6792834-1970_47_04.jpg
Digital In Arbeit

Kein „Küß d'Hand“

Werbung
Werbung
Werbung

Die Unzufriedenheit mit dem Androsch-Budget organisierte sich rasch. Auf der einen Seite Naturwissenschaftler mit dem „Memorandum der 109“, parallel dazu die .Aktionsgemeinschaft“ von Professoren, Assistenten und Studenten, und auf der anderen Seite die Oppositionsparteien. Und der vergangene Freitag war nicht nur der 13. November, sondern im wahrsten Sinn des Wortes ein „Schwänzer Freitag“, denn von allen österreichischen Hochschulen wehten als Protest gegen das Androsch-Budget die schwarzen Fahnen. Am Rande sei vermerkt, daß solche Proteste in Österreich nicht neu sind, sondern ebenso wiederkehren wie jedes Jahr ein Herbst: „Billig, billiger, Bildung“ stand im Oktober 1967 auf Plakaten zu lesen, die der ehemalige VP-Unterrichts-mini'Ster Piffl-Percevic von aufgebrachten Studenten präsentiert bekam und damals wurde die Volkspartei mit dem Problem konfrontiert, wie man den angekündigten „scharfen Kampfmaßnahmen“ wohl am besten ausweichen könnte. Und im Vorjahr kam es unter Mock zu einem lückenlosen Studentenstreik, der die Sozialisten und ihr Zentralorgan „Arbeiter-Zeitung“ frohlocken ließ: „Forschungsmisere“. Jetzt ist der .Arbeiter-Zeitung“ und Ihrem Herausgeber keineswegs mehr zum Frohlocken zumute, dafür rührt die Volkspartei tüchtig bei den Unzufriedenen. Doch die Hochschul-prakttiker gehen ihre eigenen Wege, denn die Frontstellung gegen die Troika Kreisky-Androsch-Firnberg bleibt nicht ganz ohne eine „Küß“ d'Hand“-Verbeugung an die Frau Minister: man gesteht ihr zu, sich wenigstens bemüht zu haben. Die Hochschulpraktiker setzen damit eine noble Geste, denn eigentlich dürfte es keine Ausnahme geben. Nur unter der Hand erfährt man nämlich, daß, bezugnehmend auf das Budget, am 15. Oktober Briefe an Kreisky, Androsch und Firnberg abgesandt wurden, die bis heute unbeantwortet blieben.

Die Entwicklung des Sachaufwandes für Hochschulen beweist, daß diesem Aufgabenbereich wenig Bedeutung zugemessen wird. Betrug der Zuwachs von 1959 auf 1970 139 Millionen Schilling oder 20 Prozent, so liegt er 1971 nur bei 70 Millionen Schilling oder 8,5 Prozent. Noch deutlicher wird der „Abbau des Schwerpunktes Hochschule“ wenn man berücksichtigt, daß 49 Millionen (70 Prozent) dieser Erhöhung auf gesetzliche Verpflichtungen zurückzuführen sind. Im Rahmen der Ermessenskredite — den ordentlichen und außerordentlichen Dotationen — weist das Budget 1971 gegenüber dem laufenden Bundesfdnanzgesetz eine Verminderung um 4,1 Millionen Schilling oder 2,3 Prozent auf 177,9 Millionen Schilling auf. Das heißt, daß die Hochschulen mit weniger „Wirtschaftsgeld“ zur Bewältigung des Lehr- und Forschungsbetriebes auskommen sollen, obwohl sich die Zahl der Studenten von Jahr zu Jahr erhöht, immer mehr Lehrkräfte und immer bessere Ausstattung notwendig werden und übrigens nichts billiger wird. Frau Minister Firnberg ist zufrieden und vertröstet die Unzufriedenen mit einem Budgetüberschreitungsgesetz

1971. Nun scheint diese Argumentation wenn schon nicht gefährlich, so doch bedenklich. Es dst die unbestrittene Aufgabe einer jeden Bundesregierung, mit dem Bundesfinanzgesetz den Erfordernissen des nächsten Jahres Rechnung zu tragen. Das Ausweichen und Ausreden auf ein Budgetüberschreitungsgesetz 1971 zu einem Zeitpunkt, an dem das eigentliche Budget noch nicht verabschiedet ist, läßt den Verdacht aufkommen, daß das vorliegende Bundesfinanzgesetz einem Provisorium gleicht.

Ein leicht zu widerlegender Verdacht? Eine Kuriosität dm Hochschul-budget gibt darauf eine eindeutige Antwort: Für dlie Klagenfurter Hochschule findet sich ein Budget-ansatz von — das ist kein Schreibfehler! — 800.000 Schilling. 800.000 Schilling für den weiteren Aus- und Aufbau einer neu gegründeten Hochschule können einem — bei bestem Willen — nur ein mitleidiges Lächeln abringen und wenn Fasching wäre, könnte man an einen Scherz denken. Doch die Wissenschaftler in Klagenfurt befinden sich nicht in der Situation, darüber lächeln zu können. Sie haben bereits verlauten lassen, daß sie sich unter solchen Bedingungen an einem ähnlichen Projekt im Ausland beteiligen werden.

Die „Aktionsgemeinschaft“ hat sich weitere Schritte vorbehalten, — ein größerer Streik ist nicht ausgeschlossen. Mit einem Budgetuberschrei-tungsgesetz 1971 allein ist niemand zufriedengestellt, ansonsten „drohe der Wissenschaft die Auszehrung“, stellten Vertreter der Rektorenkonferenz fest.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung