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Lehrjahre sollten nicht Herrenjahre sein

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Als Hannes Androsch am 21. April 1970 in das Amt des Finanzministers berufen wurde, schrieben die „Salzbur­ger Nachrichten“ von einem „Meilen­stein in der Geschichte des Sozialismus und sicher einem der bedeutendsten Er­eignisse im Leben des jungen Mannes“.

Bei seinem wohl unwiderruflich letz­ten Auftritt als Finanzminister im Par­lament am 17. Dezember 1980 waren zunächst nur 18 Kollegen aus der eige­nen Fraktion anwesend ...

Im November 1972 stufte sich Han­nes Androsch in einem Gespräch mit dem inzwischen eingestellten Magazin „economy“ als zweitbesten Finanzmi­nister der Zweiten Republik ein: Rein­hard Karnitz setzte Androsch damals an erste Stelle.

Als es acht Jahre später zur Gewiß­heit wurde, daß Hannes Androsch als Politiker untragbar ist, lobte ihn sein früherer Förderer als „den besten Fi­nanzminister in der Zweiten Republik“ aus der Regierung weg in die Vor­standsetage der Creditanstalt.

Begonnen hat der Wirtschaftspoliti­ker Androsch als Sonnyboy: Er über­nahm einen Bundeshaushalt, dessen Defizit zuletzt rund 7,7 Mrd. Schilling betragen hatte; die Staatsschuld lag da­mals bei rund 47 Mrd. Schilling, die Steuerquote betrug 36,5 Prozent’, und da alle Zeichen auf Hochkonjunktur standen, waren die Chancen für eine überlegte und ruhige Finanz- und Wirt­schaftspolitik gut.

Der Technokrat Androsch glaubte damals so intensiv an die Möglichkeit, gesamtwirtschaftliche Prozesse perfekt steuern zu können, daß er die Existenz von Konjunkturen zu leugnen begann. Das war sein erster und wahrscheinlich entscheidender Fehler.

Er ließ den Dingen ihren Lauf und am Ende der Hochkonjunktur im Jahr 1974 stand er plötzlich mit einem Bud­getdefizit von 18,5 Mrd. Schilling und einer Staatsschuld von bereits 61,4 Mrd. Schilling da - also mit gewaltigen Hypotheken für eine nach den Rezep­ten Keynes antizyklische Bewältigung der scharfen Rezession des Jahres 1975.

Die zusätzlichen Ausgabenpläne im Budget 1975 konnten allesamt nicht aus den Reserven, sondern mußten mit neuen Krediten finanziert werden.

1975 betrug das Budgetdefizit schon 37,2 Mrd. Schilling und die Staats­schuld war mittlerweile auf rund 100,5 Mrd. Schilling angewachsen. Dennoch entstand damals der Mythos einer Re­gierung, die wie nur wenige andere in der westlichen Industriewelt auch in schwieriger Zeit imstande sei, Arbeits­plätze zu sichern. Dieser Mythos ist un­trennbar mit dem Namen Androsch verbunden.

In seiner Partei, aber auch in weiten Teilen der Bevölkerung wurde An­drosch damals in den Olymp der Wirt­schaftspolitik emporgejubelt. Sein För­derer Kreisky setzte ihn zuerst in der SPÖ als einen seiner Stellvertreter, dann auch noch als Vizekanzler durch.

Androsch erkannte die Gefahren der eigenen Wirtschaftspolitik rascher als die SPÖ und die Bundesregierung.

Doch da er seine Karrierepolitik inzwi­schen auf die Nachfolge Kreiskys aus­gerichtet hatte, wählte er für die auch von ihm als notwendig erkannte Sanie­rung des Budgets den Weg des gering­sten Widerstandes: Statt Ausgaben zu kürzen, begann er, bei alten Steuern die Steuersätze zu erhöhen und neue Steuern einzuführen.

Bis 1980 stieg die Steuerquote auf knapp über 41 Prozent. Dennoch - und trotz gelegentlicher Bilderbuchkon­junkturen - erreichten Budgetdefizit und Staatsschuld immer neue Rekord­marken. Bei seinem Abgang aus der Regierung beträgt das (Brutto-)Bud- getdefizit 50 und die Staatsschuld rund 261 Milliarden Schilling.

War Hannes Androsch mithin ein schlechter Budget- und Wirtschaftspo­litiker?

Wenn gut gemeint das Gegenteil von gut ist, dann war Hannes Androsch tat­sächlich kein guter Wirtschaftspoliti­ker. Er hat es seinerzeit bestimmt gut gemeint, als er (1973) die Sparförde­rung und das Bausparen wesentlich ver­besserte; inzwischen wurde die staatli­che Sparförderung völlig abgebaut und das Bausparen siecht seinem Ende zu.

Er hat es natürlich gut gemeint, als er 1973 eine Geburten- und eine Heirats­prämie einführte: seither wurden diese Prämien nie angehoben, so daß ihnen schon heute das Schicksal der Wohn­beihilfe vorausgesagt werden kann.

Er hat es sicherlich auch gut gemeint, als er bis 1974 für jede sozialistische Idee das nötige Geld bereitstellte und er hatte schließlich auch den Mut, im Wahlkampf 1979 eine Lanze für mehr Eigenvorsorge zu brechen.

Auf der Habenseite der Wirtschafts­politik Androschs stehen die Einfüh­rung der Mehrwertsteuer, geringe Ar­beitslosen- und Inflationsraten sowie ein relativ spannungsfreies Verhältnis zum marktwirtschaftlichen System.

Auf der Sollseite seiner Wirtschafts­politik stehen gelegentlich gut ver­deckte Planlosigkeit und extrem hohe Defizite in der Leistungsbilanz und'im Bundeshaushalt sowie eine Staats­schuld, die es seinem Nachfolger schwer machen wird, im Ausland noch jene Kreditbedingungen zu erhalten, die man Finanzminister Androsch und der Republik Österreich noch 1978 gern zu geben bereit war.

An den Fehlern dieser Wirtschafts­politik tragen Bundeskanzler Kreisky und seine Partei große Mitschuld. An­drosch war 1970 politisch und wirt­schaftspolitisch für das Amt des Fi­nanzministers überfordert. Ein paar Lehrjahre mehr, und Androsch hätte tatsächlich ein bedeutender Finanz- und Wirtschaftspolitiker werden kön­nen.

Der gar so selbstbewußte Hannes Androsch macht aus seinen Lehrjahren Herrenjahre. Er sollte diesen Fehler für den Fall einer Bankkarriere nicht wie­derholen.

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