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Härtere Auseinandersetzungen und längere Diskussionen

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Die Auseinandersetzungen im Nationalrat sind in den letzten beiden Jahren härter, die Diskussionen länger geworden: In den insgesamt 558stündigen Plenumsberatungen wurden 184 Gesetze beschlossen. Im Schnitt diskutierte der Nationalrat jedes Gesetz rund 31/4 Stunden. In der Halbzeit der vorangegangenen Gesetzgebungsperiode waren es nur etwas über 2 3/4 Stunden pro verabschiedetem Gesetz. Ein Faktum, das um so erstaunlicher ist, als 1977 erstmals die verkürzte Budgetdebatte zu beachtlichen Zeiteinsparungen hätte führen müssen.

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Die Auseinandersetzungen im Nationalrat sind in den letzten beiden Jahren härter, die Diskussionen länger geworden: In den insgesamt 558stündigen Plenumsberatungen wurden 184 Gesetze beschlossen. Im Schnitt diskutierte der Nationalrat jedes Gesetz rund 31/4 Stunden. In der Halbzeit der vorangegangenen Gesetzgebungsperiode waren es nur etwas über 2 3/4 Stunden pro verabschiedetem Gesetz. Ein Faktum, das um so erstaunlicher ist, als 1977 erstmals die verkürzte Budgetdebatte zu beachtlichen Zeiteinsparungen hätte führen müssen.

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Aber nicht nur im Plenum selbst Wird die parlamentarische Arbeit immer zeitaufwendiger. Auch die Ausschüsse machen im zunehmenden Maß von der Möglichkeit Gebrauch, zur Vorberatung von Gesetzesmaterien eigene Unterausschüsse einzusetzen. So wurden seit Anfang dieser Gesetzgebungsperiode insgesamt 48 solche Unterausschüsse gebildet. Einige dieser Unterausschüsse berieten die ihnen zugewiesenen Gesetzesmaterien nahezu hundert Stunden lang, beispielsweise bei der Wehrgesetznovelle.

So mühevoll die parlamentarische Arbeit aber auch geworden ist, so sehr lohnt sich dennoch diese intensive Auseinandersetzung mit den Argumenten der Opposition. Rund 80 Prozent der Gesetze wurden nämlich mit den Stimmen aller drei Parteien beschlossen. Daß der ÖVP aber in den letzten Jahren beim Abstimmungsvorgang das „Nein“ leichter über die Lippen kommt als Anfang der siebziger Jahre, läßt sich ebenfalls aus den

Zahlen ablesen: In den Jahren 1971 bis 1973 waren es immerhin 84,2 Prozent der Gesetze, die von allen drei Fraktionen einstimmig verabschiedet wurden. Unverändert blieb hingegen der im internationalen Vergleich geringe Anteil an Gesetzen, die allein mit den Stimmen der Regierungspartei verabschiedet wurden, insgesamt waren es 10,3 Prozent.

Bei Betrachtung dieser Zahlen verwendet die Opposition gleichsam, als würde sie im nachhinein die Angst vor ihrer Bereitschaft zur Zusammenarbeit im Parlament überkommen, das Argument, daß es sich bei diesen 10 Prozent um die politisch brisantesten Gesetze handelt. Doch dies stimmt nur zu einem geringen Teil. Von den 10 Prozent Gesetzen, die ausschließlich mit den Stimmen der SPÖ in den vergangenen beiden Jahren beschlossen wurden, betreffen acht die Bereiche Steuern oder Bundesbudget, somit Belange, die traditionell und in allen Demokratien der Erde zu jenen Gesetzesmaterien gehören, denen die Opposition grundsätzlich nicht oder nur in Ausnahmesituationen zustimmt.

Es wäre wenig sinnvoll zu versuchen, an dieser Stelle auch nur die wichtigsten der insgesamt 187 in den vergangenen beiden Jahren verabschiedeten Gesetze aufzählen zu wollen. Es seien daher nur stellvertretend die drei wichtigsten genannt: die Gesetze zur Einrichtung der Volksanwaltschaft sowie zur Schaffung der Unterhaltsbevorschussung und das Minderheitengesetz. Bei einigen weiteren Gesetzen konnten die Beratungen zwar noch nicht abgeschlossen werden, die parlamentarische Arbeit ist aber dennoch ih den vergangenen Monaten soweit gediehen, daß mit der Verabschiedung in den nächsten Monaten gerechnet werden kann. Auch hier seien stellvertretend nur drei Gesetzesmaterien genannt: Die Kraftfahrgesetz-Novelle, die Fortführung der Familienrechts reform sowie schließlich das Datenschutzgesetz.

Eine bedeutende Rolle im Büd der abgelaufenen zwei Jahre dieser Gesetzgebungsperiode haben zweifelsohne Untersuchungsausschüsse gespielt. Um in diesem Zusammenhang zuerst die erfreulichen Aspekte zu nennen, muß positiv vermerkt werden, daß beide in den vergangenen zwei Jahren eingesetzten Untersuchungsausschüsse in beachtlich kurzer Zeit ihre Arbeit abschließen und das Ergebnis dem Nationalrat vorlegen konnten.

Der zur Untersuchung der Fälle von gerichtlich angeordnetem Abhören von Telephonen benötigte für seine Tätigkeit elf, zieht man die Pärla- mentsferien ab, gar nur acht Monate. Der Ausschuß zur Untersuchung österreichischer Waffenexporte schaffte die ihm gestellte Aufgabe so gar in viereinhalb Monaten. Beide Berichte wurden, und auch das ist erfreulich und zeigt von der Qualität der geleisteten Arbeit, vom Nationalrat einstimmig zur Kenntnis genommen.

Weniger erfreulich war hingegen beim letztgenannten Untersuchungsausschuß-Bericht der für das gesamte Parlament und seine Glaubwürdigkeit abträglich häufige Bruch der einstimmig beschlossenen Vertraulichkeit für die Zeit der Untersuchungstätigkeit. Geht man allein die Schlagzeilen der auf Grund dieser Vertraulichkeitsbrüche erschienenen Artikel durch, wird man leicht feststellen können, daß kein Untersuchungsausschuß-Mitglied der Regierungspartei „geplaudert“ haben kann. Bedauerlich sind diese Vorkommnisse aber nicht nur wegen der damit verbundenen Brüche von Geschäftsordnung und parlamentarischen Usancen, sondern auch, weil dadurch die Funktionsfähigkeit des parlamenarischen Instruments „Untersuchungsausschuß“ selbst in Frage gestellt wird. Sollte sich etwa eine solche „Oppositionspraxis“ auch auf künftige Untersuchungsausschüsse, den Landesver- teidigungs- oder aber auch den Außenpolitischen Rat übertragen, so sind nicht zuletzt die in diesen Gremien im Interesse einer gemeinsamen Vertei- digungs- oder Außenpolitik in Zukunft noch zu führenden Gespräche in Frage gestellt. Es ist weder für die Regierung noch für die Opposition zu verantworten, daß sich zum Beispiel Angaben über österreichische Muni-

tionsreserven am Tag nach deren Beratung im Landesverteidigungsrat in allen österreichischen Tageszeitungen finden.

Unverkennbar waren in den letzten beiden Jahren die Auswirkungen der mit Beginn dieser Legislaturperiode in Kraft getretenen neuen Geschäftsordnung des Nationalrates. So konnten bei den mündlichen Anfragen 1971 bis 1975 noch zwölfeinhalb mündliche Anfragen pro Fragestunde erledigt werden, in den letzten beiden Jahren waren es nur mehr siebeneinhalb Anfragen. Zweifelsohne wird von der durch die neue Geschäftsordnung geschaffenen Möglichkeit, daß auch Abgeordnete anderer Fraktionen nach dem Fragesteller weitere Zusatzfragen stellen können, in sehr reichem Maße Gebrauch gemacht: Pro Anfrage wurden im abgelaufenen Arbeitsjahr 2,2 solcher zusätzlichen Fragen gestellt. Doch die geringe Anzahl der pro Fragestunde erledigten Anfragen wird sich nicht allein durch diese neue geschäftsordnungsmäßige Möglichkeit erklären lassen.

In zunehmendem Maße wird nämlich die Fragestunde weniger dazu benutzt, um auf knappe Fragen von einem Regierungsmitglied Informationen zu erhalten, sondern sie dienen zunehmend den Abgeordneten der Opposition zur Abgabe eigener Statements, die oft nur mehr sehr wenig mit dem Gegenstand der Frage zu tun haben.

Weniger signifikant sind jedoch die Auswirkungen der übrigen durch die Geschäftsordnung 1975 geschaffenen neuen parlamentarischen Möglichkeiten. Ein Antrag auf Vorberatung einer Materie innerhalb von zehn Wochen wurde in den zwei Jahren ganze zweimal, die Besprechung einer schriftlichen Anfragebeantwortung dreimal von der Opposition gestellt Dem Rechnungshof wurde in Ausübung des Minderheitenrechtes (ein Drittel der Abgeordneten) einmal ein besonderer Prüfungsauftrag erteilt, die seit 1975 ebenfalls ohne Mehrheitsbe-

Schluß mögliche Anfechtung eines Bundesgesetzes vor dem Verfassungsgerichtshof wurde kein einziges Mal angewendet. Dennoch hat aber die neue Geschäftsordnung wie auch die neue, verkürzte Form der Budgetdebatte wesentlich zur Verlebendigung der parlamentarischen Arbeit beigetragen.

In den nächsten Nummern der FURCHE folgen Stellungnahmen aus der parlamentarischen Sicht von ÖVP und FPÖ.

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