opposition des Negativismus und der Verantwortungslosigkeit zu beschuldigen.

Ist also die Volkspartei reibungslos auf dem Abstellgleis, zur Inaktivität und Profillosigkeit verdammt? Daß dies nicht der Fall sein muß, hat die SPÖ zur Genüge in der Zeit bewiesen, in “der sie Minorität war.

Die Frage ist nun, warum die ÖVP in ihren Majoritätszeiten die Sozialisten nicht in gleicher Manier ins Abseits zu drängen verstanden hat, und wieso es ihr als Opposition nicht, gelingt, die SPÖ mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, obwohl sie das in der vergangenen Legislaturperiode immer wieder versucht hat. Die naheliegende Antwort ist, daß die ÖVP zwar zumeist die besseren Fachleute, die SPÖ aber die bei weitem geschickteren Taktiker hat, die sich grandios auf das Zuspielen von Schwarzen Petern verstehen. Hier hat die ÖVP vom politischen Gegner noch sehr viel zu lernen.

Das Lernen darf aber nicht darin bestehen, die Sozialisten zu imitieren. Die Volkspartei muß den Gegner kapieren, nicht kopieren. Weil beispielsweise die Lizitationspolitik den Sozialisten am Stimmenkonto zu Buch schlug, heißt dies noch lange nicht, daß es der ÖVP genau so gelingt.

Populär sein zu wollen, bedeutet unter diesen Umständen für die ÖVP fast immer, sich als Motor für die Durchsetzung letzten Endes sozialistischer Maßnahmen herzugeben. Was die Opposition von den Sozialisten lernen kann, ist daher nicht, was populär ist, sondern wie man bestimmte Zielvorstellungen populär machen kann, oder wie man populäre Slogans — nach Möglichkeit gerade solche, welche der Gegner aufgebracht hat — für die eigenen Zwecke einspannen kann. Das wäre kapieren und nicht kopieren.

Die eigentliche Stärke der Sozialisten liegt darüber hinaus in ihrer Prinzipienfestigkeit. Sie streben ihre Zielvorstellungen, welche sie ja nach Bedarf mehr oder weniger stark kaschieren, konsequent an, die ÖVP hingegen versucht es mit „pragmatischer“ Politik, was zwar gelegentliche Momentanerfolge bringen kann, auf längere Sicht aber scheitern muß.

Es ist daher zweifellos ein Schritt vorwärts, wenn der neue ÖVP-Obmann Taus die Partei auf Grunde sätze verpflichten will. Es müssen allerdings Zielvorstellungen gefunden werden, die keine Imitation der Sozialisten, sondern ein echtes Kontrastprogramm darstellen, und die Volkspartei wird lernen müssen, diese Zielvorstellungen auch zu verkaufen.

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