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Reform der Budgetdebatte?

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Vor einiger Zeit machte der Obmann des ÖVP-Pariamentsklubs, Vizekanzler Dr. Withalm, den Vorschlag, die Debatte über das Budget 1970 zu straffen und die Beratungen entsprechend zu verkürzen. Die politischen Wetterpropheten sagen für den Herbst kein sehr freundliches „Wetter“ voraus, was verständlich ist, legt doch die Regierung Klaus im Herbst dem Hohen Haus das Budget für das Wahljahr 1970 vor. Es hat nicht wenige Stimmen gegeben, die meinten, die Regierung solle für 1970 nur ein Budgetprovisoriiuim vorlegen. Das kann aber eine verantwortungsbewußte Regierung einfach deshalb nicht, weil sie einer nach dem 1. März au bildenden Regierung — wer kann heute sagen, wie sie zusammengesetzt sein wird? — einen geordneten Staatshaushalt zu übergeben hat.

Nach der geltenden Bundesverfassung muß eine amtierende Regierung dem Nationalrat spätestens zehn Wochen vor Ablauf des Kalenderjahres einen Voranschlag für das kommende Jahr vorlegen. Damit sind die Kompetenzen eindeutig geregelt: die Bundesregierung erstellt das Budget und der Nationalrat beschließt es. Das geht in der Weise vor sich, daß der Finanzminister in

einer Budgetrede im Nationalrat die Grundsätze erläutert, nach denen der Voranschlag erstellt wurde. Dazu nehmen dann die politischen Parteien in der ersten Lesung Stellung. Ist diese abgeschlossen, wird der Voranschlag vom Präsidenten des Hauses dem Finanz- und Budgetausschuß zugewiesen.

Nach Abschluß der Ausschußbera-tungen beginnt im Plenum des Nationalrates die Spezialdebatte: Hier ist nun gegenüber der Koali-tionsära ine wesentliche Änderung festzustellen. Wurden früher in der Spezialdebatte im Plenum bei den einzelnen Kapiteln in der Regel nur grundsätzliche Fragen aufgerollt, so ist jetzt die Spezialdebatte im Haus praktisch ein Abklatsch der Ausschußberatungen, denn die Opposition stellt im Plenum fast durchwegs die gleichen Fragen, die der betreffende Minister im Ausschuß bereichs beantwortet hat. Dadurch gewinnt die Öffentlichkeit den Eindruck, im Parlament würden nicht die grundlegenden Probleme behandelt, sondern die Zeit mit kleinen Dingen und „Wadelibeißerei“ nutzlos vertan.

Der Vorschlag Dr. Withalms auf eine Straffung der Budgetberatungen ist aber nur dann realisierbar, wenn

alle im Parlament vertretenen Parteien zustimmen, denn die Ge-schäftsodrnung keine Bestimmung hinsichtlich der Zahl der Redner, die eine Partei zu einem Kapitel stellt, noch was die Dauer der Redezeit betrifft. Nach der Geschäftsordnung ist einem Redner lediglich die Vorlesung seiner Rede untersagt. In dieser Hinsicht wird aber die Geschäftsordnung sehr liberal gehandhabt.

Was waren also die Gründe für den Vorschlag Dr. Withalms? Es mögen vor allem zwei gewesen sein. Einmal soll eine weitere Abwertung der Volksvertretung vermieden und ein echtes Interesse der Bevölkerung an den Budgetberatungen geweckt werden. Anderseits hat Dr. Withalm sicher auch Zeit für wichtige Entscheidungen gewinnen wollen. Im Parlament sind Probleme zu lösen, an denen die breite Öffentlichkeit ein eminentes Interesse hat, man denke nur an das Arbeitszeitgesetz, die ÖIG-Novelle, die Scbulprobleme und eine Reihe anderer wichtiger Gesetze.

So gesehen, verdient der Vorschlag Dr. Withalms stärkste Beachtung. Seine Verwirklichung könnte dazu führen, daß unser Parlament wieder eine Stätte echter Konfrontation zwischen Regierung und Opposition wird und der jetzt bestehende Eindruck, daß im Hohen Haus am Ring zwar viel geredet, aber wenig konstruktive Arbeit geleistet wird, würde überwunden.

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