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Die Diskussion um die Reform

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Das Universitätsorganisationsgesetz ist gerade zwei Jahre alt. Die Vorarbeiten leistete zunächst der Rat für Hochschul- fragen, dann die Parlamentarische Hochschulreformkommission. Wie kam es dazu? Der damalige Unterrichtsminister Dr. Theodor Piffl-Percevic erinnert sich:

Die Pariser Studentenrevolte des Frühjahres 1968 hatte österreichische Politiker mehr in Unruhe versetzt, als die österreichischen Studenten. Der National rat war bereits in die Sommerferien gegangen. So bot sich für die Ängstlichen der noch tagende Bundesrat für einen Entschließungsantrag zur Bildung einer „Parlamentarischen Hochschulreformkommission“ an. Ich habe mich einer solchen neuen Einrichtung nicht entgegengesetzt, wohl auch nicht entgegensetzen können, ohne hiedurch erst eine wirkliche Erregung auszulösen. Für notwendig habe ich sie bei dem damaligen Stand der Reformstudien noch nicht gehalten. Der Rat für Hochschulfragen und die Arbeitsgemeinschaft für Hochschul- entwicklung steckten bei guten Fortschritten und bereits wichtigen Einzelerkenntnissen doch noch in der Durch- und Ausarbeitung weiterer wichtiger Unterlagen. Eine neue Kommission, bestehend aus etwa fünf oder sechs Professoren, je gleichviel Assistenten, Studenten und Politikern sowie ein bis zwei Vertretern der Lehrbeauftragten, jedes Mitglied von einer Organisation entsandt und in der Mehrzahl mit Weisungen versehen, versprach nicht mehr gleich gediegene, kluge und ausgeglichene Vorschläge auszuarbeiten, wie dies einer Gemeinschaft Kundiger, Interessierter, nicht durch fixe Aufträge Eingeengter, keinem Entsendenden Rechenschaftspflichtiger, nur dem eigenen Gewissen Verantwortlicher im Rat und in der Arbeitsgemeinschaft gelungen war.

Gleichwohl nahm ich die Arbeit der neuen Kommission, die im Herbst 1968 zusammentrat, sehr ernst und präsidierte ihren oft endlos langen Sitzungen in Wien, Raach und Obertraun stets selbst und mit großer Geduld. Manchen, vor allem den Assistenten, ging es zu langsam, andere erfreuten sich sichtlich der Möglichkeit zu ausgedehnten und weitschweifigen Ausführungen. Ich versuchte, niemandem die Redezeit zu kürzen, vielmehr alle Zeichen von Unmut oder Ermüdung ob allzulanger Beiträge und Debatten zu dämpfen. Es sollte eben alles aus den Köpfen und Herzen heraus, alles sollte ausdiskutiert werden. Der wiederholt eingetretenen Gefahr des Zerredens konnte dann durch gleich oder zu einem anderen Zeitpunkt versuchte Zusammenfassung oder auch geläuterte Neuauftischung entgegengearbeitet werden.

Die Kommission wollte zuerst über das Universitätsinstitut beraten. Es solle die unterste Einheit des Forschungs-, Lehr- und Lernbe- triebes sein und ein mehrgliedriges Führungsorgan haben, dem die nicht mehr einem Professor, sondern eben dem Institut unmittelbar zugeteilten Assistenten zu unterstehen hätten, dem die Verteüung der Mittel, die Anschaffung der Bücher und Apparate zustehe. Die Begriffe Ordinariat, Lehrkanzel, Lehrstuhl sollten ihr Ende finden. Der Professor wäre eben ein Glied des Instituts und sei eingebunden in die Führungsvorgänge des Führungsorgans. Diese Gedankengänge erregten meine Verwunderung um so mehr, als ich den Eindruck nicht loswurde, als ob die Professoren selbst durchaus nicht beunruhigt seien.

Obwohl ich meine Funktion als Vorsitzender nicht als in den Bera tungsgegenstand sich Einmischender und schon gar nicht als Mitbestimmender ansah, sondern mich nach der Verfassungsrechtslage nur als Zuberatender verstehen durfte, gab ich nun doch in Form von Fragesätzen die Überzeugung kund, daß in meinen Augen als unterste, das heißt erste und fundamentale akademische Einheit des Forschungs- und Lehrbetriebes der akademische Lehrer, die Einheit seines Gehirns und Willens, angesehen bleiben und ihm daher eine personale und materielle Mindestausstattung zu seinen eigenen Händen, unabhängig von Abstimmungsergebnissen im Institutsführungsgremium, garantiert werden müsse. Nur so bleibe der einst eigens für die Hochschullehrer geschaffene Verfassungsgrundsatz der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre nicht eine höhnische Papierverheißung, sondern könne sich verwirklichen. Ob dann der persönliche, wissenschaftliche Helfer des Professors „Assistent“ heiße oder diese Bezeichnung jenen überlassen bleiben solle, die unmittelbar dem Gemeinschaftswerk des Instituts als nächster universitärer Einheit zugeteilt sind, sei zunächst unwichtig. Wiederum überraschte mich der Eindruck, als ob diese Frage für nicht so grundsätzlich empfunden würde, als sie mir grundsätzlich erschien. Man biß sich von keiner Seite an ihr oder in sie fest, sondern wandte sich anderen Fragen zu.

Die Assistentenvertreter boten vielfach das Bild von Gewerkschaftern und nützten bald einen guten Zeitpunkt, ihre Anliegen vorzulegen, und hatten damit raschen Erfolg. Mit ihm sank ihr Fleiß an der Durcharbeitung weiterer Probleme unübersehbar ab. Auch das war mir eine peinliche Erfahrung. Am ernstesten nahmen die Studenten sich und ihre Anliegen, die sie trotz ihrer sonstigen Fehden meist gut untereinander abgesprochen zu haben schienen.

Als ich das Ministeramt zurücklegte, waren die Beratungen der Reformkommission noch nicht allzuweit fortgeschritten. Uber ihren weiteren Ablauf kamen mir nur noch gelegentlich Bemerkungen zu, die mir zu undeutlich waren, als daß ich heute ein Urteil abgeben könnte. Sosehr ich die Konstruktion der Kommission und ihre Arbeitsweise im Vergleich zur Zusammensetzung und Arbeitsweise des Rates für Hochschulfragen und der Arbeitsgemeinschaft für Hoch- schulentwicklung für wenig glücklich hielt, so habe ich mich doch auch im Kreise ihrer Mitglieder, auch der weit linksstehenden, wohl gefühlt und vermeint, daß alle auch mir gegenüber freundlich gestimmt waren.

Jahre später gestand mir eines der Mitglieder aus dem Professorenstand, daß man nun klar sehe, wie recht ich mit meiner Ansicht über die erste Einheit des universitären Geschehens gehabt hätte.

Das unverständlich unkluge, Forschem und Lehrern mißtrauend feindliche, damit aber notwendigerweise auch Assistenten und Studenten abträgliche neue Universitätsorganisationsgesetz möge alle am Universitätsgeschehen kommender Tage, wenn durch die Gunst klarer Einsichten die Schaffung eines klugen, neuen Universitätsgesetzes geglückt sein wird, daran erinnern, wie schnell auch Kluges durch unkluges, allzu selbstbezogenes Handeln verspielt werden kann.

Aus: Zuspruch und Widerspruch. Von Theodor Piffl-Percevic. Verlag Styria, Graz -Wien-Köln, 1977,340 Seiten, öS 290,-.

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