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Untersuchungsausschuß wird ein Prüfstein

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Ende vergangener Woche ist der auf einstimmigen Beschluß des Nationalrates eingesetzte Untersuchungsausschuß zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Mehr noch als auf den seinerzeitigen AKH-Untersuchungsausschuß wird sich auf diesen das Interesse der Öffentlichkeit konzentrieren; denn darüber sind sich fast alle einig: Wenn der neue Untersuchungsausschuß wie sein Vorgänger mit ebensoviel Publizität und Aufwand ebensowenig echte Ergebnisse und politische Konsequenzen zeitigt, dann wird nicht nur das Ansehen dieses parlamentarischen Instruments, sondern das der Volksvertretung überhaupt auf das schwerste geschädigt

Wer sich nicht von der Begleitmusik — sprich: Parteipropaganda und Selbstbeweihräucherung mancher Ausschußmitglieder — ablenken ließ, mußte seinerzeit feststellen, daß die Existenz des AKH-Untersuchungsauschusses trotz einer Unzahl „Experten" und administrativen Aufwands von beispielsweise 1,5 Millionen Blatt Papier nicht um einen Deut mehr zu bewirken vermochte als die ohnedies laufenden Gerichtsverfahren, Rechnungshofkontrollen und Zeitungsrecherchen.

Nun weist allerdings schon der Start des neuen Untersuchungsausschusses auf große Schwierigkeiten hin. Da ist einmal die Frage seiner Verfassungsmäßigkeit. Anlaßfall ist nämlich eine Ge-

meinnützige Baugenossenschaft „Wohnbau Ost - WBO", deren Tätigkeit sich eindeutig auf ein Bundesland (Burgenland) beschränkt.

Ein Untersuchungsausschuß des Nationalrates, also eines Or-ganes des Bundes, kann aber zweifellos nur im Bereiche der „Vollziehung des Bundes" tätig werden. /

Andererseits wird man aber auch sagen müssen, daß sich im Sinne des parlamentarischen und demokratischen Prinzips die Kontrolle der Volksvertretung nicht nur auf Akte der Bundesregierung oder einzelner ihrer Mitglieder im engsten Sinne, sondern auf das weite Feld der „Bundesverwaltung" erstrecken soll.

Die drei Fraktionen des Nationalrates waren sich dieser Schwierigkeit wohl bewußt und haben als Untersuchungsthema die Parteienfinanzierung „im Zusammenhang mit der aufgrund des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes tätigen WBO" und die Erfüllung der Aufgaben

durch die „aufgrund der einschlägigen Bundesgesetze zuständigen Kontrollinstanzen" gewählt. Man wird sehen, ob diese bundesgesetzlichen Fundierungen auch eine tragfähige Grundlage für die nun folgende Alltagsarbeit des Untersuchungsausschusses abzugeben vermögen.

Wohl noch schwieriger aber dürfte die Lösung des Problems

sein, wie der neue Untersuchungsausschuß den Ausgleich zwischen den berechtigten Informationsansprüchen der Öffentlichkeit bzw. dem in der Demokratie ebenfalls berechtigten politischen Interesse der Parteien auf der einen Seite und der Wahrung eines sachlichen, erfolgversprechenden Verhandlungsklimas auf der anderen Seite finden kann.

Insofern stellt die Betrauung eines Abgeordneten der kleinsten

Fraktion mit der Vorsitzführung sicher von Anfang an eine gewisse Belastung dar, weil diese naturgemäß das größte politische Profilierungsbedürfnis haben muß. Dazu kommt noch, daß die FPÖ-Riege im Nationalrat ihren Generationswechsel bereits weitgehend vollzogen hat und daher für den Vorsitz in Untersuchungsausschüssen fast nur Abgeordnete anbieten kann, die erst in dieser Gesetzgebungsperiode in das Hohe Haus eingezogen sind, also über nur sehr geringe Ausschußerfahrung verfügen.

Parlamentarische Untersuchungsausschüsse sind nun einmal — darüber muß man sich in einer freien, westlichen Demokratie wohl im klaren sein — politische Instrumente. Zur Feststellung krimineller Akte im weiter sten Sinn sind nicht Untersuchungsausschüsse, sondern Gerichte berufen. Das bedeutet sicher keineswegs, daß nicht auch in einem Untersuchungsausschuß vorerst erforscht werden muß, was überhaupt vorgefallen

ist, bevor sich die politische Dimension des Untersuchungsthemas voll erfassen läßt.

Wohl aber wird man aus der Unterscheidung zwischen einem parlamentarischen und einem gerichtlichen Untersuchungsverfahren den Schluß ziehen müssen, daß schon im Interesse der Arbeitsökonomie eine Zweigleisigkeit der Beweiserhebung möglichst zu unterlassen ist und daß vor allem nicht der parlamentarische Untersuchungsausschuß die Gerichte behindern soll...

Eme neuerliche parlamentarische Untersuchung, die zu nichts anderem führt, als daß die Fraktionen des Nationalrates ihre Vorräte für weitere Schlammschlachten gegeneinander auffüllen, wird keiner von ihnen zum Vorteil gereichen. Moralische Sümpfe gehören - wie der Bundespräsident einmal treffend formulierte — trockengelegt und nicht als Kampfmittel eingesetzt.

In der Medizin sind Moorbäder heilsam; in der Politik aber hat die Uberzeugung „Die da oben haben alle Dreck am Stecken" immer noch zum Untergang der jeweiligen Regierungssysteme geführt

Daher wird der neue Untersuchungsausschuß des Nationalrates ohne Übertreibung auch als Prüfstein für die Funktionstüchtigkeit der parlamentarischen Demokratie unserer Zweiten Republik (wer denkt da nicht an die Erste?) anzusehen sein.

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