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Guerillas mit Steirerhut

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Auf der Semmeringtagung der ÖVP im Frühjahr 1968 forderte Generalsekretär und Vizekanzler Withalm, daß ein wehrpolitischer Ausschuß ins Leben gerufen werden soll. Ratio dieses Aufrufes: die immer wieder an die Öffentlichkeit gelangenden Unzulänglichkeiten aus dem Ministerium des umstrittenen Verteidigungsministers Prader sollten abgestellt und eventuell den Forderungen der Jugend nachgekommen werden, eine Verkürzung der Wehrdienstzeit durchzuführen.

Kurz später kündigte auch SPÖ- Vorsitzender Kreisky an, daß die SPÖ ein Alternativkonzept auf einer Enquete erarbeiten wolle. Ratio dieser Ankündigung: dem Prader könne man nicht Milliarden anvertrauen, die nicht zweckmäßig eingesetzt werden.

Dann freilich traf die Unzufriedenen mit dem Bundesheer der Schock der Invasion der CSSR, der plötzlich das Sicherheitsbedürfnis Österreichs zum existentiellen Problem seiner Souveränität machte. Und schnell berief die ÖVP-Bundes- parteileitung auch einen wehrpolitischen Ausschuß ein, der rasch und umfassend ein neues, verbessertes Konzept der Verteidigungspolitik erarbeiten sollte.

Hatte Prader im Frühling und Vorsommer den Vorstellungen von einer Wehrdienstverkürzung Widerstand geleistet, obwohl sich etwa ein von Vizekanzler Withalm patronisiertes ÖVP-„Forum der Jugend“ damit befaßte, wußte er im Herbst, daß jede Reform nur zu einer Stärkung seiner Position beitragen werde.

Und tatsächlich diskutiert der wehrpolitische Ausschuß ausgiebig die Möglichkeiten, Schlagkraft und Einsatzfähigkeit zu erhöhen — allerdings mit der Prämisse, daß es möglichst wenig kosten soll.

Der Ausschuß, der unter dem Vorsitz des niederösterreichischen Nationalratsabgeordneten Marwan-Schlos- ser steht, umfaßt sowohl Politiker (wie Klaus, Withalm, Gorbach und Prader, Salzburgs Landesparteiob-1 mann Glaser u. a.) wie Militärs (die Generäle Fussenegger, Habermann, Spanocchi u. a.).

Zwar tagen die Mitglieder unter strengster Geheimhaltung, schüren aber gerade dadurch die Spekulation.

Immerhin dürfte es bis jetzt kaum gelungen sein, Klarheit in die einander widersprechenden Vorstellungen zu bringen. Nicht zuletzt dürfte dies auch am Vositzenden liegen, der lange Zeit zu den Ministerkandidaten des Verteidigungsressorts zählte, nun aber seine Disqualifikation für die Spitze unter Beweis gestellt haben soll.

Im wesentlichen scheitern die Vorstellungen einer Verbesserung der Gesamtstruktur des Bundesheeres an der Tatsache, daß jede Umstellung der Struktur eben viel Geld kostet. Die Politiker der ÖVP haben sich aber selbst geeigneter Mittel beraubt, um eine erhebliche Erhöhung des Wehretats zu erzielen. War ur- sprünglich eine Wehrsteuer im Gespräch, fegte die letzte Sitzung der Bundesparteileitung die Möglichkeit vom Tisch: denn es soll bis 1970 keine wie immer geartete Steuererhöhung mehr geben.

Auch die von der „Presse“ verbreitete Meldung von der Einführung einer Wehrzusatzsteuer entbehrt der Realität. Damit würden nur alle jene verärgert werden, die entweder untauglich sind (ohne eigenes Verschulden) oder zu den „weißen Jahrgängen“ gehören. Dem Budget könnten aber nur wenige Millionen auf diese Weise zufließen.

Ausgangspunkt der Überlegungen mehrerer Mitglieder des Ausschusses aber ist die Feststellung, daß sich auch kleine Nationen durch Partisanentätigkeit, Guerillaeinsatz und passiven Widerstand nebst Sabotage durchaus auch gegen Große verteidigen können — wie man an Vietnam und der CSSR zeigen könne.

Diesem Konzept würde zugrunde liegen, daß der Schwerpunkt der Ausbildung im Infanteriekampf kleiner mobiler Einheiten liegt und die schweren Waffen nebst einer sowieso fragwürdigen teuren Luftwaffe dem Paradeputz Vorbehalten bleiben.

Sinnlos wäre aber auch die Verwirklichung dieses Wehrkonzeptes, wenn nicht eine wirklich umfassende, auf der allgemeinen Wehrpflicht basierende Ausbildung erfolgen würde.

Die Erhöhung der Einsatzfähigkeit und die optimale Zusammenarbeit mit zivilen Stellen und der Zivilbevölkerung kann aber nur im Aufbau einer beamteten Militärverwaltung bestehen. Diese Armee der Zivilangestellten ohne Uniform ist ja auch das Rückgrat der Schweizer Wehrmacht. Nur kostet der Aufbau dieses Apparates.Geld, Geld und noch einmal Geld.

So wird der Ausschuß in seinen zwei geplanten Novembersitzungen primär auch die Frage der Geldbeschaffung beraten müssen. Denn der Plan einer „Wehranleihe“ ist in die-' sem Zusammenhang noch nicht restlos aufs Eis gelegt.

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