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Fragen Sie den Minister!

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Kaum ein Mitglied der Regierung dürfte den Sommer und die damit — paradoxerweise — verbundene Abkühlung des politischen Klimas so herbeigesehnt haben wie Dr. Gearg Prader, Bundesminister für Landesverteidigung und stellvertretender Landesobmann des ÖAAB in Nieder- österreich (diese Reihenfolge kann natürlich auch geändert werden). Was war denn geschehen? Wurde eine Art österreichischer „Mirage- Skandal“ aufgedeckt, Waffenschiebungen vielleicht, oder gar eine andere Affäre, die an die Wurzeln der Neutralität rührt? Nichts von alledem. Dem Minister wird vorgeworfen, eine „eigenwillige Personalpolitik“ betrieben zu haben, oder, deutlicher gesagt, nur Besitzer des richtigen Parteibüchels aufgenommen und später befördert zu haben. Eine Sensation? Anderswo vielleicht. Aber leider nicht hierzulande. Österreichs Amtsstuben vom Neusiedler- bis zum Bodensee würden wahrscheinlich leergefegt sein, entfernte man jeden Politiker, der zumindest einmal schon Gleiches getan hait.

Der Augenblickseffek t des „Feldzuges“: Österreichs Verteidigungsressort steht dm Mittelpunkt der Diskussion wie nie zuvor. Und das ist das eigentlich Bestürzende des ganzen Falles. Anstatt zu fragen, was in den elf Jahren des Bestehens des Heeres geschehen ist, um die langsame und vollkommen unbefriedigende Arbeit, gemäß dem Regierungsauftrag einen Landesverteidigungsplan zu konzipieren, endlich abzuschließen oder wenigstens zu beschleunigen, erschöpft sich die Diskussion in der Presse, aber auch in der Öffentlichkeit darin, sich kopfschüttelnd zu bestätigen, daß in einem „schwarzen“ Ministerium vorzugsweise „Schwarze“ befördert werden. Dabei wäre die Antwort auf die leider nicht gestellte Frage ebenso kurz wie richtig gewesen: Nichts.

Sicherlich: Daran trägt der gegenwärtig amtierende Minister nicht allein Schuld. Einen nicht geringen Teil helfen ihm seine militärischen Berater tragen, denen es bis heute nicht gelungen ist, ein Operationskonzept zu finden, das unseren Gegebenheiten angepaßt ist und keine eben nur maßstabgerecht verkleinerte Großmachtstrategie zum Inhalt hat. Die hierzulande immer gern zitierte Schweiz freilich ist eben dabei, ihr Operationskonzept einer gründlichen Revision zu unterziehen, unter lebhafter Anteilnahme der gesamten Öffentlichkeit.

Wie Finanzminister Dr. Schmitz kürzlich in einem Vortrag vor Mitgliedern der Offiziersgesellschaft festsfeilte, hat das Wehrbudget in den nächsten Jahren keine Chance, den Rahmen von zirka drei Milliarden Schilling zu sprengen. Werden etwa daraus Konsequenzen gezogen? Die zweite Frage, die dem Minister und — das muß wiederholt werden — seinen hohen Offizieren gestellt werden müßte, lautet also: Kann es zweckmäßig sein, bei einer derart ungeklärten finanziellen Situation des Verteidigungsressorts Anschaffungen einzelner Waffen in geringer Stückzahl durchzuführen, die hun- derte Millionen kosten, wodurch die aus dem Budget und den Ermessenskrediten verfügbaren Beträge planlos absorbiert werden?

Nach elf Jahren steht das Bundesheer heute noch immer dort, wo es schon 1955 gestanden ist, höchstens aufgescheucht durch ständige Umorganisationen und Veränderungen. Der Regierungsbericht an den Nationalrat, dessen Grundlage der Ministerbericht war, wurde in reduzierter Form einem Ausschuß (nicht etwa dem Landesverteidigungsausschuß!) weiter gegeben, der ihn einem Unterausschuß weitergegeben hat. Ergebnis: bisher keines.

Damit wurden die Kernprobleme des ( Verteidigungsressorts nur angedeutet. Keines von ihnen geht ausschließlich auf Kosten jenes Mannes, der morgen vielleicht wegen — im Vergleich dazu — unbedeutenden personalpolitischen Fragen zurücktreten muß.

Für die ÖVP, vor allem für den ÖAAB, birgt die ganze Affäre eine große Gefahr: der politische Gegner hat es recht geschickt verstanden, seinen gefährlichsten Gegner in der Regierungspartei, den ÖAAB, mit dem Stempel „Achtung, korrupt!“ zu kennzeichnen und ihn damit im kommenden Wahlkampf schon heute in die Defensive zu drängen. Und der Hinweis auf Korruption bleibt immer haften, hält fester als Ölfarbe auf dem Steirergewand

Über die Hintergründe der Kampagne befragt, zeigt sich der Minister ratlos, man glaubt ihm wirklich, daß er keine Antwort weiß. Dennoch: Die Atmosphäre der — vorsichtig ausgedrückt — Unsicherheit, die unter den höheren Offizieren herrscht, der von Wohlwollenden höflich als „persönlich“ bezeich- nete Stil des Ministers, das alles mag wohl zusammengewirkt haben. Und selbst in seiner engsten politischen Heimat, dem niederösterrei- chischen AAB, hat Prader nicht nur Freunde: Vor dem jüngsten Stockerauer Landestag des ÖAAB wurde heftige Flüsterpropaganda gegen ihn und „die Hofräte aus dem Landhaus“ gemacht.

Im Herbst wird man mehr wissen, auch, wer die Unbekannten sind, die das angeblich kompromittierende Material den Freiheitlichen in die Hände gespielt haben. Die „Kleine Zeitung“ kolportiert die möglicherweise begreiflichem Ärger entsprungene sozialistische Ansicht, daß es sich um Offiziere handle, „die dem Traditionsgeist der einstigen großdeutschen Wehrmacht allzusehr verbunden seien.“

Allerdings: wer käme nach Prader? In den geflüsterten Gerüchten taucht ein Name immer wieder auf, der des Abgeordneten zum Nationalrat Rudolf Marwan-Schlosser, dessen Qualifikation offenbar vor allem darin besteht, daß er es nicht ungern hört, mit seinem Offdziers- dienstgrad der Deutschen Wehrmacht angesprochen zu werden. Ganz ehrlich gesagt: Dann schon lieber den Prader.

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