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Fleißige Opposition

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Wiewohl die Intensität und Bedeutung parlamentarischen Geschehens nicht an der Frequenz des Handaufhebens, des Dauerredens und der Fragelust der Abgeordneten gemessen werden darf, gibt eine kleine mathematische Spielerei dennoch interessante Aufschlüsse über die parlamentarische Arbeit der letzten Jahre, die noch dadurch an Bedeutung gewinnt, daß sie zwei vergleichbare Zeiträume, nämlich die ÖVP-Alleinregierung von 1966 bis 1970 und die SPÖ-Alleinregierung von 1970 bis 1974 miteinander vergleicht.

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Wiewohl die Intensität und Bedeutung parlamentarischen Geschehens nicht an der Frequenz des Handaufhebens, des Dauerredens und der Fragelust der Abgeordneten gemessen werden darf, gibt eine kleine mathematische Spielerei dennoch interessante Aufschlüsse über die parlamentarische Arbeit der letzten Jahre, die noch dadurch an Bedeutung gewinnt, daß sie zwei vergleichbare Zeiträume, nämlich die ÖVP-Alleinregierung von 1966 bis 1970 und die SPÖ-Alleinregierung von 1970 bis 1974 miteinander vergleicht.

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Der wohl frappierendste Zahlenvergleich zeigt, daß in beiden Gesetzgebungsperioden je 532 Gesetzesbeschlüsse gefaßt wurden, wobei jedoch eine Anmerkung notwendig erscheint: in der Zeit der Regierung Klaus erwiesen sich von zwölf Einsprüchen des Bundesrates drei als echtes Veto. Diese drei Gesetze erlangten also keine Gesetzeskraft mehr. Während der SPÖ-Regierung wurde in allen sieben Fällen eines Bundesratseinspruches in der Folge ein Beharrungsbeschluß des Nationalrates gefaßt; es handelte sich somit in all diesen Fällen lediglich um ein aufschiebendes Veto des Bundesrates.

Die Angaben über Dauer und Umfang der Sitzungen sowie über die gefaßten Beschlüsse (siehe Kasten) zeigen, daß eine wesentliche Steigerung des parlamentarischen Betriebs — unter den derzeitigen Fazilitäten — wohl nicht mehr möglich ist. Trotz etwas weniger Sitzungen, ist die Zahl der Sitzungsstunden etwa gleich geiblieben. Der Trend zu Marathonsitzungen, der in Österreich manifest wird, widerspricht jedenfalls internationalen Vergleichen, denn eine durchschnittliche Sitzungsdauer von rund 10 Stunden 1st im Ausland mehr als unüblich.

Überraschend ist die Tatsache, daß es zwischen 1970 und 1974 rund 500 Ministerreden gab, im Vergleich zu 353 während der Regierung Klaus.

schienen läßt, populäre und telegene Minister öfter in Debatten eingrei- fen zu lassen, als mehr oder weniger bekannte Abgeordnete.

(Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß die FFÖ, obwohl sie nunmehr dank Wahlrechtsreform über zehn Abgeordnete verfügt, relativ weniger parlamentarischen Redefleiß zeigt als vorher mit nur sechs Vertretern.)

Bei dringlichen Anfragen der Opposition zeigt sich ebenfalls ein Rückgang, während die schriftlichen nach der sich Österreich als Kammer-, Verbände- und Parteienstaat darstellt, benötigt das Parlament in erster Linie als Legalisierungsinstrument. Grund für dieses immer stärkere Auseinanderklaffen von geschriebener Verfassung und Verfassungswirklichkeit ist die Konzeption des österreichischen Parlamentarismus, die aus ihrer historischen Sicht das Parlament (in seiner Gesamtheit) als Gegengewicht zum Herrscherhaus auffaßte. Da jedoch heute die Regierungsfraktion, als Mehrheit ihrer Alleinregierung Lust verspürt, hier entscheidende Änderungen herbeizuführen. Auch die mehrmals erwähnte Geschäftsordnungsreform ist mittlerweile wieder in den Schubladen der Parteilklübs verschwunden.

Wenn bereits Änderungen der Geschäftsordnung auf derart hartnäckige Widerstände stoßen, dann ist bezüglich einer umfangreichen Reform der Verfassung erst recht kein Optimismus angebracht.

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