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In der Quadratur des Kreises

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Die Schulreformkommission hat nach der Sommerpause ihre Beratungen wieder aufgenommen, mit der Hochschulreformkommission wird es noch einige Wochen dauern. Seit im Juni die Professorenvertreter aus Protest gegen eine gegen ihre Stimmen angenommene Empfehlung zur Institutsstruktur aus der Kommission auszogen, schien sie lahmgelegt, schien ihr weiteres Schicksal fraglich. Aber schon kurz danach stellte Wissenschaftsminister Frau Firnberg eindeutig fest, daß es eine Reform ohne oder gegen die Professoren nicht geben könne.

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Die Schulreformkommission hat nach der Sommerpause ihre Beratungen wieder aufgenommen, mit der Hochschulreformkommission wird es noch einige Wochen dauern. Seit im Juni die Professorenvertreter aus Protest gegen eine gegen ihre Stimmen angenommene Empfehlung zur Institutsstruktur aus der Kommission auszogen, schien sie lahmgelegt, schien ihr weiteres Schicksal fraglich. Aber schon kurz danach stellte Wissenschaftsminister Frau Firnberg eindeutig fest, daß es eine Reform ohne oder gegen die Professoren nicht geben könne.

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Nun hat der zuständige Sektionschef die Rektorenkonferenz ersucht, bis zum 15. Oktober wieder Kommissionsmitglieder zu nominieren. Auch wenn die Meinungen in den zuständigen Professorengremien noch nicht völlig auf einen Nenner gebracht werden konnten, dürfte doch wohl kaum zu zweifeln sein, daß bis zu diesem Tag auch die Namen — die alten oder neue — bekannt sein werden, daß kurze Zeit später die Kommission wieder tagen wird. Die Unterbrechung von vier Monaten, durch den Exodus bewirkt, könnte sich als schöpferische Pause auswirken. Damals, nach mehr als eineinhalb Jahren zäher Beratungen, deren positive Ergebnisse viel mehr in atmosphärischen Schwingungen als in konkreten Formulierungen festzustellen waren, nach einer politischen Zäsur, deren Auswirkungen auf diesem Sektor noch gar nicht abzusehen waren, konnte man die Ermüdungserscheinungen in allen Gruppen deutlich feststellen. Die Beratungsergebnisse des ersten Jahres hatte Minister Mock noch um Weihnachten in einem dicken blauen Band allen Bundesräten — als den Auftraggebern — und sonstigen Interessenten zugeleitet. Er hatte darin begründet, warum es dieser Kommission noch nicht gelungen war, ein gemeinsames Konzept vorzulegen, wo doch die Parteien, die Interessentengruppen ihre Vorstellungen schon lange formuliert hatten. In dieser Kommission sollte ein Weg gefunden werden, der für alle gangbar sein konnte, für Professoren und Studenten, für Dozenten und Lehrbeauftragte, für habilitierte und nichthabilitierte Assistenten, für die Politiker aller drei Parteien — und für jeden Minister, der dann für die Durchführung zu sorgen haben würde. Mußte das nicht manchmal die Suche nach der Quadratur des Kreises bedeuten?

Und doch mußte dieser Weg begangen werden, mußte das Kompromiß gesucht werden, wenn schon nicht die ideale, so doch die optimale Form.

Aber von diesem scheinbar hoffnungslosen Bemühen strahlten die Impulse in die Gremien aus, die sich innerhalb der Parteien und der Interessengruppen mit denselben Fragen befaßten. Sie fanden dort ihren Niederschlag und flössen wieder zurück in die Diskussionen der Kommission — wer wollte schließlich eindeutig feststellen, wo dieser oder jener Gedanke zum ersten Mal aufgetaucht, wo er formuliert, wo er festgehalten worden war? In diesem Rückkoppelungsprozeß verwoben bald Ursache und Wirkung, Frage und Antwort, Anstoß und Ausführung zu einem Netz, dessen Fäden vielfach zwischen den divergierenden Gruppen hin und her liefen. In diesen Monaten nun wäre Zeit gewesen, diese Fäden zu verfolgen, sich zu besinnen, die Karten neu zu verteilen. Soweit bisher durchsickert, dürfte auch einiges geschehen sein, was auch ohne spektakuläre Pau-kenschläge geeignet erscheint, die

Diskussion wieder in Gang zu bringen. Die Rektorenkonferenz ließ ihren Reformausschuß die im Dezember vorgelegten Empfehlungen in einigen Punkten überarbeiten, vor allem im Bereiclfaea Instituts — wobei zum ersten Mal eindeutig ausgesprochen wurde, daß es eben nicht möglich ist, Numismatiker, Anatotomen und technische Physiker über einen Kamm zu scheren. Wie man hört, ist auch im Ministerium der Gesetzentwurf für ein neues Hochschulorganisationsgesetz völlig neu bearbeitet worden. Im Frühjahr hatte noch ÖVP-Minister Mock versucht, das Ergebnis der Beratungen in der Kommission und in anderen Gremien in einem Entwurf zusammenzufassen. Er war auf vielfache Ablehnung gestoßen. Die Kommission fühlte sich übergangen; die Universitäten stießen auf Formulierungen, die über die Kompromisse In der Kommission hinausgingen. Für die Nachfolgerin war es ein Leichtes, den Entwurf zurückzuziehen. Die Neufassung soll nun die neue Arbeitsunterlage für die Kommission bieten.

Inzwischen ist aber noch ein weiteres Element zum Tragen gekommen, das die, Diskussion in und außerhalb der Kommission beeinflussen wird: Immer deutlicher zeichnen sich die Irrwege, die gefährlichen Fehlentwicklungen ab, die die deutsche Hochschulreform in manchen ihrer Erscheinungsformen zu gehen im Begriff ist. Der Wille, die Studenten am Willensbildungs- und Entschei-dungsprozeß zu beteiligen, hat an manchen deutschen Universitäten zur terroristischen Diktatur radikaler Minderheiten geführt. Das Anliegen, der Universität eine echte Führungsspitze zu verschaffen, brachte Präsidenten an die Macht, die die gesellschaftspolitische Komponente der Hochschulreform vor die wissenschaftspolitische setzen. Es wäre nun falsch, das Kind mit dem Bad auszuschütten und wegen solcher Verirrungen auch die Erfüllung der echten, gemeinsamen Anliegen zu verweigern. Es wäre aber blind und verantwortungslos, die Augen vor diesen Erfahrungen zu verschließen, die sich vor unserer Tür anbieten. Um so größere Bedeutung erhält die gemeinsame Diskussion aller beteiligten Gruppen in der Hochschulreformkommission — auch wenn sie mitunter anmutet, als suche man die Lösung der Quadratur des Kreises.

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