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Dialog statt Gags

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Die Bildung der Großen Koalition hat bei allem Pro und Kontra doch überwiegend die Sorge ausgelöst, das Parlament würde - ähnlich wie bis 1966 - auch jetzt wieder in ein Schattendasein gedrängt.

Als Ausweg wurde bisher angesehen, die Rechte der parlamentarischen Minderheit zu verstärken. Im Ubereinkommen der großen Parteien wurde daher eine neuerliche Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrates vorgesehen.

Zunächst wäre zu betonen, daß die Opposition schon heute über einen Spielraum verfügt, der über ihre anteilsmäßige Repräsentanz sogar hinausgeht.

So führt etwa der vorgeschriebene Wechsel von Pro- und Kontrarednern in der Plenardebatte dazu, daß bei den ersten vier Rednern die Hälfte von derOp-position gestellt wird. Werm man bedenkt, daß in den Medien fast immer nur die am Beginn der Diskussion plazierten „Hauptredner“ zu Worte kommen, führt dies sogar zu einer relativen Benachteiligung der Regierungsparteien.

Wenn noch dazu der Erstredner der Opposition einen äußerst langen Beitrag produziert - wozu insbesondere FPÖ-Obmarm Jörg Haider zu neigen scheint -, kann im Plenum des Nationalrates von einer Dominanz der Regierungsparteien keine Rede sein.

Freiheitliche und Grüne scheinen schon jetzt erfaßt zu haben, wie man die Bühne des Hohen Hauses bespielt. Auch an auffälligen Aktionen, an „Gags“ , die sich das Fernsehen nicht entgehen läßt, dürfte es nicht mangeln.

Wie sehr man darauf Wert legt, enthüllt ein Schritt der Parlamentsneu-Unge, mit dem sie jüngst ei-

nen Antrag einfach wieder zurückzogen und damit seine verlangte sogenannte Erste Lesung verschoben. Erklärter Grund war die späte Stunde — sprich der bereits eingetretene Redaktionsschluß der Medien.

Hier erhebt sich schon die Frage, ob dies einem wohlverstandenen Parlamentarismus und seiner gewünschten Belebung ent-. spricht. Wirksame öffentliche Auftritte sind wichtig, aber sie sind bei Gott nicht alles. Noch ist der Nationalrat ein zentraler Ort politischer Willensbildung.

Nichts wäre mehr zu wünschen, als daß sich jene Öffentlichkeit, die man durch pointierte Reden beeindrucken will, auf das Wesen und die Bedeutung einer Volksvertretung wieder besinnt. Hier haben die Abgeordneten der Regierungsparteien eine Aufgabe, auf die sie sich wohl raschest einstellen sollten.

Die schlechten Zensuren, die der Nationalrat in den letzten Jahren erhielt, rührten ja daher, daß die Mehrheit sich praktisch bedingungslos der Regienmg unterordnete, während die Minderheit permanenten Widerspruch demonstrierte. Es entsprach damit alles einem vorgegebenen und damit langweiligen Schema. Dies zu ändern liegt weniger an der heutigen Opposition, als an den Mandataren von SPÖ und ÖVP.

Soll der Parlamentarismus lebendiger und damit wieder beachtenswerter werden, muß die Rollenverteilung von Regierung und Nationahrat neu durchdacht werden. Auf dem Boden der Volksvertretung wird ein Dialog stattfinden müssen, bei dem die Gesetzgebung wieder gleichwertig zur Geltung kommt.

Widerspruch zu Minister-standpunikten wird nicht nur seitens der Opposition zweckmäßig sein, zumal ja - zumindest bisher - auch Unüberlegtes produziert wird.

Nicht auf die Präsentation von Parteienstandpunkten, sondern auf die Repräsentation des Wählerwillens wird es in einem Nationalrat ankonmien, der wieder einen seiner Bedeutung entsprechenden Platz einnehmen soll.

Der Autor ist ÖVP-Abgeordneter zum Nationahrat

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