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An den Round geschrieben

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ZUM JUBILÄUM. Die Wiener Alma Mater Rudolphina leiert im nächsten Jahr die sechshundertste Wiederkehr ihrer Stiftung. Schon seit Monaten erheitern komplizierte Protokoll- und Etikettefragen — so etwa, welche Angehörigen des akademischen Lehrkörpers zu diesem Anlaß Festtalare tragen dürfen — die anfeilnehmende Öffentlichkeit. Ein Bericht des Dekans der philosophischen Fakultät der jubilierenden Universität zeigt freilich recht wenig feiernswerten Anlaß: Zu grot; geworden sind die materiellen und personellen Schwierigkeiten, denen sich die einzelnen Institute der philosophischen Fakultät gegenübersehen, kamen doch vergleichsweise im Wintersemester 1949/50 auf je einen Professor durchschnittlich 86 Hörer, im Wintersemester 1962/63 dagegen bereits 108 Hörer. Das wissenschaftliche Personal dagegen wurde nicht vermehrt. In einer Übersicht gibt der Bericht des Dekans außerdem eine Darstellung der Schwierigkeiten, die die einzelnen Institute besonders hervorheben. So wird der Raummangel für Vorlesungen und Übungen, schlechte und veraltete Einrichtungen, der Mangel an Arbeitsplätzen für Dissertanten den materiellen Schwierigkeiten zugezählt. Als personelle Mängel werden die zu geringe Besetzung der Stellen für Assistenten und wissenschaftliche Hilfskräfte, das übermal) an Kolloquien, die von zu wenig Lehrpersonen abgenommen werden müssen, schließlich die vermehrte Übernahme von Verwalfungsarbeiten und die zu schwache Besetzung der Stellen für Verwaltungspersonal angeführt. Kein guter Hintergrund für die großen Feiern des nächsten Jahres.

DEM ANTRAG WURDE STATTGEGEBEN. Das Volksbegehren für eine Rundfunkreform wird von Montag, den 5. Oktober, bis einschließlich Montag, den 12. Oktober 1964, stattfinden. Der Bundesminister für Inneres hat am 7. August in einem Bescheid an den Bevollmächtigten der mehr als 200.000 Österreicher, die den Antrag auf Einleitung des Volksbegehrens gestellt haben, mitgeteilt, daß das- Innenministerium diesem Antrag stattg:bt, da alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt wurden. Die Entscheidung des Innenministeriums wurde am 9. August im Dienstblatf der „Wiener Zeitung” veröffentlicht. Acht Wochen später beginnt, wie es das Gesetz vorschreibt, die einwöchige Einfragungsfrist. Innerhalb dieser Zeit müssen sich alle jene Österreicher, die die Rundfunkreform unterstützen, in ihren Heimatgemeinden in öffentlich aufliegende Eintragslisten einschreiben, auch jene, die in den vergangenen Wochen den Antrag auf die Einleitung des Volksbegehrens unterschrieben haben. Wo die Listen zur Eintragung aufgelegt werden, muß von den einzelnen Gemeinden ötfentlich verlautbart werden. Als Stichtag hat das Innenministerium den 14. September 1964 festgelegt, das heißt, all jene Österreicher können sich in die Eintragungsliste einschreiben, die an diesem Tag in der Wählerevidenz ihrer Heimafgemeinde geführt werden. Und damit geht die Aktion ihrem Höhepunkt entgegen, der dem politischen Herbst des Jahres 1964 zweifellos einigen Zündstoff bieten wird.

OSTSPRACHEN. „Tatsächlich eignet sich Österreichs jüngstes Bundesland auf Grund seiner geographischen Lage, seiner Geschichte und der ethnischen Eigenart seiner Bevölkerung besonders gut als Standort für Sommerseminare in Osfsprachen. Damit könnte das Burgenland ein Sommerzentrum für Ostsprachenunterrichf auch in weiter internationaler Sicht werden.” Stolz berichtet die Ostakademie, eine Abteilung des österreichischen Ost- und Südosteuropa- Instituts (vormals Arbeitsgemeinschaft Ost), über die Eröffnung des 4. Internationalen Seminars für Ostsprachen in Eisenstadt. In der „Furche” wurde oft genug auf die Bedeutung, Ostsprachen zu lernen und so für die Zukunft, in der der Eiserne Vorhang aufgezogen wird, bereit zu sein. Nun, die Zukunft hat ja schon begonnen… Die Ostakademie begann vor drei Jahren, zunächst für ihre eigenen Hörer, Sommerkurse mit Internatsbetrieb abzuhalten. Inzwischen hat sich dieses Seminar auf Grund seiner besonderen Leistungen auf dem „internationalen Markt” derartiger Lehrveranstaltungen einen hervorragenden Platz sichern können. Die heuer für drei Wochen nach Eisenstadt gekommenen 102 Hochschulstudenten stammen aus dreizehn Staaten. In einem Spezialseminar besonderer Art nehmen heuer auch amerikanische Studenten an den Veranstaltungen der Ostakademie feil: So wird gemeinsam mit dem Institut für Slawistik der Wiener Universität und der University of Tennessee eine sechswöchige „Intensive Summer School for Russian Language and

Area Studies” in Oberwart durchgeführt.

WIEDER BOMBEN. Vier Tage nach dem Einsatz amerikanischer Bombenflieger im Golf von Tonkin meldeten die Nachrichtenagenturen Angriffe türkischer Jagdbomber auf griechischzypriotische Städte und Dörfer. Ein Zufall? Wohl kaum. Und hier scheint eine gewisse Gefahr für die USA und ihre Bundesgenossen zu liegen: Welche Macht wäre wohl in der Lage, ihre Bundesgenossen — sei es mit moralischen oder anderen „in der Politik erlaubten Mitteln” — zu bewegen, nach dem gegebenen Anschauungsunterricht, statt eines kurzen überraschenden Vergeltungsschlages den langwierigen Weg am Verhandlungstisch zu wählen? Zypern scheint die erste gefährlich lodernde Flamme zu sein, die durch den Angriff auf Nordvietnam noch ange- fachf wurde. Bemerkenswert auch die Tatsache, daß gerade die Türkei, jene bisher als absolut verläßlich geltende Militärmacht und Eckpfeiler des atlantischen Bündnisses, ihre Ruhe und Reserviertheit im Zypernkonflikt aufgegeben und den Versuch gewagt hat, den gordischen Knoten zu durchschlagen. Ganz ist ihr dies freilich nicht gelungen. Die Folgen, die eine Fortsetzung des Bombardements mit nachfolgender türkischer Invasion mit sich gebracht hätten, wären nicht abzusehen gewesen. Für die Vereinigten Staaten und das atlantische Bündnis am schmerzlichsten wäre wohl das Ausscheiden der Türkei — die durch das zögernde Verhalten ihrer Bundesgenossen ohnehin schon auf dem Weg zur Neutralität ist — aus dem Bündnis. Der Hilferuf Erzbischof Makarios’ an die Sowjetunion dagegen würde dieser eine see- strategische Position von ungeheurer Bedeutung einbringen. Mitten im Mitfelmeer.

SCELBA GEGEN MORO. Heiße Debatten gab es während der jüngsten Sitzung der italienischen Kammer. Nach langer Zeit ergriff im Plenarsaal des Palazzo Monfecitorio wieder der ehemalige Ministerpräsident Scelba das Wort. Obwohl er die Erlaubnis seines Fraklionsvorsitzenden besaß und obwohl er sich mit der Behandlung von zwei Themen begnügte, verzichtete er als Sprecher des rechten Flügels der Democrazia cristiana, die grundsätzliche Ablehnung der Apertura a sinistra zur Sprache zu bringen. Doch wendete sich Scelba sehr scharf gegen die Regierung. Und hier beginnt die innenpolitische Debatte von Rom auch für Österreich bemerkenswert zu werden. Der Redner kritisierte nämlich die jüngste Entwicklung in Südfirol. Nicht das Außenministerium, so hob er hervor, sondern das Innenministerium sei für den Konflikt im „Alto Adige” zuständig. Damit hat Scelba heftigen Widerstand gegen die von Moro und Saragat in Aussicht genommene Lösung angekündigf. Daß Ministerpräsident Moro entschlossen ist, die Südtirol-Gespräche mit Österreich zu einem schnellen Abschluß zu bringen, deutete er am gleichen Abend in der Kammer an: Seine Regierung beabsichtige, die Beschlüsse der Neunzehnerkommission dazu zu benützen, „Ruhe und Vertrauen in Südfirol” — Moro sagte nicht „Alto Adige!” — wiederherzusfellen. Südtirol scheint dem Frieden näher zu sein als irgend in den letzten Jahren. Denn wenn es einer Regierung gelingt, dieses heiße Eisen endlich abzukühlen, dann nur einer Regierung der linken Mitte, die auf überholten Mottenkisten-Nationalismus nicht Rücksicht zu nehmen braucht.

SCHWARZE FAHNEN. Polens politische Prominenz, die Spitzen von Partei und Staat, verlebt einige unruhige Tage. Der Tod des Staatsoberhauptes der polnischen Volksrepublik, Zawadski, bringt allgemeines Rätselraten mit sich, wer wohl die Nachfolge als Vorsitzender des Staats- rates antreten werde. Ob das allgemeine Revirement groß sein wird, ist noch offen. Wie immer bei politischen Änderungen im Ostblock treten bereits die „wohlinformierten Kreise” auf, die sich allerdings über die Person des Nachfolgers noch nicht ganz schlüssig sind. So geben — wenige — Kommentatoren dem Stellvertreter Zawadskis gewisse Chancen, doch wird als mögliches neues Staatsoberhaupt auch der bisherige Regierungschef Cyrankiewicz genannt. Oder aber man präsentiert einen neuen Mann. Aus Rom kommen ernste Meldungen. Die Arbeit des italienischen Staatschefs duldet keine Unterbrechung. Fällt er durch Krankheit aus, so wird er nach Artikel 86 der Verfassung vom Präsidenten des Senats vertreten. Die schwere, plötzliche Erkrankung Antonio Segnis, der trotz seiner 73 Jahren an der Bürde seines Amtes leicht zu tragen schien, löste in Italien große Bestürzung aus. Der Gehirnschlag ereilte den Präsidenten mitten in der Arbeit.

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