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Es bleibt ruhig

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Die Reformgespräche gehen weiter. Unbeschadet davon, wie der Wähler am 1. März entscheiden wird — die Hochschulreformkommission wird schon vier Tage nach der Wahl wieder zusammentreten, um dort fortzufahren, wo sie Mitte Jänner aufgehört hat. Zum Unterschied von der Schulreformkommission, wo sich die Vorwahl-Nervosität deutlich bemerkbar machte, blieben die Debatten zwischen Professoren, Assistenten und Studenten vom Wahlkampf unberührt. Unterrichtsminister Mock kündigte bei der Verabschiedung des Klagenfurter Hochschulgesetzes an, er wolle noch in diesem Jahr eine Novelle zum Hochschulorganisationsgesetz vorlegen. Hier sollen alle jene Punkte enthalten sein, die die Reformkommission schon abgeklärt hat — aber auch manche andere, zu denen sie noch nicht gekommen ist. Die Kommission wird also, aller Voraussicht nach, noch längere Zeit zu tun haben. Die Wochen bis zum 1. März bedeuten für sie eine kleine Atempause, keine Zäsur. Trotzdem sei der Versuch einer Zwischenbilanz gewagt.

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Die Reformgespräche gehen weiter. Unbeschadet davon, wie der Wähler am 1. März entscheiden wird — die Hochschulreformkommission wird schon vier Tage nach der Wahl wieder zusammentreten, um dort fortzufahren, wo sie Mitte Jänner aufgehört hat. Zum Unterschied von der Schulreformkommission, wo sich die Vorwahl-Nervosität deutlich bemerkbar machte, blieben die Debatten zwischen Professoren, Assistenten und Studenten vom Wahlkampf unberührt. Unterrichtsminister Mock kündigte bei der Verabschiedung des Klagenfurter Hochschulgesetzes an, er wolle noch in diesem Jahr eine Novelle zum Hochschulorganisationsgesetz vorlegen. Hier sollen alle jene Punkte enthalten sein, die die Reformkommission schon abgeklärt hat — aber auch manche andere, zu denen sie noch nicht gekommen ist. Die Kommission wird also, aller Voraussicht nach, noch längere Zeit zu tun haben. Die Wochen bis zum 1. März bedeuten für sie eine kleine Atempause, keine Zäsur. Trotzdem sei der Versuch einer Zwischenbilanz gewagt.

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Knapp eineinhalb Jahre dauern nun die Diskussionen in der Reformkommission an. Was ist in dieser Zeit erreicht worden? Haben die Studenten recht, die den Professoren vorwerfen, mit ständigem Bremsen die Verwirklichung echter Reformen zu verhindern? Haben die Kritiker in den Zeitungen recht, die die Effektivität der ganzen Kommission in Frage stellen? Oder waren die Erwartungen überspannt, die glaubten, daß — wie der Bundesrat formuliert hatte — binnen Jahresfrist Vorschläge zur Neuordnung der österreichischen Hochschulen vorgelegt werden könnten, und daß diese Vorschläge dann mehr sein könnten als theoretische Proklamationen ideologisch fundierter Vorstellungen, ohne Prüfung auf ihre Zweckmäßigkeit und ohne Gewähr für ihre Durchführbarkeit?

Die Intention des Unterrichtsministers Piffl-Percevic war zunächst gewesen, allen Beteiligten Gelegenheit zu geben, auch in breitester Form ihre Vorstellungen von der Universität von morgen darzulegen und den Vorstellungen des andern in gleicher Breite zu antworten. Nur so könnte das Spektrum ausgeleuchtet, der erforderliche Rahmen zwischen den Extremen abgesteckt werden. Darüber hinaus aber brauchten alle Beteiligten eine gewisse Zeit, sich in zielführende Formen demokratischer Verhandlungen einzugewöhnen. Die anwesenden Parlamentarier, Routiniers dieser Aufgabenstellung, konnten oft genug als „Profis“ den Ausweg weisen, wenn sich die „Amateure“ scheinbar hoffnungslos verrannt hatten.

Mit Temperamentsausbrüchen

Seither geht die Behandlung konkreter Themen weiter, langsam zwar und mitunter ermüdend zäh — aber doch immer sachlich, unbeschadet gelegentlicher Temperamentsausbrüche. Man behandelte die Modalitäten der Berufung von Professoren, ihre Emeritierung, die Habilitation. Die Mehrheiten wechselten, gar

nicht so selten gingen die Fronten quer durch die Gruppen. Nicht wenige Empfehlungen wurden einstimmig gefaßt — und wo sich bei sehr knappen Mehrheiten die Minderheiten überstimmt fühlten, stellten sie ihr Votum zu Vergleich und Begründung daneben. Dann zeigte sich bald, daß bestimmte Streitpunkte im Lauf der Diskussion viel von ihrer Schärfe eingebüßt, daß Forderungen, die noch vor zwei Jahren als unannehmbar galten, längst ihre Tabu-Position verloren hatten. Man einigte sich ohne Schwierigkeiten darauf, alle Dienstposten — nicht nur jene der Professoren — ausschreiben zu lassen, ohne daß deswegen die Berufungsikommissionen gebunden wären, ihre Kandidaten nur aus den eingehenden Bewerbungen auszuwählen. In der Frage einer früheren Emeritierung der Professoren bleiben die Meinungen nur um ein Jahr voneinander getrennt. Auch daß in den Habilitationskommissionen Assistenten und Studenten anwesend sein sollten, daß bei der Erteilung der Venia docendi auch die pädagogisch-didaktischen Fähigkeiten eine Rolle spielen sollten, blieb im Grundsatz unbestritten. Dann allerdings verlangte die Detailaus-feilung Tage.

Emeritierungsgesetz

Vielleicht wäre es möglich gewesen, das Erreichte auch mit geringerem Zeitaufwand zu vollbringen — alle Beteiligten wären wohl dankbar dafür gewesen. Dazu wäre aber wohl nicht nur eine weniger tolerante Verhandlungsführung, sondern auch mehr Selbstbeschränkung aller Diskussionsredner nötig gewesen. Vor allem aber dürfte es nicht vorkommen, daß einer der Teilnehmer nach mehrstündiger Diskussion um die Habilitationsnorm zum Gesetzbuch greift, sich hineinvertieft — und dann sichtlich erstaunt feststellt, daß dieses eigentlich genau das vorschreibe, was man erreichen wollte! Nur habe er vorher keine Zeit gehabt, sich davon zu überzeugen...

Vor allem aber hat die Diskussion gezeigt, daß es nicht schwer ist, Konzepte zu erstellen, ja, daß man sich sogar über divergierende Konzepte einigen kann — daß aber die Durchführung, die Ausarbeitung der Einzelheiten dann noch viel Überlegung and noch mehr Zeit erfordert.

Aus dieser Überlegung heraus hat auch Minister Mock unbeschadet des Endziels der Gesamtreform bereits alles das in die Wege geleitet, was sich aus den Empfehlungen der Kommission auf Grund der bestehenden Gesetze oder mit der Adaptierung von Einzelgesetzen schon durchführen läßt. Die Studienkommissionen sind für die Hochschulen technischer Richtung schon Gesetz — aber auch die anderen haben auf Empfehlung des Ministers hin ähnliche Institutionen geschaffen. Anfangsschwierigkeiten waren zu erwarten, sie werden überwunden werden.

Das Ehren jähr der Professoren wird wieder nur noch ausnahmsweise genehmigt. Eine Novelle zum Emeritierungsgesetz steht im Begutachtungsverfahren. Vor allem aber hat das Kunsthochschulgesetz für den Bereich der künstlerischen Hochschulen wesentliche Elemente aus der Diskussion der Reformkommission bereits verwirklicht. Die Erfahrungen hier können, mutatis mutandis, dann den andern wieder zugute kommen.

Nicht nur im Verwaltungsbereich übernimmt übrigens das Reformkonzept der SPÖ teilweise im Wortlaut viele der Empfehlungen der Kommission. Auch die österreichische Studentenunion proklamiert als Forderungen, was ihre Vertreter in der Kommission bereits verwirklichen helfen. Die Rektorenkonferenz hat in ihren Anregungen zur Hochschulreform bewußt jene Bereiche ausgeklammert, die von der Reformkommission schon behandelt wurden; aber auch in ihren Formulierungen klingen die Erfahrungen der Diskussion mit

Ist das nichts? Ist das zuwenig? „Tu felix Austria? Hat unser südöstlicher Nachbar eine glücklichere Hand in Sachen Hochschulreform?“ fragt die „Deutsche Universitätszeitung“ in ihrer ersten Jännernummer am Beginn eines umfangreichen Berichts über die Vorgänge in Österreich und meint weiter, ein möglicher Grund für die Umkehrung des Trends der Professorenwanderung zugunsten Österreichs liege wohl in der Ruhe an den österreichischen Hochschulen. Die Hochschulreformkommission hat sicherlich allein durch ihre Existenz, durch das wenn auch zähe Fortschreiten ihrer Diskussionen viel dazu beitragen, diese Ruhe zu erhalten. Allein das wäre schon ein Grund, sie als Forum zu erhalten.

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